Verleihung in Aschaffenburg Bayerischer Kabarettpreis 2014
2014 verleiht der Bayerische Rundfunk gemeinsam mit dem Münchner Lustspielhaus zum 16. Mal den „Bayerischen Kabarettpreis“. Die Aufzeichnung der Preisverleihung findet am Montag, 7. Juli 2014 im Hofgarten Kabarett im unterfränkischen Aschaffenburg statt und wird am Freitag, 11. Juli 2014 im Bayerischen Fernsehen ausgestrahlt. Der Franke Urban Priol, Kabarettikone und Mit-Initiator der Preisverleihung im Jahr 1999, führt in seinem Theater als Gastgeber und Moderator durch den Abend.
Hauptpreis: Luise Kinseher
Laudator für Luise Kinseher ist Frank-Markus Barwasser, bekannt als fränkischer Querdenker Erwin Pelzig aus diversen Satiresendungen wie „Neues aus der Anstalt“ oder „Pelzig hält sich“.
Jurybegründung:
Vielfältig sind ihre Bühnenfiguren und vielfältig auch die Perspektiven, mit denen Luise Kinseher Zeitgeist greif- und begreifbar werden lässt: Die Kaufhaus-Kundin kiekst im glückseligen Kaufrausch, während die spröde Buchhalterin Eintrittsgelder zählt. Die Heldin flieht vor Bankenkrise und Konsum auf die Alm, denn daheim drohen sie Besitz und Gier zu ersticken. Phantasie- und gefühlvoll, aber immer bodenständig sind die Bühnenprogramme der Niederbayerin, und sie nimmt sich dabei furchtlos großer Themen wie Glück oder Freiheit an. Groß ist auch ihre Bavaria, eine Mutterfigur, die Luise Kinseher, als erste Salvatorrednerin auf dem Nockherberg, lebendig werden lässt: Die Patronin Bayerns derbleckt herrlich weiblich die Polit-Prominenz. Luise Kinseher ist ein Kabarett-Charakter mit kraftvoller Bühnenpräsenz und facettenreichem Temperament, gesegnet mit schwarzem Humor und beseelt von der Liebe zur schrägen Perspektive. Berührend und mitreißend komisch!
"Erstmal einfach nur ganz große Freude. Der Bayerische Kabarettpreis ist eine der schönsten Auszeichnungen, die man als bayerische Kabarettistin bekommen kann. Aber für mich ist das auch Ansporn! Ich schreibe gerade ein neues Programm, und da kommt der Preis zur rechten Zeit. Ich kann mir sagen, haben tu ich ihn zwar schon, aber jetzt verdiene ich ihn mir noch und sage schon mal DANKE."
Luise Kinseher
Musikpreis: Tobias Mann
Laudator für Tobias Mann ist Michael Altinger, einer der beiden Gastgeber der BR-Kabarettsendung „schlachthof“.
Jurybegründung:
Als unermüdliches Allroundtalent in nahezu allen unterhaltenden Disziplinen – so lässt sich der Mainzer Kabarettist, Comedian und Musiker Tobias Mann am treffendsten bezeichnen. Ein besonderes Augenmerk verdient dabei sein musikalisches Talent, das in seinen überaus dynamischen Soloprogrammen Höhepunkte setzt. Seine Lieder, begleitet am Piano oder an der Gitarre, sind politische Statements oder erzählen vom Wahnsinn des Alltags, sind mal leise, mal schräg und manchmal auch abgefahren: Da kann sogar Goethes „Faust“ zum fetzigen Fünf-Minuten-Rap werden. Mitreißende Melodien, seine jugendlich-energiegeladene Ausstrahlung und ein schier unerschöpflicher Optimismus verleihen selbst schweren Inhalten eine Leichtigkeit, die in der derzeitigen Kabarettlandschaft ihresgleichen sucht. Mit seinen Liedern voll Komik und geballter Lebensfreude sagt er politischer und gesellschaftlicher Gleichgültigkeit den Kampf an. Mehr Mann!
"Ich freue mich natürlich wie Bolle über diesen Preis, der ja quasi aus heiterem Himmel kam. Als Nicht-Bayer den Bayerischen Kabarettpreis zu bekommen, also die Auszeichnung einer absolut kabarettverliebten Region Deutschlands, ist eine große Ehre. Hinzu kommt, dass das mein erster Preis ist, den ich explizit für meine kabarettistischen Songs bekomme. Ich sehe das als Lohn für die leidenschaftliche Arbeit an meinen Liedern, die in meinem Programm zwar nicht im Vordergrund stehen, aber die eigentlichen Säulen der Show sind.
Dafür sage ich 'Danke!' und rufe laut 'YEAH!'."
Tobias Mann
Senkrechtstarter-Preis: Nico Semsrott
Laudator für Nico Semsrott ist Max Uthoff, Träger des „Bayerischen Kabarettpreises“ in der Kategorie Senkrechtstarter und Kopf des neuen ZDF-Kabarettformats „Die Anstalt“.
Jurybegründung:
Weltuntergang, Tod und Depression – das scheinen nicht gerade die passenden Themen für einen unterhaltsamen Abend zu sein. Doch Poetry Slammer Nico Semsrott hat genau mit diesen Inhalten eine einzigartige, völlig neue und überaus witzige Form des Kabaretts ins Leben gerufen: Die Standup Tragedy. Mit gesenktem Blick, die schwarze Kapuze tief ins Gesicht gezogen, seziert der gebürtige Hamburger in seinem ersten Solo-Programm eine verlorene, hoffnungslose Welt, die er komplett in Frage stellt – während das Publikum vor Lachen tobt. Doch merke: „Freude ist nur ein Mangel an Information.“ Dramaturgisch geschickt hält er mit seiner negativen Haltung die Spannung und lässt eine klare Weltanschauung dahinter aufblitzen. Seine scheinbar emotionslosen Analysen und Wortspiele sind prägnant und bitterböse. Mit überaus treffenden Grafiken verleiht er den zuvor präzise gesetzten Pointen oftmals eine völlig neue Dimension. Misslaunige Melancholie, schräges Scheitern und zielstrebige Ziellosigkeit – Pessimismus als Weg zum Erfolg? Ein klares Ja!
"Schon bei meinem ersten Kabarettwettbewerb habe ich versucht, Letzter zu werden. Bis jetzt habe ich das Ziel fast immer erreicht. Für mich ist die Auszeichnung mit dem Bayerischen Kabarettpreis ein klarer Fall von Mobbing. Statt in einem transparenten Wettbewerb aufs Peinlichste zu scheitern (und so die Leistungsgesellschaft zu beleidigen), wurde ich ohne Recht auf Sabotage durch eine so genannte 'Jury' bestimmt. Ich hatte hier also gar nicht die Chance, Letzter zu werden. Unfair!" Nico Semsrott
Ehrenpreis: Richard Rogler
Laudator für Richard Rogler ist Kay Sebastian Lorentz, Leiter des Düsseldorfer Kleinkunsttheaters „Kom(m)ödchen“, eines der erfolgreichsten Ensembles und Kabarettbühnen Deutschlands.
Jurybegründung:
Geboren in Franken, sesshaft in Köln, auf der Bühne zu Hause - ob als sein berühmtes Alter Ego „Camphausen“, in seinen Soloprogrammen, den „Mitternachtsspitzen“, im „Scheibenwischer“ oder bei zahllosen anderen Gelegenheiten: Seit über 30 Jahren steht Richard Rogler als entschlossener Kämpfer für Gerechtigkeit und gegen Bevormundung auf der Bühne. Gesellschaftliche Missstände und politische Ungerechtigkeiten prangert er ebenso an wie Gesetzeswillkür und diverse Benachteiligungen in unserer vermeintlich so fortschrittlichen Welt. Dabei kritisiert er den Status Quo nicht von oben herab, sondern als einer von uns. Mit kleinen Gesten schafft er unverwechselbare, lebensnahe Figuren, die auch komplexe Themen konkret begreifbar machen. Rogler nutzt die ganze Bandbreite kabarettistischer Kunst: Wütende Anklage beherrscht er genauso wie das Setzen feiner Pointen, den Stammtisch-Witz ebenso wie die intellektuelle Analyse – und selbst vor schnörkelloser Ernsthaftigkeit schreckt er nicht zurück. Sein Urteil ist oft gnadenlos und bisweilen bitterböse – aber stets treffend. Und immer ist es Ausdruck seines großen Herzens und der ungebrochenen Hoffnung, die Welt ein bisschen besser machen zu können.
"Das ist bislang mein schönster Preis. Er dokumentiert auch meine stets gute Zusammenarbeit mit dem BR. Und natürlich freue ich mich, dass jemand meine politische Kunst wahrgenommen hat. Und wenn es dann noch der BR ist, der sich wider so manchen Unkenrufen um das deutsche Kabarett wirklich verdient gemacht hat, ist das besonders erfreulich."
Richard Rogler
Die Band bei der Verleihung
Für den musikalischen Rahmen sorgt der Kabarettist Matthias Egersdörfer mit seinem Herrenensemble Fast zu Fürth, das mit seinen skurrilen Liedern zu der mittelfränkischen Kultband schlechthin avanciert ist.
Zur Bedeutung des Kabaretts beim BR:
"Kabarett ist ein wichtiger Bestandteil im Programm des Bayerischen Rundfunks, und die Förderung der Kabarettkultur ist uns ein großes Anliegen. Darum freut es mich besonders, dass wir auch in diesem Jahr wieder vier herausragende Protagonisten der Szene mit dem ‚Bayerischen Kabarettpreis‘ auszeichnen können: Luise Kinseher, Richard Rogler, Tobias Mann und Nico Semsrott leisten mit ihren scharfsinnigen Denkanstößen und außergewöhnlichen Sichtweisen einen wichtigen Beitrag zur gesellschaftlichen Relevanz des Kabaretts. Unsere Preisträger zeichnet eine große Vielfalt aus: Von rasanten Politliedern, über kluge, feminine Satire bis hin zur ausgefeilten Gesellschaftsanalyse."
Annette Siebenbürger, Leitung Programmbereich Bayern und Unterhaltung
Jahr | Hauptpreis | Musikpreis | Senkrechtstarterpreis | Ehrenpreis |
---|---|---|---|---|
2014 | Luise Kinseher | Tobias Mann | Nico Semsrott | Richard Rogler |
2013 | Christian Springer | Andreas Rebers | Max Uthoff | Konstantin Wecker |
2012 | Jochen Malmsheimer | Lizzy Aumeier | Christoph Sieber | Venske & Busse |
2011 | Josef Hader | Carmela de Feo | Marc-Uwe Kling | Ottfried Fischer |
2010 | Frank Lüdecke | Annamateur | Matthias Egersdörfer | Gerhard Polt |
2009 | Alfred Dorfer | Rainald Grebe | Philipp Weber | Jörg Hube |
2008 | Georg Schramm | Sissi Perlinger | Mathias Tretter | Werner Schneyder |
2007 | Mathias Richling | Martina Schwarzmann | Claus von Wagner | Klaus Peter Schreiner |
2006 | Volker Pispers | Georg Ringsgwandl | Monika Gruber | Emil Steinberger |
2005 | Günter Grünwald | Couplet AG | Hagen Rether | Didi Hallervorden |
2004 | Frank-Markus Barwasser | Meilhamer Schlenger | Rolf Miller | Georg Kreisler |
2003 | Urban Priol | Hans Liberg | Vince Ebert | Matthias Beltz |
2002 | Bruno Jonas | Fredl Fesl | Johann Köhnich | Dieter Hildebrandt |
2001 | Andreas Giebel | Willy Astor | Michi Altinger | Hanns Dieter Hüsch |
2000 | Dieter Nuhr | Acapickels | Django Asül | - |
1999 | Piet Klocke | Biermösl Blos'n | Helmut Schleich | - |