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Mobbing Ausstrahlung im Bayerischen Fernsehen

Ein typischer Fall von Mobbing. Aber was passiert in einer Beziehung, wenn der Ehemann und Familienvater plötzlich freigestellt wird, einfach zu Hause ist und langsam resigniert? Wer hat Schuld und woran? Das Gericht gibt ihm Recht, aber Arbeit und Leben haben sich grundlegend verändert.

Stand: 18.02.2014

Filmszene aus "Mobbing" | Bild: BR/Alexander Fischerkoesen

Preisgekrönt

Das Autorenpaar Eva und Volker A. Zahn hat den Roman von Annette Pehnt adaptiert. Die Regisseurin und Grimme-Preisträgerin Nicole Weegmann wurde für die Inszenierung mit dem Deutschen Regiepreis Metropolis 2013 geehrt. Hauptdarstellerin Susanne Wolff erhielt für ihre Rolle der Anja Rühler den Deutschen Fernsehpreis 2013. Der Produzentenpreis 2013 der Deutschen Akademie für Fernsehen ging für "Mobbing" an Jakob Claussen, Uli Putz und Anja Föringer.

Inhalt

Ein wohnliches Heim, ein sicheres Einkommen, zwei prächtige Kinder, ein großer Freundeskreis: Anja (Susanne Wolff) liebt ihr Leben mit Jo (Tobias Moretti), sie sind ausgefüllt und zufrieden. Der charismatische Jo ist im Kulturreferat der kleinen Stadt für die großen Projekte zuständig, beliebt wegen seiner engagierten und zupackenden Art. Nur die neue Vorgesetzte scheint das nicht so zu sehen. Anja bemerkt, wie Jos Stimmung von Tag zu Tag an Gereiztheit zunimmt. Dann werden ihm sukzessive seine Kompetenzen entzogen und schließlich wird er zum Handlanger degradiert. Die Kollegen wenden sich ab. Der Druck in der Arbeit überträgt sich auf das Familienleben und er beginnt Jo und Anja zu verändern. Nach einer Intrige seiner Kollegen wird Jo schließlich fristlos gekündigt. Er verschweigt Anja zunächst den Grund dafür. Angst, aber auch gegenseitiges Misstrauen machen sich zwischen dem Paar breit. Anjas Umgang mit der belastenden Situation schwankt zwischen Empathie und Hilflosigkeit, Pragmatismus und ohnmächtiger Wut. Denn Jo verschließt sich, ist neuen Ideen gegenüber resistent. Er setzt alles auf eine Karte – das Urteil am Arbeitsgericht. Er bekommt schließlich Recht. Ein Pyrrhussieg?

"Mobbing ist ein Zersetzungsvorgang, der alle selbstverständlichen Annahmen über mich und andere aushöhlt. Was kann ich? Was macht mich aus? Wen liebe ich und wer liebt mich? Wer hält zu mir? Wo ist mein Platz im Rudel? Scheinbar einfache Fragen, die mein Roman und genauso der Film durchspielen. Sie zeigen – hier hat der Film vielleicht noch stärkere Bilder als der Text – wie schnell es gefährlich wird, wenn die passenden Antworten auseinanderbröckeln. Dem Mahlwerk des Mobbings halten die gewohnten Rollen jedenfalls nicht stand, es ist eine Extremsituation, angesiedelt zwischen Krieg und Krankheit. Zugleich ist Mobbing ein diffuser Zustand. Gerüchte, Ängste, Projektionen und Demütigungen verbinden sich zu einem Alptraum, der sich in den Köpfen festsetzt – nicht nur des Gemobbten, sondern aller Mitspieler. Ich wollte in meinem Roman diesen Zustand erlebbar machen und habe deswegen, eine ganz wesentliche formale Entscheidung, den Vorgang selbst gar nicht beschrieben. Der Film nimmt großartig und radikal die Beschränkung der Perspektive auf. Von den Drehbuchautoren bis zu den Schauspielern haben sich alle konsequent darauf eingelassen. Was ist wirklich passiert? Wo beginnt der Verfolgungswahn? Wer hat Recht? Wem kann ich glauben? Man weiß nie genau, was gespielt wird, und Misstrauen macht sich breit, frisst sich in die Gesichter, in die Überzeugungen, tief in die Familie hinein. Das ist Mobbing."

Romanautorin Annette Pehnt zur Verfilmung ihres gleichnamigen Romans 'Mobbing'

Fragen an die Drehbuchautoren Eva Zahn und Volker A. Zahn

In keiner Szene zeigt der Film konkrete Mobbingattacken. Es werden dafür eindringlich die Auswirkungen auf den Betroffenen und auf dessen Familie, besonders auf die Ehefrau, dargestellt. Welche Möglichkeiten eröffnen sich aus dieser sehr fokussierten Perspektive?
Eva Zahn: Die radikal subjektive Perspektive ist im Roman vorgegeben und hat für uns auch das Besondere dieser Erzählung ausgemacht. Spannend daran ist, dass eine Frau von Mobbing betroffen ist, ohne sich dagegen wehren zu können. Sie muss sich bei allem, was passiert, auf ihren Mann verlassen. Sie will helfen, sie gibt Ratschläge, sie tröstet, sie mischt sich ein. Aber je weniger sie ausrichten kann, desto mehr stellt sie ihren Partner und dessen Verhalten infrage. Langsam schleicht sich das Gift in ihre Beziehung, da ist plötzlich Misstrauen, Kritik, Wut … die Verhältnisse verschieben sich, am Ende stirbt die Liebe.
Volker A. Zahn: Wenn jemand im Job gemobbt, drangsaliert oder entwürdigt wird, gehen die Folgen weit über die Arbeitswelt hinaus. Betroffen sind in den meisten Fällen auch die Familien, im Militär-Jargon würde man von "zivilen Opfern" sprechen.

Das Schreiben eines Drehbuchs folgt ganz eigenen Gesetzen. Welche Kompromisse gegenüber dem Roman von Annette Pehnt haben Sie dabei eingehen müssen? Wie "authentisch" ist die Verfilmung?
Volker A. Zahn: Annette Pehnts Roman ist große Literatur. Viel innerer Monolog, die Zeitebenen kunstvoll verschoben, wenig Handlung, kurzum: Gift für jede Film-Dramaturgie. Für uns war dieses wunderbare Buch eine große Herausforderung, und wir haben erst gar nicht versucht, einen Kompromiss zu finden. Wir wollten den Geist und den Kern des Romans unbedingt erhalten, und wir haben nicht einen Moment daran gezweifelt, dass die radikal subjektive Erzählperspektive nicht aufgeweicht werden darf.
Eva Zahn: Natürlich mussten wir die Figur der Anja aktiver gestalten, in der Literatur kann eine Hauptfigur sehr viel passiver angelegt sein als im Film. Bei uns sollte Anja ein Fels in der Brandung sein, sie sollte um die Liebe kämpfen, erschöpft und wütend, aber bis zum bitteren Ende optimistisch. Wir mussten uns von vielen schönen Dingen, die im Roman stehen, trennen, wir mussten einiges dazu erfinden, neu strukturieren, aber ganz wichtig war uns immer, dass sich Annette Pehnt am Ende in diesem Film wiederfindet. Und das ist uns zum Glück auch gelungen.

Die Vernichtung einer Lebensperspektive lässt auch den Zuschauer ratlos zurück. Welche Hinweise geben Sie dem Publikum auf die Frage, wie einem solchen Teufelskreis zu entkommen wäre?

Volker A. Zahn: Wir sind Geschichtenerzähler und keine Ratgeber-Autoren. Unsere Aufgabe beschränkt sich darauf, zu zeigen, wie Menschen in bestimmten (Krisen)-Situationen reagieren und was sie damit auslösen. Und was ist schon "richtig" oder "falsch"? Was die einen für Sturheit und Beratungsresistenz halten, ist für andere Rückgrat und Gradlinigkeit.
Eva Zahn: Menschen in Krisen-Situationen verhalten sich eben in der Regel nicht "richtig", und unter rein dramaturgischen Gesichtspunkten ist das auch gut so!

Fragen an die Regisseurin Nicole Weegmann

Wo lag Ihr Augenmerk bei der Umsetzung dieses Themas?
Mir ging es hier um den Würdeverlust eines Menschen und die daraus resultierende Zerstörung einer Liebesbeziehung. Mein Hauptaugenmerk galt der Entliebung des Ehepaares, das in Folge des Mobbings nicht in der Lage ist, sich einem schleichenden Prozess der Entfremdung zu entziehen. Dabei war die Psychologie der Hauptfiguren, deren Zwischentöne und in diesem Zusammenhang natürlich auch die Besetzung der zentrale Dreh- und Angelpunkt bei der Umsetzung dieses Stoffes. Ein weiterer Aspekt war sicher die Erzählperspektive. Im Roman wird der Vorgang des Mobbings ausschließlich indirekt und aus der Erzählperspektive der Ehefrau des Gemobbten gezeigt. Daran wollten wir bei der filmischen Bearbeitung festhalten. Dadurch verlagerte sich der Schwerpunkt vom Thema Mobbing hin zu einem spezifizierteren Aspekt des Mobbings: den Folgen und Auswirkungen von Mobbing auf das familiäre Umfeld des Betroffenen.

Welche Räume, welche Atmosphäre haben Sie für die Umsetzung ausgesucht?
Neben der Inszenierung einer gegenwärtigen und authentischen Welt, die der aktuellen Relevanz des Themas angemessen ist, waren bei diesem Stoff Atempausen entscheidend für die Atmosphäre. Atempausen im Sinne von Blicken, nonverbalen Momenten und Zeit, die vergehen musste, um das jeweils Erlebte Stufe für Stufe weiter in die Beziehung des Ehepaares eindringen zu lassen.

Die Figur Jo Rühler erfährt einen Angriff auf all das, für das er gearbeitet hat: Kann man sich in so einer als extrem ungerecht empfundenen Situation „vernünftig“, das heißt deeskalierend, verhalten?
Natürlich ist es theoretisch immer möglich, sachlich zu bleiben bzw. die Konsequenz zu ziehen, zu kündigen und sich neu zu orientieren, wie das schließlich Jos bester Freund Markus macht. Es ist aber sicher alles andere als einfach. Durch die Besetzung und Führung von Jos Figur wollte ich auch zeigen, dass es jeden treffen kann, auch einen scheinbar unangreifbaren und souveränen Mitarbeiter. Die Ohnmacht gegenüber den schleichend zersetzenden und zerstörerischen Mechanismen von Mobbing, das nicht Greifbare und Lösbare gehört sicher zum Schlimmsten in einer solchen Situation.

Produktionsiformationen

Drehzeit: Dienstag, 28. Februar bis Dienstag, 3. April 2012
Drehorte: München, Freising
Erstausstrahlung bei ARTE: 25. Januar 2013
Erstausstrahlung im Ersten: 13. Februar 2013


Besetzung: Rolle und Darsteller
Anja Rühler: Susanne Wolff
Jo Rühler: Tobias Moretti
Markus Roth: Andreas Lust
Katrin Vogt: Bettina Mittendorfer
Helga Rühler: Krista Stadler
Petra Müller: Margret Völker
u.v.a.

Stab
Drehbuch: Eva Zahn, Volker A. Zahn nach dem gleichnamigen Roman von Annette Pehnt
Regie: Nicole Weegmann
Kamera: Alexander Fischerkoesen
Schnitt: Andrea Mertens
Ton: Lutz Pape (Aufnahme), Mirko Reinhard (Sounddesign), Gerald Cronauer (Mischung)
Ausstattung: Eva Maria Stiebler
Kostüm: Silvia Pernegger
Musik: Birger Clausen
Produzent: Uli Putz, Jakob Claussen, Anja Föringer, Claussen+Wöbke+Putz Filmproduktion
Redaktion: Claudia Simionescu (BR, Federführung), Michael Schmidl (SWR), Jochen Kölsch (BR/ARTE), Andreas Schreitmüller (ARTE)

"Mobbing" ist eine Produktion der Claussen+Wöbke+Putz Filmproduktion im Auftrag des BR (federführend), SWR und von ARTE für Das Erste.


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