Swing States Wo die US-Wahl wirklich entschieden wird
Donald Trump ist abgerutscht: Nach den TV-Duellen und seinem Skandalvideo treffen sich die Umfragewerte bei seinen "Leichen" im Keller. Teile der Partei haben sich abgesetzt. Spiel, Satz und Sieg Clinton? Vorsicht: Die Entscheidung fällt in einem knappen Dutzend heiß umkämpfter "Swing States". Von Michael Kubitza
In Oklahoma ist die Wahl bereits gelaufen. "Land des roten Mannes" bedeutet der Name des Südstaats in der Indianersprache. Das gilt noch immer - allerdings steht das Rot (wie das Parteisymbol des Elefanten) inzwischen für die Republikaner. An den letzte Sieg eines "blauen" Demokraten - Kennedys Vize Lyndon B. Johnson - können sich nur Rentner erinnern.
Bei den Vorwahlen in Oklahoma lag Trumps Parteirivale Ted Cruz vorne. Doch hier würde jeder Republikaner gegen Clinton gewinnen. Wahlforscher beziffern die Wahrscheinlichkeit eines Demokraten-Siegs in Oklahoma mit 0,4 Prozent. Ähnlich sieht es in vielen Staaten des konservativen "Bible Belt" und im Mittelwesten aus. Umgekehrt kann sich das Trump-Lager im nüchternen Zustand keinerlei Hoffnungen auf New York oder Kalifornien machen.
Bayerische Verhältnisse in den USA?
Esel oder Elefant: Das Magazin Politico hat errechnet, dass sich die Wähler in 33 Staaten bei den letzten sechs Präsidentschaftswahlen kontinuierlich für eine Partei entschieden haben. Was Colorado oder Texas dann doch von Bayern unterscheidet, ist das Wahlmännersystem: in den USA bekommt der Sieger in einem Bundesstaat auch bei knappstem Wahlausgang sämtliche Wahlmänner zugesprochen - weshalb bei den letzten Wahlen faktisch 17 von 50 Staaten das Rennen unter sich ausmachten.
Die wichtigsten Wahlschlachtfelder
In einigen typischen Swing States wie Colorado, Pennsylvania oder Virginia fehlt Trump der Rückhalt in der eigenen Partei, oder er hat sich selbst ins Aus geschossen. Clinton ist dort zwar unbeliebt, Trump für die Mehrheit aber unwählbar. Umso heftiger wird um die übrigen Wechselwähler gekämpft - Swing States werden Battleground States, in denen die Parteien ihre Truppen massieren.
Hillary Clinton ist im Vorteil: Schon wenn sie nur ihre Hochburgen hält, käme sie auf 242 Wahlmänner; die nötige Mehrheit liegt bei 270. Sie hat die Mehrheit der Medien auf ihrer Seite, ihre Kampagne die üppigeren Finanzpolster. Längst haben sich die meisten weißen Flecken vom Anfang des Wahlkampfs mehr oder weniger blau eingefärbt.
Doch die Nervosität bleibt. Die Umfragen des Jahres 2016 schwanken wie selten zuvor, in der letzten Woche vor der Wahl hat Trump wieder aufgeholt. Drei Staaten, in denen das Rennen komplett offen ist:
Drei Hot Spots
FLORIDA: Rentner und Latinos
Der dickste Brocken unter den Wackelkandidaten: Der "Sunshine State" mit seiner seit langem stark wachsenden Einwohnerschaft schickt inzwischen 29 Wahlmänner - mehr bringen nur das traditionell "blaue" Kalifornien und das "rote" Texas auf die Waagschale.
Das Rentnerparadies, in dem rund ein Viertel der Bewohner lateinamerikanische Wurzeln hat, ist politisch gespalten. Während die Senioren den Republikanern zuneigen, die seit 1999 auch den Gouverneur stellen, wählen Latinos und Farbige - ausgenommen die starke Gruppe der Exilkubaner - eher demokratisch. Bei den letzten vier Wahlen votierte die Mehrheit jeweils für den Sieger: zweimal für George W. Bush, zweimal für Barack Obama.
Der Tag, an dem Donald Trump sich in Florida erstmals als Sieger fühlen durfte, ist der 12. Juni 2016. Damals starben bei einem Anschlag auf einen vor allem von Homosexuellen besuchten Club 49 Menschen, 53 wurden verletzt. Einen Tag später reagierte Trump mit einer programmatischen Rede. Ihr Tenor: Kampf gegen Terrorismus, den radikalen Islam und ungezügelte Einwanderung. Dass der afghanisch-stämmige Täter nicht gläubig, in New York geboren und vor dem Anschlag selbst oft Besucher des Clubs war, tat der Wirkung keinen Abbruch. Trumps wohlkalkuliertes Signal der Stärke, mit dem er sich als Schutzherr für Frauen und Schwule in Szene setzte, ließ ihn in mehreren Umfragen in Führung gehen.
Inzwischen haben Trumps Fehlleistungen, ein Umweltskandal und ein Hurrican in den Umfragen Tabula Rasa gemacht: das Szenario ist wieder ausgeglichen mit leichten Vorteilen für Clinton.
Fazit: Florida matters. Laut den Berechnungen von FiveThirtyEight liegt die Chance, dass die Wahl hier entschieden wird, derzeit bei rund 20 Prozent. Für Trump ist Florida daher (fast) unverzichtbar - wenn er nicht Ohio und mindestens zwei weitere Staaten des sogenannte "Rust Belt" erobert.
OHIO: Die Folgen des Niedergangs
"Ich hab' die letzten 3,4 Mal den Demokraten gewählt. Ich mach das nie wieder", sagt der Stahlarbeiter in die Kamera. Kaum irgendwo ist die Wut der einfachen Arbeiter so spürbar wie hier an der Grenze zu Kanada, wo die Krisen der letzten Jahrzehnte fast immer, die Aufschwünge aber nur selten angekommen sind. Der agrarisch geprägte Süden des Landes ist ohnehin Republikanergelände; der Norden mit Industriestädten wie Cleveland, Akron und Youngstown, über dessen Niedergang Bruce Springsteen schon vor 20 Jahren gesungen hat, könnte es werden.
If you can make it there, you can make it anywhere: Politisch gesehen trifft das nicht auf New York zu, sondern auf Ohio. Der Staat gilt als Miniaturversion der USA, wie Ohio wählt, wählt die Nation, sagen die Demoskopen. Seit 112 Jahren wurde kein Republikaner Präsident, der nicht auch in Ohio gewonnen hat - was auch Donald Trump weiß, der hier im Juli seinen Nominierungsparteitag zelebrierte.
Ende Oktober geben die Umfragen ihm einen allerdings hauchdünnen Vorsprung. Verfestigt sich der Trend, könnten immerhin 18 Wahlmänner an den Republikaner gehen. Das Worst Case Scenario für Hillary Clinton: Ohio fällt und zieht weitere ehedem "sichere" Staaten des Rust Belt - dem "Ruhrgebiet" der USA - mit, etwa Wisconsin (10 Wahlmänner) oder den "Autostaat" Michigan (16), in denen nicht Clinton, sondern ihr Parteirivale Bernie Sanders die Vorwahlen für sich entschieden hatte. Der in der Region aufgewachsene Filmemacher und erklärte Trump-Gegner Michael Moore jedenfalls prophezeit den Demokraten einen "Rust Belt Brexit".
Fazit: Ohio ist der zweite "Key Battleground State". Wahlentscheidend könnte sein, wie der dritte Präsidentschaftskandidat, der libertäre Gary Johnson abschneidet und wessen Klientel er eventuell entscheidende Prozentpunkte abzwackt. Sicher ist nur eins: der Rust Belt wird in der Schlussphase des Wahlkampfs zum Hauptschauplatz..
IOWA: Auf Messers Schneide
Eigentlich sollte hier nichts schiefgehen: Immerhin heißt hier sogar eine Stadt Clinton; allerdings gibt es in den USA drei Dutzend Orte dieses Namens, und auch das nahe Waterloo ist kein Einzelstück.
Es geht nur um sechs Wahlmänner. Doch nirgends ist das Rennen so eng wie hier. Schon beim Caucus, der traditionell den Reigen der US-Vorwahlen eröffnet, siegte Hillary Clinton "razor-sharp" vor Bernie Sanders, während Donald Trump so knapp gegen Ted Cruz verlor, dass er die Wahl anfechten lassen wollte. Auch im Finale Clinton gegen Trump lassen die Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen erwarten. In Iowa sind sie stolz darauf, die Ersten zu sein und genießen es, das Rennen spannend zu halten.
"Politik liegt den Leuten hier genauso im Blut wie die Landwirtschaft", sagt Charlie Szold, Sprecher der Republikaner in Iowa. Die Republikaner setzen darauf, dass die Wähler im Mittelwesten - die Kleinstädter aus Clinton, Cedar Falls und Council Bluffs, die vielen Mais- und Schweinefarmerfarmer, eher wenig Akademiker - perfekt in ihr Beuteschema passen. Die Demokraten setzen Wahlkampfpower dagegen und hoffen, dass der frühe Vogel den Wurm fängt: Iowa zählt zu jenen Bundesstaaten, in denen "early voting" erlaubt ist, die Briefwahl also schon läuft. Bis zu 70 Prozent der Wähler im Westen in Anspruch.
Unter den Early Voters gibt es überdurchschnittlich viele Demokraten. Bei den Registrierungen, so frohlocken die Clintonites, steht es nach den ersten Wochen 3:1 für sie. Weniger als bei Obama, erwidern die Trumpeteers. Der dann allerdings auch mit fünf Prozent Vorsprung gewann.
Fazit: Iowa wird die Wahl allein nicht entscheiden. Doch hier lässt sich gut studieren, wie Politik funktioniert.
Kommentieren
Augustina, Samstag, 15.Oktober 2016, 17:51 Uhr
1. Umfragewerte und Zeitungsberichte
"Die Wahrheit liegt in der Wahlurne" sagte kürzlich Horst Seehofer. Was wäre denn verwerflicher, ein möglicher ausgegrabener medienwirksamer Clinton-Skandal oder dass Trump ihn ausgegraben hat? Wer weiß, was WikiLeaks noch veröffentlicht. Langweilig ist es jedenfalls nicht. Die Rededuelle früherer Präsidentschaftskandidaten habe ich bisher nicht medial verfolgt. Trotz allem, mir wären Trump und Pence lieber.
Antwort von Erich, Dienstag, 18.Oktober, 09:13 Uhr
Mir auch, zumal die Killary Hinten, seit 3 Jahrzehnten ihre Finger in der Politik, auch an leitender Stelle hat. Das Ergebnis sieht man heute. Was sollte sich bei Ihrer Wahl zum Besseren ändern? Nix!