Verhütung Seit wann gibt es die Antibabypille?

Die Idee für eine Verhütung mit Hormonen gab es bereits 1919. Erst 1960 kam die Antibabypille in den USA erstmals auf den Markt. Ein Jahr später, am 1. Juni 1961, wurde die Pille auch in Deutschland verkauft - zuerst nur an verheiratete Frauen.

Stand: 08.03.2024 | Archiv

Geschichte der Pille: Von der Befreiung zur Gefahr

Der österreichische Physiologe Ludwig Haberlandt hatte im Tierversuch mit Ratten festgestellt, dass eine bestehende Trächtigkeit der Tiere eine weitere Befruchtung verhindert. Er kam daher zu Beginn des vorigen Jahrhunderts auf die Idee, Frauen Schwangerschaftshormone zu geben, um sie vorübergehend unfruchtbar zu machen.

Tierversuche als Grundlage für die Antibabypille

Im Tierversuch war es Ludwig Haberlandt bereits Mitte der 1920er-Jahre gelungen, Befruchtungen mithilfe von Hormonen zu verhindern. Allerdings war es ein langer Weg, das Verfahren auf den Menschen zu übertragen, weil sich die hochkomplexen Sexualhormone des Menschen nicht so leicht isolieren lassen. Das gelang dem deutschen Chemiker Adolf Butenandt. Er legte nach jahrelangen Versuchen die chemischen Grundlagen für eine Verhütung durch Hormone. 1939 wurde Adolf Butenandt für seine Sexualhormonforschung der Nobelpreis für Chemie verliehen.

Pharma-Werbung: Schlank und schön durch die Pille

Bis vor kurzem galt die Pille noch als meistverwendetes Verhütungsmittel in Deutschland, seit einigen Jahren ist der Trend rückläufig.

Größere Brüste, schönere Haut, glänzendes Haar - das alles macht die Antibabypille. Zumindest verspricht das die Werbung der Pharmakonzerne. Auch Schönheit war einst ein Motiv junger Mädchen und Frauen, sich die Pille verschreiben zu lassen, selbst wenn sie gar kein Verhütungsmittel brauchten. Neuere Zahlen der Krankenkassen zeigen allerdings, dass dieser Trend seit etwa 2016 rückläufig ist. Gerade junge Frauen sind skeptisch, was die Nebenwirkungen der Pille betrifft und verhüten lieber mit alternativen Methoden. Dazu zählen das Kondom, das Diaphragma und die Kupferspirale. Oder sie lassen sich die fruchtbaren Tage im Zyklus über eine App ausrechnen.

Die hormonellen Wirkstoffe der Pille stammen anfangs aus der Yamswurzel

29. Oktober 1923: Carl Djerassi geboren, "Vater der Pille"

1951 meldeten der Pharmakologe Gregory Pincus aus Boston und der Chemiker Carl Djerassi - der aus Wien in die USA emigriert war - einen dem weiblichen Sexualhormon Progesteron ähnlichen Stoff als Verhütungsmittel zum Patent an.

Sie verwendeten Substanzen, die aus der tropischen Yams-Wurzel gewonnen wurden. Die klinischen Tests des Verhütungsmittels fanden in Puerto Rico mit Erfolg statt: Von 100 teilnehmenden Frauen wurden nur 17 innerhalb von neun Monaten schwanger.

Antibabypille entstand auf Initiative einer Frau

Es ist einer Frau zu verdanken, dass sich der Pharmakologe Gregory Pincus und sein Team der Entwicklung eines Verhütungsmittels zuwandten: der amerikanischen Krankenschwester Margaret Sanger. Sie sah in ihrer täglichen Arbeit viele Frauen, die an den Folgen ungewollter Schwangerschaften oder durch dilettantische Schwangerschaftsabbrüche qualvoll starben und setzte sich für sie ein.

Verhütung: Frauen kämpfen für Geburtenkontrolle

Margaret Sanger fragte auf einer Dinner-Party Anfang 1951 Gregory Pincus, was die Entwicklung eines Verhütungsmittels wohl kosten würde. Er schätzte damals rund 125.000 Dollar. Es wurden letztendlich zwei Millionen Dollar - berichtet das Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch in Wien. Das Geld stammte von Katharine McCormick, einer reichen Witwe, die, ebenso wie ihre Freundin Margaret Sanger, für die Selbstbestimmung der Frau kämpfte.

Antibabypille - ein Verhütungsmittel auf Umwegen

"Enovid", die erste Antibabypille, wurde am 9. Mai 1960 als Verhütungsmittel freigegeben und erschien am 18. August 1960 auf dem amerikanischen Markt. Ein knappes Jahr später, am 1. Juni 1961, führte sie das deutsche Pharma-Unternehmen Schering "Anovlar" auf dem deutschen Markt ein. Die Pille wurde zuerst als Medikament gegen Menstruationsbeschwerden eingesetzt - auf die empfängnisverhütende Wirkung wurde nur beiläufig als "Nebenwirkung" hingewiesen. Das Mittel wurde anfangs nur verheirateten Frauen verschrieben.

Pille setzt sexuelle Revolution in Gang

Tipps für mehr Lust: Wie Frauen den Orgasm-Gap überwinden

Die Kirchen und andere gesellschaftliche Institutionen liefen anfangs Sturm gegen das Verhütungsmittel. Papst Paul VI. belegte sie in einer Enzyklika mit dem Bann. Doch zu spät: Die Pille veränderte die Gesellschaft der industrialisierten Nationen. Frauen konnten Sex haben ohne die ständige Furcht, schwanger zu werden. Sexualität und Fruchtbarkeit waren fortan getrennt. Die Pille hat die sexuelle Revolution der 1960er-Jahre erst möglich gemacht - davon sind Historiker heute überzeugt.

Die Antibabypille setzt sich nicht sofort durch

Frauen mussten ihre Freiheit erst schätzen lernen: In einer Umfrage des Allensbach-Instituts aus dem Sommer 1963 gaben 47 Prozent der Frauen an, dass die Antibabypille in Deutschland nicht erlaubt sein sollte. 64 Prozent der Frauen waren noch 1968 davon überzeugt, dass sich durch die Pille die Moral verschlechtern würde.

Wissenswertes zur Pille

Die Pille in der DDR

Spät, aber kostenlos
In der damaligen DDR hatte man Schwierigkeiten, die Sexualhormone künstlich herzustellen - daher gab es im anderen Teil Deutschlands die Pille erst ab 1965 als sogenannte "Wunschkindpille". Sie wurde in der DDR unter dem Namen "Ovosiston" kostenlos verteilt.

Pille versus Kondom

Kondom löst die Pille als Verhütungsmittel Nr. 1 ab
Die Nutzung der Pille bleibt weiterhin rückläufig. 2023 holte das Kondom die Pille als beliebtestes Verhütungsmittel ein, das zeigt eine Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA). 53 Prozent der Befragten gaben an, Kondome zu benutzen, 38 Prozent nutzten die Pille. Verglichen mit 2011 hat sich damit das Verhältnis quasi umgekehrt: Damals wies die Pille mit 53 Prozent einen deutlichen Vorsprung auf gegenüber dem Kondom mit 37 Prozent.

Hormondosierungen

Weiterhin Nebenwirkungen
Weniger Hormone und trotzdem noch Nebenwirkungen: Heute enthalten manche Anti-Baby-Pillen für einen ganzen Zyklus eine Hormondosis, die Frauen in den 1960er-Jahren an einem Tag schlucken mussten. Doch einige Kombinationspräparate der vierten Generation erhöhten das Risiko für Thrombose. Die jeweiligen Wirkstoffe reagieren individuell und werden von Frauen unterschiedlich vertragen.

Die Antibabypille gibt es bis heute nicht ohne Risiko

Wer die Pille einnimmt, muss mit gesundheitlichen Risiken rechnen:

  • Gewichtszunahme
  • Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen
  • Absenkung der Libido
  • Zwischenblutungen
  • Stimmungsschwankungen
  • Depressive Verstimmungen
  • Blutgerinnsel, Thrombosen, bis hin zu lebensgefährlichen Lungenembolien
  • Höheres Risiko für Gebärmutterhalskrebs und Brustkrebs bei längerfristiger Einnahme

Hormone wirken sich auf den Körper aus

Inzwischen sind über 50 verschiedene Antibabypillen auf dem Markt. Auch neue Präparate haben Nebenwirkungen. Etwa 10 von 10.000 Frauen erleiden wegen der Einnahme der Pille eine Thrombose. Um das Risiko für Blutgerinnsel zu verringern, empfehlen Experten generell Antibabypillen mit geringerer Östrogendosis. Eine Pille für den Mann gibt es noch nicht.

Quellen, Infos und Sendungen rund um das Thema Antibabypille: