Abschiebung statt Asyl Wie die Schweiz ihre Flüchtlinge los wird
Das Dublin-Abkommen gilt in Europa als gescheitert. Kaum ein Land schickt noch Flüchtlinge dahin zurück, wo sie ursprünglich registriert wurden. Anders die Schweiz, die am Verfahren offiziell teilnimmt, obwohl der Flüchtlingsstrom weitgehend an der Eidgenossenschaft vorbeizieht. Dieses Verfahren wurde Ende September sogar beschleunigt. "Dublin-Fälle" werden nun prioritär behandelt.
Endlich in Sicherheit, am Ziel ihrer Träume. Sie sind zwischen 17 und 19, erlebten in Afghanistan den Terror der Taliban, verloren Freunde und Familie. Nach einer Odyssee durch die halbe Welt sind sie nun also am Seeufer von Lausanne gestrandet.
"Wir haben in Afghanistan so viele Kriege erlebt. Davon habe ich ein für alle Mal genug. Ich wollte in ein Land, wo es garantiert keinen Krieg gibt. Und weil ich gelesen habe, dass die Schweiz neutral ist, sich nicht einmischt und sich für humanitäres Recht einsetzt, wollte ich hierherkommen."
Mohsen Khoshi, Asylbewerber
Dublin-Verfahren existiert auf dem Papier
So wie sie riskieren Hunderttausende ihr Leben, um Schutz im sicheren Hafen Europa zu finden. An den EU-Außengrenzen sollen Flüchtlinge eigentlich sofort registriert, ihr Asylantrag geprüft und entschieden werden. Dieses Dublin-Verfahren aber existiert nur auf dem Papier. Die Ankunftsländer sind mit dem Zustrom hoffnungslos überfordert. Die Lebensbedingungen für Flüchtlinge oft katastrophal. Die meisten ziehen sofort weiter Richtung Norden. Die vier jungen Männer kamen über Ungarn, wurden dort registriert. Und dahin sollen sie nun auch wieder zurück. Ihre Bescheide haben sie schon bekommen. Für die vier jungen Afghanen eine Hiobsbotschaft.
Die Schweiz kennt keine Gnade
Der Flüchtlingsstrom zieht an den Eidgenossen bislang weitgehend vorbei. Dennoch schicken die Behörden Asylbewerber - anders als in Deutschland - konsequent zurück, wenn sie woanders zuerst registriert wurden. 2015 beantragte die Schweiz so schon 3.500 Überstellungen nach Italien, 580 nach Deutschland und sogar 1.000 nach Ungarn.
"Wir gehen davon aus, dass die Flüchtlingskonvention und die europäischen Verträge durch die Vertragsstaaten grundsätzlich eingehalten werden, wir beobachten die Situation natürlich laufend vor Ort, sind aber der Meinung, dass prinzipiell Überstellungen nach Ungarn möglich sind."
Martin Reichlin, Staatssekretariat für Migration
Schweizer Flüchtlingsinitiativen prangern diese Praxis an. Gerade in Ungarn würden die Rechte von Flüchtlingen mit Füßen getreten. Dennoch beschleunige die Regierung das Dublin-Verfahren seit kurzem sogar noch. Mehrere Asylbewerber hätten nach ihrem Bescheid schon versucht, sich das Leben zu nehmen.
"Das ist einfach unmöglich, all diese Personen zurückzuschicken. Die Schweiz will einfach der ganzen Welt sagen, besonders den Flüchtlingen, sie sind nicht willkommen hier, sie müssen zu anderen Ländern gehen, lieber nach Italien, nach Deutschland...aber nicht in die Schweiz."
Michael Rodriguez, CollectifR Lausanne
Und so eint die vier jungen Afghanen die Angst, schon bald in einem ungarischen Lager leben zu müssen. Sie flohen vor Krieg. Sicher aber fühlen sie sich in ihrem einstigen Wunschland Schweiz nicht.