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Interview Josephine Ehlert als "Lou"

Stand: 30.07.2020

Josephine Ehlert (Schauspielerin, "Servus Baby"). | Bild: BR/Max Hofstetter

Was ist das Besondere an "Servus Baby"?

"Servus Baby" erzählt schonungslos und sehr humorvoll die Geschichten der vier Protagonistinnen und vieler Menschen rund um sie herum. Dabei gucken die Macher sehr genau hin und porträtieren "echte" Menschen - gerne mit ausgeprägten Macken und sehr gerne an eben den Punkten im Leben, wo es richtig weh tut. So erlebt der Zuschauer bisin die grandiosen Nebenrollen hinein eine ordentliche Portion Leben und Schicksal und gleichzeitig gelingt es immer,da mit Witz raus zu kommen. Außerdem finde ich es toll, dass in der zweiten Staffel einige Figuren ganz andere Farben zeigen dürfen und sich noch einmal von ganz anderen Seiten zeigen können. Diese Dinge machen für mich die Lebensnähe aus, die ich am meisten an "Servus Baby" liebe.

Hochzeit und Familienleben standen bislang noch ganz oben auf der Wunschliste von Lou. Nun ist alles anders, in der Folge "Indien" kündigt sie ihren Job und will sich im VW-Bus auf in die Freiheit machen. Was ist plötzlich anders?

Ich glaube, Lou hat echt keinen Bock mehr. Sie merkt, dass sie wirklich etwas ändern will und muss. So wie Domi mit ihr umgegangen ist, so wie ihr Chef mit ihr umgeht - sie hat keine Lust mehr so behandelt zu werden. Das gibt ihr die Kraft, sich endlich mal zu trauen. Indien steht schon länger auf ihrer Wunschliste und als Linus von seinen Plänen erzählt, ist es irgendwie auch eine einfache Lösung. Offenbar ist Lou ja nicht der Typ, der sich traut, von heute auf morgen allen Menschen auf den Kopf zu zusagen, dass sich in Zukunft die Dinge ändern werden.

Lou steht zwischen zwei Männern – der neuen Liebe Linus und ihrem langjährigen Ex Domi, der sie erst verlassen hat und nun doch wieder mit ihr zusammen sein will. Liebt sie beide, oder warum ist es so schwierig für sie, sich zu entscheiden?

Da sind natürlich die jahrelangen auch gemeinsamen Träume und Wünsche, die sie mit Domi hatte. Und ihre eigenen Illusionen davon, wie Familie aussehen und sein muss. Wie sie als Mutter und Partnerin sein muss. Was sie gutmachen will, was ihre Eltern nicht geschafft haben undsoweiter undsofort. Das steht ihr im Weg und das befeuert in ihrem Kopf diese Fragen, ob es nicht "einfacher" wäre, mit Domi wieder zusammen zu leben. (Der macht ja nun eigentlich auch wirklich alles richtig, dafür dass er sie vorher so schlecht behandelt hat.) Ich glaube nicht, dass sie beide liebt. Sie erinnert sich daran, wie sehr sie Domi geliebt hat.

Und sie verliebt sich gerade neu in Linus und beides steht einander im Weg. Ich bin so froh für Lou, dass sie Linus getroffen hat und dass sie beide miteinander so mutig sind.

Was unterscheidet Lou von ihren Freundinnen bzw. was könnte sie von ihnen lernen? Und auch umgekehrt…

Ich empfinde es so, dass Lou unter den Vieren der große Pechvogel ist. Und vielleicht hat sie anfangs auch das geringste Selbstbewusstsein... Sie liebt ihre Freundinnen auf jeden Fall sehr und ist die „Kümmerin“. Ich wünsche ihr manchmal etwas von der Schlagfertigkeit von Mel oder Tati. Es ist schön zu sehen, dass Lou im Laufe der Zeit immer mehr zu sich findet. Dass sie sich traut, endlich in die Freiberuflichkeit zu gehen zum Beispiel. Und auch, dass sie mit Linus  zusammen mehr und mehr ihren ganz eigenen Weg geht. Das finde ich wiederum sehr couragiert: schwanger im Bus zu leben und zum Duschen ins Schwimmbad zu gehen.

Wie ist es, Lou zu spielen, was mögen Sie an ihrem Temperament und was nervt vielleicht auch?

Ich habe Lou von Anfang an sehr geliebt, vor allem weil sie eben so ein Pechvogel ist. Das macht großen Spaß zu spielen. Tatsächlich war ich manchmal genervt, wenn Lou so biedere Züge hat. Und ich erinnere mich, dass ich fand, dass sie von ihren Freundinnen ganz schön oft aufgezogen wird. Das hat mich auch genervt, dass Lou damit nicht selbstbewusster umgegangen ist. Aber was soll ich sagen, ich liebe sie sehr. Ich finde es so super, dass sie diese "falschen" Sachen macht, wie mit dem Exfreund in seinem Möbelladen rumvögeln.

Vier Freundinnen, die derart durch dick und dünn miteinander gehen wie diese Mädels – das dürfte Seltenheitswert besitzen. Wie ist es für Sie, zusammen mit Ihren Kolleginnen dieses Vierer-Gespann zu verkörpern?

Es ist ein großes Glück, mit den anderen dreien zusammen zu spielen. (Nicht nur weil alle sehr talentiert, super kollegial, und dabei ziemlich schräg sind.) Der Castingprozess war lang und das hat sich gelohnt. Wir haben am Anfang intensiv an den Beziehungen der vier gearbeitet und dabei offenbar richtig gute Grundlagen gelegt, denn diese allerersten Improvisationen sind mir immer noch sehr präsent. Lou, Mel, Eve und Tati sind wirklich lebendig geworden. Ich glaube, das spüren wir alle in der Arbeit, das die Freundschaft zwischen ihnen wirklich echt ist.

Wie war die Zusammenarbeit am Set mit Regisseurin Natalie Spinell?

Die Arbeit mit Natalie Spinell habe ich von Anfang an sehr genossen. Sie ist sehr genau. Als Autorin kennt sie ihre Figuren gut. Dennoch ist sie immer offen dafür, von uns auch unsere Perspektiven zu hören. Wir durften uns schon während des Schreibprozesses äußern. Das ist natürlich auch toll. Aber am Ende ist es Natalies Vision, die dann da lebendig wird. Ich bin froh, dass Natalie gerne im Vorfeld probt. Diese Proben sind immer sehr witzig, aber auch total zielführend. Am Set ist Natalie erstaunlich entspannt und ich als Schauspielerin habe das Gefühl, dass sie sich wirklich auf unsere Schauspiel-Arbeit fokussiert und das ihre erste Priorität ist.

Was hat Sie am Drehbuch von Natalie Spinell und Felix Hellmann überzeugt?

Der teilweise bitterböse Humor und die Vielschichtigkeit der Figuren bis in die Nebenfiguren hinein. Ich empfinde das auf eine wunderbare Art sehr lebensnah. Und ich liebe es dafür, dass es am Ende das Positive betont. Nach der Premiere der ersten Staffel beim Filmfest München strömten lauter glückliche, beseelte Menschen aus dem Kino. Genauso fühlte sich das Lesen der Bücher an.


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