Das Zugunglück von Bad Aibling Minutenprotokoll: Wie die Katastrophe Fahrt aufnahm
Als Kopfgeldjäger jagte er Schurken - in einem Videospiel auf seinem Smartphone. Als Fahrdienstleiter ließ er derweil zwei Züge zur selben Zeit auf einer eingleisigen Strecke fahren. Die Chronik der Todesfahrt vom 09. Februar 2016.
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05:11 Uhr
Dungeon Hunter 5, mit diesem Foto bewirbt der Hersteller das Spiel
05:11 Uhr
Verhängnisvolles Handy-Spiel
Fahrdienstleiter Michael P. hat den Auftrag, Weichen und Signale für den Zugverkehr zu stellen. Doch seine Aufmerksamkeit gilt dem Spiel "Dungeon Hunter 5" auf seinem Smartphone, bei dem Kopfgeldjäger Monster jagen.
Quelle: Gameloft
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06:40 Uhr
DB-Stellwerk
06:40 Uhr
Gefangen im Netz
Die Kriminalpolizei wertet später die Handydaten des Fahrdienstleiters aus. Das Ergebnis: P. ist zu dieser Zeit mit dem Internet verbunden - mutmaßlich bezahlt er gerade, um auf ein höheres Level zu kommen. In dieser Zeit wird auch der rote Knopf gedrückt. Das ist der Knopf, mit dem der Fahrdienstleiter dem Zug aus Kolbermoor freie Fahrt gibt. Der Lokführer kann losfahren - in Richtung Bad Aibling.
Quelle: picture-alliance/dpa|Ulrich Baumgarten
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06:41 Uhr
Haltesignal der Bahn
06:41 Uhr
Ein kurzer Aufschub
In dieser Minute fährt der Meridian M 79505 aus Holzkirchen kommend in Bad Aibling ein. Der Zug hat vier Minuten Verspätung. Normalerweise würde der Zug nach kurzem Halt weiterfahren. Doch die Automatik verhindert die Ausfahrt. Das System hat erkannt, dass auf der eingleisigen Strecke bereits ein Zug unterwegs ist - der, dem Fahrdienstleiter P. von Kolbermoor kommend die Weiterfahrt ermöglicht hat.
Quelle: picture-alliance/dpa|Stephan Jansen
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06:43 Uhr
Meridian im Bahnhof
06:43 Uhr
Falsche Reaktion
Offenbar gerät P. unter Druck. Er kann das Signal nicht einfach auf Grün stellen. Eine Automatik verhindert, dass zwei Züge zur gleichen Zeit auf die Strecke gelangen. Aber er kann die Automatik umgehen. Eine Einrichtung für den Notfall. Also gibt P. dem Lokführer Weisung, dass er in die gesperrte Strecke einfährt. Unterhalb des roten Haltesignals leuchten nun drei weiße Lämpchen auf. Die Anweisung zur Abfahrt für M 79505.
Quelle: BR| Hedwig Thomalla
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06:45 Uhr
Das Stellwerk in Bad Aibling
06:45 Uhr
Die Tragödie nimmt ihren Lauf
In Kolbermoor fährt M 79506 pünktlich aus. Zur selben Zeit hat der Gegenzug die Haltestelle Bad Aibling Kurpark erreicht. Wieder muss Fahrdienstleiter P. von Hand Signal geben - die Automatik hätte den Zug erneut aufgehalten. Doch seine Monster haben den Fahrdienstleiter fest im Griff. Wieder drückt er den Knopf. Der Zug passiert das Signal, der Lokführer beschleunigt. Nun rasen bei beide Züge direkt aufeinander zu.
Quelle: picture-alliance/dpa| Peter Endig
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06:45 Uhr
Rotes Haltesignal der DB AG
06:45 Uhr
Vom Schrecken der Realität eingeholt
Offenbar bemerkt Michael P. nun seinen Fehler. Er stoppt das Handyspiel. Ist er in Panik? Er will den Zug in Kolbermoor aufhalten, will das Signal von Grün auf Rot stellen. Doch der Zug ist bereits auf der Strecke, der Lokführer kann das Signal nicht mehr sehen. Die virtuellen Schrecken sind endgültig in die Realität eingedrungen.
Quelle: picture-alliance/dpa|Patrick Pleul
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06:46 Uhr
Gleisbett
06:46 Uhr
Den falschen Knopf gedrückt - Notruf geht fehl
P. versucht einen Notruf: "Achtung, Betriebsgefahr zwischen Kolbermoor und Bad Aibling. Züge sofort anhalten!" Der Ruf geht auch raus. Aber er erreicht nicht die Lokführer, sondern nur andere Fahrdienstleiter. In seiner Bestürzung hat P. offenbar den falschen Knopf gedrückt.
Quelle: picture-alliance/dpa
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06:47 Uhr
An der Unfallstelle
06:47 Uhr
Die Katastrophe
Der eine Zug ist fast 80 Stundenkilometer schnell. Der andere hat auf gut 50 Kilometer beschleunigt. Frontal fahren beide nun ineinander. 150 Menschen sitzen in den Zügen. Zum Glück sind es viel weniger als sonst. Weil Faschingsdienstag ist, der halbe Feiertag, der sonst so fröhliche, ausgelassene Tag. Ein Triebwagen entgleist, ein anderer bohrt sich in einen Waggon und schlitzt ihn regelrecht auf. Neun Menschen sind sofort tot, drei erliegen später im Krankenhaus ihren Verletzungen.
Quelle: picture-alliance/dpa