Vertreibung, Begegnung – Versöhnung? 70 Jahre Charta der deutschen Heimatvertriebenen
Am 5. August 1950 erklärten die deutschen Heimatvertriebenen in ihrer in Stuttgart beschlossenen Charta, auf Rache und Vergeltung zu verzichten und an der Schaffung eines friedlichen, freiheitlichen und geeinten Europa mitzuwirken. Anlässlich des 70. Jahrestages der Unterzeichnung erinnert ARD-alpha an das Schicksal der deutschen Heimatvertriebenen und fragt mit zwei Dokus und einem hochkarätig besetzten TV-Talk nach der Bedeutung ihrer Charta für den Versöhnungsprozess in Vergangenheit und Gegenwart – am Mittwoch, 29. Juli, ab 20.15 Uhr in "alpha-thema: Vertreibung, Begegnung – Versöhnung?"
Geheimnisvolle Kellergewölbe mitten auf einer Wiese, ein eingefallenes Haus, Reste einer Mauer: Es sind die Ruinen von Vorderzinnwald. Das Dorf im böhmischen Erzgebirge, in dem einmal mehrere hundert Menschen lebten, ist nach 1945 verschwunden und in Vergessenheit geraten – wie zahlreiche andere Ortschaften entlang der deutsch-tschechischen Grenze. Die deutsche Bevölkerung musste sie nach dem Zweiten Weltkrieg verlassen, und die neu angesiedelten tschechischen Bewohner waren oft zu wenige, um sie dauerhaft am Leben halten zu können. In der Dokumentation "Das Böhmische Geisterdorf – Ort der Vertreibung und Versöhnung" um 20.15 Uhr begibt sich Axel Bulthaupt auf die Suche nach den Überresten des Geisterdorfes Vorderzinnwald und dem Schicksal seiner Bewohner. Dabei begegnet er Menschen auf beiden Seiten der deutsch-tschechischen Grenze, die die Erinnerung an die Geschichte ihrer Region bewahren und lebendig halten wollen. Eine spannende Entdeckungsreise mit Geschichten, die von Verlust, Veränderung und Versöhnung handeln.
Rund 14 Millionen Deutsche wurden unter Berufung auf das Potsdamer Abkommen vom August 1945 aus den Ländern Mittel- und Osteuropas vertrieben. Neben dem Verlust der Heimat erlebten sie vielfach Gewalt und Elend. Dennoch wurde am 5. August 1950 in Stuttgart als Zeichen des Willens zur Aussöhnung die Charta der deutschen Heimatvertriebenen verabschiedet. Welche Bedeutung hat diese Erklärung heute? Über den Prozess der Verständigung mit den Nachbarn im Osten, aber auch über Kritik an den Unterzeichnern, die in der Charta die Verbrechen der Nationalsozialisten nicht ausdrücklich erwähnen, sprechen Sylvia Stierstorfer, MdL und Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für Aussiedler und Vertriebene, der Historiker Prof. Manfred Kittel, Gründungsdirektor der Bundesstiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung, sowie der ehemalige Kanzlerberater und Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz Prof. Horst Teltschik, der als Kleinkind Flucht und Vertreibung mitgemacht hat, in "alpha-podium: Schluss mit Rache – 70 Jahre Charta der deutschen Heimatvertriebenen" um 20.45 Uhr. Es moderiert Andreas Bachmann.
Das Schicksal der deutschen Vertriebenen, der Verlust ihrer Heimat im Osten, ist historisch eng verknüpft mit dem Eroberungskrieg und dem danach folgenden Zusammenbruch des nationalsozialistischen Deutschland. Die deutsche Nachkriegsgesellschaft tat sich deshalb schwer damit, die Ereignisse von Flucht und Vertreibung und das Vermächtnis der verlorenen deutschen Kulturlandschaften in ihr kollektives Gedächtnis zu integrieren. Wie gingen die Betroffenen selbst mit diesem unbewältigten Trauma um? Wann setzte die Verarbeitung ein? Wie entwickelte sie sich im Lauf der Jahrzehnte? Und welche Rolle spielt der Generationenwechsel? Das zeigt die Dokumentation "Zwischen Verlust und Verantwortung – Die Vertriebenen und ihre Heimat" um 21.30 Uhr mit historischen Filmdokumenten und Interview-Statements von Zeitzeugen, Akteuren, Beobachtern und Historikern.
alpha-thema: Vertreibung, Begegnung – Versöhnung? – Die Sendungen im Überblick:
Mittwoch, 29. Juli 2020
20.15 Uhr: Das Böhmische Geisterdorf – Ort der Vertreibung und Versöhnung
Dokumentation, MDR 2014
BR Mediathek: nach Ausstrahlung bis 5. August 2020 verfügbar
20.45 Uhr: Schluss mit Rache – 70 Jahre Charta der deutschen Heimatvertriebenen
Diskussion, 2020
Mit Sylvia Stierstorfer, MdL und Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für Aussiedler und Vertriebene, Prof. Manfred Kittel, Historiker und Gründungsdirektor der Bundesstiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung, und Prof. Horst Teltschik, Kanzlerberater und ehemaliger Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz
Moderation: Andreas Bachmann
BR Mediathek: nach Ausstrahlung fünf Jahre verfügbar
21.30 Uhr: Zwischen Verlust und Verantwortung
Die Vertriebenen und ihre Heimat
Dokumentation, 2015
BR Mediathek: nach Ausstrahlung 5 Jahre verfügbar