Mia san jetz da wo's weh tut Interview mit Kriminalhauptkommissar Bernhard Feiner
Bernhard Feiner über die Arbeit der Münchner Polizei im Rotlichtmilieu:
Wie viele Bordelle gibt es in München und wie hoch ist die Zahl an Prostituierten ungefähr?
Im Bereich des Polizeipräsidiums München gibt es derzeit 185 legale Prostitutionsbetriebe mit ca. 2800 Prostituierten jährlich.
Wie hoch ist der Anteil an ausländischen Frauen unter den Prostituierten? Wie viele davon sind aus Rumänien?
Nahezu alle Prostituierten sind behördlich bekannt, hierfür sorgen die hohe Anzahl der freiwilligen Anmeldungen und die häufigen Kontrollen vor Ort. Im Jahr 2015 waren ca. 15 % der Prostituierten in München deutscher Abstammung. Am meisten Prostituierte kommen aus Rumänien, ihr Anteil liegt bei ca. 33 %.
Wie lange bleiben die Frauen in der Regel in einer Stadt?
Eine erhöhte Anzahl an Prostituierten hat so gut wie keine sozialen Kontakte lebt oftmals „abgeschottet“ in Bordellen. Viele Prostituierte arbeiten nur wenige Wochen, teilweise nur ein paar Tage, in München, um dann in andere Ballungsräume innerhalb Deutschlands oder ins Ausland zu reisen.
Was ist das "Münchner Modell" für Prostituierte genau?
Der Begriff "Münchner Modell" war und ist nicht explizit definiert, vielmehr beschreibt er die Arbeit der Münchner Polizei im Rotlichtmilieu, insbesondere zur Bekämpfung von Menschenhandelsdelikten, Zuhälterei und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit im Allgemeinen. Einige der hier durchgeführten Maßnahmen und Strategien werden nach meinen Informationen nur innerhalb des PP München durchgeführt.
Hierzu zählen u. a.
klar definierte Sperrbezirksregelungen, die in bestimmten Vierteln Prostitutionshandlungen verbieten. Hieraus ergeben sich folgende Vorteile:
· Keine Prostitution im Innenstadtbereich, im Bereich von schutzwürdigen Örtlichkeiten (Kindergärten, Schulen, Altenheime etc.) oder in reinen Wohngebieten
· Behördlich bekannte Bordelle außerhalb von Sperrbezirken, die geeignet kontrolliert werden können
· Legal arbeitende Prostituierte stehen als Ansprechpartner zur Verfügung und arbeiten mit uns ggf. zusammen
Häufige, unregelmäßig wiederkehrende Kontrollen im Rotlichtmilieu, um
· vor Ort für Hilfesuchende als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen
· einen geeigneten "Kontrolldruck" aufrechtzuerhalten
· auf strafbares Verhalten bei allen Angetroffenen (Verantwortliche, Prostituierte, Freier etc.) geeignet und zeitnah reagieren zu können
· Opfer von Straftaten möglichst zeitnah aus der Situation zu bringen und sie evtl. einer Hilfsorganisation zuzuführen
Durchführung von freiwilligen Anmeldungen vor Arbeitsbeginn (derzeit nicht gesetzlich geregelt).
Ca. 92 % der in München arbeitenden Prostituierten kommen vor ihrem Arbeitsantritt zum K 35 und melden sich hier an. Hierbei werden Hintergründe erfragt, Hinweise auf eine evtl. Nicht-Freiwilligkeit überprüft sowie Hilfsangebote unterbreitet. Obwohl diese Verfahrensweise in Deutschland wohl einmalig sein dürfte, ist diese weit über die Landesgrenzen bekannt, so die zahlreichen Rückmeldungen.
Durchführung von sog. "Betreibergesprächen", um neuen Verantwortlichen im Rotlichtmilieu die Rechtslage, die Erwartungen der Polizei vor Ort und auch eventuelle Folgen von Verhaltensweisen bereits im Vorfeld ihrer Tätigkeit aufzuzeigen.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit zwischen der Polizei und den Bordellbetreibern?
Bereits zu Beginn ihrer Tätigkeit findet mit den Verantwortlichen, u. a. den Bordellbetreibern, ein Gespräch statt. Bereits dieses verhindert oftmals Meinungsverschiedenheiten und Kompetenzfragen. Im Weiteren legt die Polizei vor Ort großen Wert auf umfassende Kontrollen im Rahmen der gesetzlichen Befugnisse und die Einhaltung sämtlicher Rechtsvorschriften (auch z. B. Hygiene-, Brandschutzbestimmungen).
Was verändert das neu verabschiedete Prostitutionsgesetz?
Der Bundesgesetzgeber hat kürzlich ein Bundesgesetz erlassen, das jedoch noch nicht ratifiziert ist. Darüber hinaus, so deuten hier bekannte Entwürfe darauf hin, können die Bundesländer ergänzende Regelungen treffen. Über letzteres ist jedoch noch nichts bekannt.
Wie sieht es mit milieuspezifischen Straftaten in München aus: Was sind die häufigsten Straftaten?
Das K 35 ist neben den eigentlichen „Prostitutionsstraftaten“ (Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung, Zuhälterei, Ausübung der verbotenen Prostitution etc.) auch für weitere milieubedingte Sachverhalte zuständig. Hier geht es vorrangig um Eigentumskriminalität (Diebstähle in Bordellen, Betrugssachverhalte zum Nutzen von Freiern etc.), Körperverletzungsdelikte und Freiheitsberaubungen.
Welchen Problemen sehen Sie sich bezüglich der Prostitution (von ausländischen Frauen) am häufigsten gegenübergestellt?
Die größte Anzahl der Prostituierten kommen aus Rumänien, Ungarn, Tschechien, Bulgarien und Spanien. Hier, aber auch bei anderen Herkunftsländern, ergeben sich zwei Hauptprobleme:
· Die Person erkennt sich selbst nicht als Opfer einer Straftat, da die Arbeitsumstände im Herkunftsland deutlich schlechter waren. Bereits das Vorhandensein von hier Alltäglichem (trockenes Zimmer, Dusche, Hygieneartikel, Nahrung etc.) führt dazu, dass Opfer mit ihrer Situation zufrieden sind und u. U. ihren „Freund“, der ihre Arbeit regelt und nahezu alle Einnahmen an sich nimmt, voll akzeptiert.
· Auch durch Erfahrungen im Heimatland werden Behörden und insbesondere die Polizei sehr kritisch beäugt, so wirken sich Eindrücke der Korruption und breitgefächerter Täterstrukturen hier unmittelbar aus.