Abgeordnete reisen nach Incirlik Neuanfang nach dem Besuchsverbot
Nach dem Streit über die Armenien-Resolution des Bundestags dürfen Abgeordnete nun erstmals wieder die türkische Nato-Basis Incirlik besuchen. Dort hat die Bundeswehr Soldaten und Aufklärungsjets stationiert.
Die Delegation des Verteidigungsausschusses fliegt zunächst nach Ankara. Dort sprechen die deutschen Bundestagsabgeordneten mit türkischen Parlamentskollegen und Regierungsvertretern. Tags darauf fliegen sie zum NATO-Stützpunkt Incirlik. Derzeit sind dort fast 250 deutsche Soldaten stationiert. Ihr Anteil an der NATO-Mission gegen das Terrornetz IS: Aufklärung und Luftbetankung.
Der Stein des Anstoßes
Hintergrund des Besuchsverbotes ist die Armenien-Resolution des Bundestages vom 2. Juni. Darin wird die massenhafte Ermordung von Armeniern vor hundert Jahren im Osmanischen Reich als „Völkermord" bezeichnet.
Die Türkei als Rechtsnachfolger lehnt diesen Begriff jedoch entschieden ab. Und untersagte kurzerhand die geplante Reise der Bundestags-Abgeordneten zum Standort Incirlik. Ein Eklat, der auch Bundeskanzlerin Angela Merkel auf den Plan rief: "Wir sind uns alle einig, dass die Abgeordneten unsere Soldaten besuchen müssen und ich versuche auch, durch Gespräche hier Fortschritte zu erzielen."
Treffen Merkels mit Erdogan
Merkel traf sich am Rande des G20-Gipfels in Peking mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Zusätzlich hatte zuvor Regierungssprecher Seibert öffentlich darauf hingewiesen, dass Resolutionen per se rechtlich nicht bindend sind.
Aus dem Bundestag, vor allem aus der Opposition, kam Kritik an dieser politisch-diplomatischen Geste. „Von Erdogan vorgeführt“, hieß es bei den Linken. Peinlich sei das Ganze, urteilte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. Der Türkei allerdings reichte es, um dann doch den Abgeordneten eine Einreise-Erlaubnis zu erteilen.
In Ankara sprechen die deutschen Bundestagsabgeordneten mit türkischen Parlamentskollegen und Regierungsvertretern. Die Grünen-Obfrau im Verteidigungsausschuss, Agnieszka Brugger, hat sich einiges vorgenommen, will kritische Punkte wie etwa die Kurdenfrage ansprechen, will eine klare Haltung zeigen:
"Ich glaube aber, dass es nicht klug ist, mit unnötig viel Schaum vor dem Mund so eine Reise anzutreten, weil es in der Regel nur dazu führt, dass der Gesprächspartner einem dann erst recht nicht zuhört. Und ich glaube, es gibt viele kritische Punkte, die wir besprechen müssen und ich hoffe, dass wir da zu mehr Einigung kommen."
Agnieszka Brugger, Grüne
Türkische Partner kooperieren sehr wenig
Zuhören will auch der Linken-Obmann im Ausschuss, Alexander Neu, und zwar vor allem tags darauf den in Incirlik stationierten Bundeswehrsoldaten. Beim Besuch Anfang des Jahres habe er bereits einiges Interessantes bei solchen informellen Gesprächen erfahren:
"Zum einen kooperieren die türkischen Partner sehr wenig, es wird nicht umgesetzt, was man gemeinsam vereinbart hat. Es läuft also nicht rund mit den türkischen Partnern. Und das zweite ist, einige haben gesagt dass es ein sehr ungutes Gefühl ist, mit den türkischen Partnern zusammenarbeiten zu müssen, wo man genau weiß, dass die türkische Armee die Kurden bombardiert."
Alexander Neu, Linke
"Idealer Standpunkt für Mission in Syrien"
In Incirlik leben und arbeiten momentan fast 250 deutsche Soldaten. Ihr Anteil an der NATO-Mission gegen das Terrornetz IS: Aufklärung und Luftbetankung. Für den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages, den SPD-Politiker Hans-Peter Bartels, ist Incirlik der ideale Stützpunkt für diese Mission in Syrien und dem Irak. Bartels hofft, dass nun wieder Normalität einkehrt in die Beziehungen zum NATO-Partner Türkei:
"Es wäre gut, wenn man bei einem NATO-Partner ganz selbstverständlich seinen Stützpunkt aufschlagen kann. Im Moment ist das so, aber die Geräusche, die wir zuletzt gehört haben, waren nicht gut für ein Bündnis."
Hans-Peter Bartels, SPD
Den Besuch der Bundestagspolitiker sieht Bartels als gutes Zeichen. Allerdings ändert das nach Ansicht des Wehrbeauftragten nichts daran, dass man der türkischen Regierung eines immer wieder klar machen müsse: welche Standards man in einem Bündnis an Rechtsstaatlichkeit und Demokratie anlege.