Presse - Intendantin


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Interview in der Mittelbayerischen Zeitung Qualitätsmedien sind gefordert

Katja Wildermuth ist neue Intendantin beim Bayerischen Rundfunk. Sie spricht über ihre Ziele, den Stellenwert des Fußballs, den Rundfunkbeitrag – und über die Chancen eines Oberpfalz-Tatorts.

Stand: 29.04.2021

Dr. Katja Wildermuth (Intendantin, Bayerischer Rundfunk), Januar 2021. | Bild: BR/Markus Konvalin

Interview aus der Mitelbayerischen Zeitung vom 16. März 2021

Von Christine Strasser und Christine Schröpf

Warum wollten Sie BR-Intendantin werden?

Ich habe den Bayerischen Rundfunk über viele Jahre beobachtet. Ganz besonders, weil ich ja auch von hier komme. Ich finde, dass der Bayerische Rundfunk in den letzten Jahren viele Entscheidungen sehr richtig getroffen hat. Eine der wichtigsten ist die Regionaloffensive, also die Stärkung der regionalen Berichterstattung, die die ganze Vielfalt Bayerns abbildet. Andererseits die Strukturreform, das interne Aufstellen nicht mehr nach Ausspielwegen, also Hörfunk, Fernsehen und Online, sondern nach Inhalten. Was mich noch überzeugt hat, sind ganz viele kreative Web-Formate wie die News-WG, PlanetB oder Klassik Shorts. Eine gute Mischung aus struktureller Stabilität, einer großen Verankerung in der Gesellschaft und einem hohen kreativen Potenzial. Und natürlich die hochqualifizierten und motivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Sie eröffnen Studios in Weißenburg und Neumarkt. Was ist Ihr Ziel? Wollen Sie uns als regionalem, privatwirtschaftlich finanziertem Medienhaus das Wasser abgraben?

Das Wichtigste: Ich bin tief davon überzeugt, dass Qualitätsmedien, Sie als Zeitung und wir als öffentlich-rechtlicher Rundfunk, heute wichtiger sind denn je. Das merken wir auch gerade in den letzten Monaten. Die Leute schätzen sauber recherchierten Journalismus, verlässliche Informationen und Glaubwürdigkeit. Da sind wir sehr, sehr nahe beieinander. Die Gefahr für die Gesellschaft kommt von anderer Stelle, wenn man schaut, was die emotionalisierten, von kommerziell ausgerichteten Algorithmen getriebenen, Daten abgreifenden Angebote mit dem politischen und gesellschaftlichen Diskurs machen. Deshalb ist uns an einer guten Zusammenarbeit mit den Verlagen sehr gelegen.

Wie sieht das aus?

Es gibt verschiedene Angebote und Ideen der Zusammenarbeit. Im Regionalen funktionieren Recherchekooperationen schon ganz gut. Wir sollten tendenziell eher gemeinsam arbeiten und uns nicht als Konkurrenten betrachten. Unser Fokus ist ganz klar: Wir machen keine Lokalnachrichten für lokales Publikum. Das ist die Rolle der Regional- und Heimatzeitungen, und das machen Sie wunderbar. Kein anderes Medium ist so tief verwurzelt und berichtet so detailliert im Lokalen. Das könnte und will der BR gar nicht leisten. Was wir versuchen: Wir wollen die ganze Vielfalt in der Gesellschaft, die eben auch eine regionale Vielfalt ist, einem gesamtbayerischen Publikum vermitteln. Das Regionale betrachten wir daher immer mit der Frage, was für Gesamtbayern oder deutschlandweit relevant sein könnte, nicht mit dem Blick des Lokaljournalisten. Das ist nicht unserer Aufgabe.

Ist diese Offensive abgeschlossen?

Die Regionalaufstellung ist abgeschlossen. Es ist vor allem eine räumlich breitere Aufstellung und nicht so, dass wir Armeen von Leuten in die Regionen geschickt haben. Wir haben vielmehr gezielt Ressourcen verlagert, um noch näher an den Menschen in Bayern und ihren Geschichten zu sein. Und wir haben vieles anders aufgesetzt. Wir haben die Studios modernisiert, mit neuer Technik ausgestattet und crossmedial aufgestellt. Mit diesen letzten beiden, Weißenburg und Neumarkt, haben wir jetzt 30.

Aber warum betreten Sie das Geschäftsfeld der Heimatzeitungen?

Wie gesagt, wir unterscheiden uns mit unserem gesamtbayerischen und nationalen Fokus von den Heimatzeitungen. Die ARD – und das war ja ganz bewusst nach 1945 so gewollt – ist föderal aufgestellt, so wie unser Land. Das macht uns besonders. Wir merken in dem Auseinanderfallen der Gesellschaft schon auch, dass es immer schwieriger wird, einen verlässlichen Kommunikationsraum und eine Brücke zwischen verschiedenen Teilöffentlichkeiten zu finden. Diese Brücke zu bauen, sehen wir ganz klar als eine unserer Aufgaben als Bayerischer Rundfunk, als Mitglied in einem föderalen Senderverbund. Die Berichterstattung über die bayerischen Regionen ist nur ein Teil eines ureigenen Vielfältigkeitsauftrags. Dazu gehört auch, dass wir verschiedene Altersgruppen und Lebensmodelle erreichen wollen. Es geht um die ganze Vielfalt der Gesellschaft, und es bezieht sich auch nicht nur auf Berichterstattung. Es ist ja viele Jahre gesagt worden, dass der BR zu München-lastig sei. Wir versuchen deshalb auch im Unterhaltungsbereich, die ganze Vielfalt des Freistaats abzubilden.

Wann kommt der Oberpfalz-Tatort?

Ich bin selber Tatort-Fan. Aber Tatort ist nicht das Einzige, was wir im fiktionalen Bereich machen. Aus Passau kamen zum Beispiel letztes Jahr zwei 90-Minuten-Krimis, die sehr gut beim Publikum ankamen, und wir werden dieses Jahr zwei weitere Episoden für die Reihe „Ein Krimi aus Passau“ drehen. Die laufen zur besten Sendezeit im Ersten. Das ist eine ganz bewusste Entscheidung. Oder die Eberhofer-Krimis, die in Niederbayern spielen. Ein Film, der mir besonders am Herzen liegt, ist „Geliefert“ mit Bjarne Mädel, im vergangenen Sommer unter anderem hier in Regensburg gedreht. Der wird dieses Jahr ausgestrahlt. Ich würde den Blick nicht auf den Tatort verengen, sondern sehen, dass es hier schon eine breite Streuung gibt und dass wir versuchen, auch insgesamt beim Film verstärkt in die Region zu gehen.

Die erwartete Erhöhung des Rundfunkbeitrags ist ausgeblieben. Man würde annehmen, dass Sie jetzt sparen. Aber gerade haben die öffentlich-rechtlichen Sender die kostspieligen Rechte für einen Großteil der Spiele der Fußball-EM 2024 gekauft...

Ich bin nicht müde zu betonen, dass nicht wir den Rundfunkbeitrag festlegen. Das macht eine von uns völlig unabhängige Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs – kurz KEF. Dort melden wir unseren Bedarf an, die KEF prüft diesen und kürzt regelmäßig. Es wäre jetzt die erste Beitragserhöhung seit 2009. Das heißt, alle Preissteigerungen, die Sie und ich auch privat erleben, haben wir in den letzten Jahren durch massive Einsparmaßnahmen abgefangen. Dass jetzt ein Länderparlament der KEF-Empfehlung nicht gefolgt ist, führt dazu, dass wir vors Bundesverfassungsgericht ziehen mussten. Einen Eilantrag haben die Richter abschlägig beschieden und den Rundfunkanstalten nahegelegt, bis zu einer abschließenden Entscheidung in Vorleistung zu gehen. Das ist genau das, was wir jetzt machen. Die Rechte an der EM 24 konnten wir übrigens in Anbetracht unserer wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nur dadurch erwerben, dass wir eigene Rechte an der EM 21 und WM 22 geteilt haben.

Warum ist Fußball so wichtig?

Diese Euro 24 ist ja viel mehr als nur ein sportliches Ereignis. Es ist eine Europameisterschaft im eigenen Land. Sie wird Diskussionen um unser Selbstverständnis ganz neu beleben. Aufgrund dieser hohen gesellschaftlichen Relevanz haben wir auch so hart verhandelt, weil in unserem Verständnis ein so eminent wichtiges, gesellschaftliches Ereignis frei zugänglich sein muss für Leute, die sich dafür interessieren. Und zum Auftrag der öffentlich-rechtlichen Sender gehören neben Information und Bildung eben auch Unterhaltung und der Sport.

Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Verlags.


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