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Bayerischer Rundfunk Bayerischer Kabarettpreis 2025

Die Preisträgerinnen und Preisträger des Bayerischen Kabarettpreises 2025 stehen fest: Der Bayerische Rundfunk und das Münchner Lustspielhaus vergeben den Hauptpreis an den Kabarettisten Claus von Wagner, der Senkrechtstarter-Preis geht an die gebürtige Fürtherin Lara Ermer. Den Ehrenpreis erhält der Musikkabarettist Georg Ringsgwandl, den Creator-Preis die Österreicherin Toxische Pommes.

Stand: 18.03.2025

Die Preisträgerinnen und Preisträger 2025 (v. l.): Lara Ermer (Senkrechtstarter-Preis), Claus von Wagner (Hauptpreis), Toxische Pommes (Creator-Preis) und Georg Ringsgwandl (Ehrenpreis) | Bild: Montage: BR

Die Preisverleihung findet am Montag, 27. Oktober 2025, im Münchner Lustspielhaus statt und wird am Donnerstag, 30. Oktober, um 21.00 Uhr im BR Fernsehen ausgestrahlt. Durch die Sendung führt der Kabarettist und Moderator Martin Frank. Für musikalische Unterhaltung sorgt die Frauen-Band Desperate Brasswives mit groovigem Bläsersound.

"Kabarett ist große Kunst, weil häufig schlicht genial. Und Kabarett ist Kultur, weil nur in einer freien Gesellschaft möglich: Es bringt die Menschen zusammen, setzt sich mit den Fragen der Zeit auseinander, zeigt nicht nur mit dem Finger darauf, sondern bringt uns auch selbst zum Nachdenken. Deshalb ist auch der Bayerische Rundfunk als Kulturinstitution selbstverständlich Verleiher des Bayerischen Kabarettpreises. Die Preisträgerinnen und Preisträger 2025 zeigen einmal mehr, wie vielfältig die Szene aufgestellt ist und wie sehr diese Vielfalt das Kulturleben in Bayern bereichert: von den jungen Nachwuchs-Künstlerinnen bis zu etablierten Bühnenstars wie Georg Ringsgwandl und Claus von Wagner. Eins steht fest: Die Themen werden nicht weniger. Allen Preisträgerinnen und Preisträgern gratuliere ich von Herzen und wünsche frohes kreatives Weiter-Abarbeiten an den Themen der Zeit."

Björn Wilhelm, BR-Programmdirektor Kultur

"Wie arm wäre Bayern ohne seine Kabarettszene. Und wie gut, dass es den Bayerischen Kabarettpreis gibt, der die Fülle an herausragenden Künstlerinnen und Künstlern emporhebt und jedes Jahr aus dem Vollen schöpfen kann, um die aktuell Preiswürdigsten zu ehren. Dabei zeigt sich, dass es an Nachwuchs für den Senkrechtstarter-Preis nicht mangelt, und dass man die Qual der Wahl hat, wenn einer der seit vielen Jahren erfolgreichen Protagonisten mit dem Hauptpreis geehrt werden soll. Wie lange und tief die Humorkunst hier verwurzelt ist, beweisen zahlreiche Anwärter auf den Ehrenpreis. Und nicht zuletzt vergibt der Bayerische Kabarettpreis auch dieses Jahr bereits zum dritten Mal mit dem Creator-Preis eine Kategorie, die zeitgemäße Satireformen jenseits der Kleinkunstbühnen ins Rampenlicht holt. Unsere Glückwünsche gehen an Lara Ermer, Claus von Wagner, Georg Ringsgwandl und Toxische Pommes."

Iris Mayerhofer, BR-Programmbereichsleiterin Unterhaltung und Heimat

Kategorie Senkrechtstarter-Preis: Preisträgerin Lara Ermer

Was soll schon dabei herauskommen, wenn man sich für ein Kabarettprogramm erst durch ein ganzes Psychologiestudium quält und dann als Grundlage für die Gags auch noch unverständliche Studien liest? Wenn man das so brillant macht wie Lara Ermer, dann ist es der Bayerische Kabarettpreis in der Kategorie Senkrechtstarter.

Denn die 29-jährige Wahl-Frankfurterin, geboren in Fürth und aufgewachsen in Nürnberg, schafft es, die schlimmsten Marotten ihrer Mitmenschen als solche zu entlarven und schädliche Folgen wissenschaftlich zu begründen. Etwa wenn Studien beweisen, dass rassistische, homophobe oder sexistische Bemerkungen – auch und gerade in Kabarettprogrammen – Gewaltbereitschaft erhöhen. Ihre Kunst besteht darin, dies nicht nur ausgesprochen komisch zu erklären, sondern auch so, dass es jeder versteht. Humor bildet! Und Lara Ermer geht es um noch mehr: Sie bringt Tabuthemen wie Menstruation oder Sex zur Sprache, spottet rappend über Dick-Pics und schreibt in ihrem aktuellen Buch „Alle gegen Alle“ darüber, wie wir trotz ständiger Streitereien gelassener werden können.

Und tatsächlich betreibt sie ihre Profession so lustig und klug, dass man wieder Hoffnung schöpft. Lara Ermer hat erkannt, dass die Welt derart komplex ist und von Politikern so schlecht erklärt wird, dass viele Menschen mittlerweile offen für alles Simple sind, das Populisten so von sich geben. Dem setzt sie, neben ihren Bühnenauftritten, auch ihre Social-Media-Rubrik „smart attack“ entgegen: Komplizierte Sachverhalte bricht sie darin herunter, aber so, dass die Fakten natürlich immer noch stimmen und ihr Publikum bereichert wird. Dafür balanciert sie „auf einem schmalen Steg zwischen Aktivismus und Apokalypse“. Auf der einen Seite lauern Streit, Beschimpfungen und Zynismus, auf der anderen der Mut zum Miteinander, der durch gemeinsames Lachen entsteht. Letzteres minimiert schon mal die Feindbilder.

Damit ihre Programme dieses Ziel erreichen, erzählt Lara Ermer aus ihrem Alltag, geht nah an die Menschen ran und schildert Erlebnisse, die viele teilen können. Und so bringt sie auch ernste Themen wie die anhaltende Diskriminierung von Frauen in ihrer Comedy unter. Dass sie dabei Charme mit Frechheit paart, klar formuliert und ihre Pointen mit überraschenden Twists gut platziert, hat ihr den Weg auf die Kabarettbühnen der Republik geebnet. Dort, so sagt sie, könne sie alle an sich ranlassen, hier sei ihr geschützter Raum, in dem sie schonungslos zuspitzen und Selbstverständlichkeiten infrage stellen könne. Und wenn die Welt schon im Chaos versinkt, dann kann man dabei genussvoll Lara Ermer zuhören.

Kategorie Hauptpreis: Preisträger Claus von Wagner

Der Hauptpreisträger des Bayerischen Kabarettpreises 2025 hat sich schon als junger Mann ganz dem Kabarett verschrieben. Mit 20 Jahren erdachte Claus von Wagner sein erstes Bühnenprogramm „Warten auf Majola“, mit 25 legte er eine Magisterarbeit vor mit dem Titel „Politisches Kabarett im deutschen Fernsehen. Zwischen Gesellschaftskritik und Eigenwerbung. Eine Expertenbefragung.“ Ein Jahr später war er Mitglied des Trios „Erstes deutsches Zwangsensemble“ an der Seite von Mathias Tretter und Philipp Weber.

Schon damals etablierte Claus von Wagner seine Art des Kabaretts: Mit großer Leidenschaft stürzte er sich in den 2000er Jahren in unterschiedlichste Rollen und tut das bis heute. Mit großer Lust an Charakteren erschafft er Prototypen des Menschseins – seien es Politiker, Straßenmusiker oder Bademeister. Ob in seinen Solo-Kabarettprogrammen oder seit 2014 als Gastgeber an der Seite von Max Uthoff in der Satiresendung „Die Anstalt“. Zunächst fällt Claus von Wagners Lust an der Mimik auf – da werden die Augen aufgerissen, die Lippen geschürzt und die Wangen gebläht, auch die Gestik ist ausschweifend, gerne nutzt er den ganzen Körper und auch den ganzen Bühnenraum. Claus von Wagner spricht, wie es nur richtig gute Kabarettisten können: Schnell, auf den Punkt, mitreißend, mal mit leicht brüchiger Stimme, dann wieder laut, voller Verve.

Auf den ersten Blick könnte man meinen, der großgewachsene Kerl mit dem Bubengesicht sei einfach ein ganz ein Netter – was er definitiv auch ist. Aber wenn er dann seziermesserscharf die Wirtschaft, eines seiner Lieblingsthemen, und ihre Lügengebilde, ihre falschen Versprechungen und unsinnigen Narrative ausweidet, dann wird aus dem netten Typen ein Totengräber des Kapitalismus. Und noch dazu einer, bei dem man sich den Bauch hält vor Lachen. Seine Analysen sind nicht nur scharf und unwiderlegbar, sondern sie offenbaren auch die Absurdität, mit der wir Menschen dem Götzen Geld huldigen. Dass er selbst fehlbar ist, gibt Claus von Wagner unumwunden zu, und damit setzt er sich nicht über sein Publikum hinweg, sondern macht es zu Komplizen. Könnten wir nicht vielleicht alle gemeinsam den Turbokapitalismus überwinden?

Im Februar 2025 hat er sein sechstes Kabarettprogramm mit dem Titel „Projekt Equilibrium“ vorgestellt. Darin schafft es Claus von Wagner einmal mehr, sich rasant am Puls der Zeit zu bewegen, schwere Themen locker zu präsentieren und mit seiner außergewöhnlichen Präsenz sein Publikum mitzureißen. Und er führt einem deutlich vor Augen: In einer Welt voller Abgründe sorgt er mit seinem klugen, weitsichtigen und erhellenden Humor dafür, dass man den schwankenden Boden unter den Füßen nicht verliert.

Kategorie Creator-Preis: Preisträgerin Toxische Pommes

In 15 Sekunden die Welt zu einem besseren Ort machen? Kann klappen. Aber nur, wenn man die Dinge so prägnant, pointiert und vor allem humorvoll auf den Punkt bringt, wie das Toxische Pommes schafft. Die diesjährige Preisträgerin des Bayerischen Kabarettpreises in der Kategorie „Creator-Preis“ ist ein Produkt der Corona-Krise, einer toxischen Beziehung und ihrer Liebe zu Pommes Frites. Außerhalb des Internets und abseits von Bühnen heißt Toxische Pommes Irina, ist Juristin und im Kleinkindalter mit ihren Eltern aus Ex-Jugoslawien nach Österreich geflohen.

Die Langeweile der Coronazeit schuf plötzlich einen Raum, um ihre Kreativität auszuleben. Ohne lange nachzudenken, lud die damals Endzwanzigerin 15-sekündige Clips bei TikTok hoch. Mittlerweile hat Toxische Pommes auf den Social-Media-Plattformen TikTok und Instagram mehrere Hunderttausend Follower, legte mit „Ein schönes Ausländerkind“ einen Bestseller über ihre Migrationserfahrungen vor und geht bald mit ihrem zweiten Kabarettprogramm auf Tour.

Sie schafft etwas, das nur den wenigsten gelingt: Sie öffnet ihren Fans auf gleichermaßen respektvolle wie saukomische Weise die Augen und weist sie auf die Missstände vor allem in der österreichischen Gesellschaft hin. Sie beschreibt simple Alltagssituationen, die Themen wie Rassismus, Mikroaggressionen, Sexismus, Klassismus oder Bürokratie aufgreifen. Ihr Vorgehen in den sozialen Medien wirkt einfach: Vor passendem fotorealistischen Hintergründen schlüpft sie mithilfe von ein paar wenigen Requisiten und Kostümen in überzeichnete Charaktere, überspitzt die Situation und sorgt dafür, dass die Absurdität des Verhaltens ihrer Figuren für sich selbst spricht – und das alles in gerade einmal 15 Sekunden.

Toxische Pommes muss dabei niemandem etwas vorwerfen, niemanden verhöhnen oder nach unten treten. Vor Klischees hat Toxische Pommes dabei keine Angst. Und das zurecht, denn ihre Charaktere sind menschlich, allzu menschlich. So gibt es doppelmoralinsaure linksintellektuelle Hipster oder pseudolässige Gen-Z-Boys, die sich für Feministen halten – dabei tun sie nichts anderes, als Frauen herabzuwürdigen. Andere Figuren wollen einfach nicht verstehen, warum ihre Relativierung von Menschen fremder Herkunft problematisch sein soll.

Dabei sind es immer Verhaltensweisen, über die sich Toxische Pommes lustig macht, niemals Identitäten. Sie möchte ihr Publikum zum Lachen bringen. Oder auch zum Nachdenken anregen, dazu, sich selbst über ein Thema zu informieren und dann aufgrund von Fakten eigene Schlüsse zu ziehen. Sie stößt an, regt an, und dazu braucht es nicht viele Worte – sondern die richtigen. Und die findet sie jedes Mal.

Kategorie Ehrenpreis: Preisträger Georg Ringsgwandl

Der Mann ist schräg und sperrig, grell und schrill. Früher trug er auf der Bühne zur Gitarre oder Zither gerne Lippenstift und Kajal, Fliegerbrille, Frauenkleider und Strumpfhosen. Sein Gesang changiert zwischen dem eines Volksmoritaten-Vokalisten und einem bluesseligen Rocker, zwischen bayerischem Gangsta Rap und opernhaften Koloraturen. Wer zu seinen Auftritten und in seinen Konzerte geht, weiß vorher nie, was ihn erwartet. Außer, dass es etwas ganz Besonderes sein wird. Denn einen wie Georg Ringsgwandl findet man auf Bayerns Bühnen nicht noch einmal. Und das geht schon seit den späten 70er-Jahren so. Vorbestimmt war das nicht.

1948 wurde Ringsgwandl in Bad Reichenhall in ärmliche Verhältnisse geboren, sollte Postler werden wie sein Vater. Doch er ging zum Medizinstudium nach München und Kiel und promovierte. Die Musik jedoch begleitete ihn schon, seit er mit acht Jahren von einer Tante eine Zither geschenkt bekam und die Gäste beim Kaffeekränzchen begeisterte. Und so forderte das Musizieren auch den Arzt immer wieder heraus, für dieses Talent Platz zu machen. Gut 15 Jahre lang stand er tagsüber im Operationssaal und abends auf Kabarettbühnen, in Kleinkunsttheatern und Freiluftarenen. Sein innerer Drang, seine „geistigen Unebenheiten“, wie er das selbst nennt, auszuleben, war nicht zu bezwingen.

Erst 1993 entschied er sich, nur noch als Künstler tätig zu sein, zu aufzehrend war das Doppelleben geworden. Bis dahin hatte er bereits Legendäres geschaffen: als Gurkenkönig von Mittenwald, als „Jodelfee vom Tegernsee, Diamant vom Oberland, Pfau von der Ramsau“ wie es in einem seiner Lieder heißt. Auch wenn er sich in seinen Liedern mit dem Essentiellen und Existentiellen des Menschseins beschäftigt, so geht es auch immer um ihn selbst: „Wer bin ich?“, fragt er sich oft mit selbstironischem Unterton. Das übliche Kabarett war ihm stets zu bieder. Er wollte einen funkigen, großstädtischen Sound in seine Kompositionen einbauen. Prince, Boy George oder Lou Reed waren seine Vorbilder.

Die Kunst des Georg Ringsgwandls machte stets aus, dass er sich immer wieder neu ausprobierte und dem Publikum sowie sich selbst Einiges zumutete. Er hatte nie Angst vor falschen Tönen oder schiefen Einlagen. Als Künstler, der auf eine Bühne will, muss man sowieso wahnsinnig sein, ist seine feste Überzeugung. Warum diesen Wahnsinn nicht zeigen? Aber gerade, weil er so ungefiltert und unter dem Make-up so ungeschminkt rüberkommt, berührt er sein Publikum. Seine Kunstfiguren sind echter und menschlicher als so mancher Musiker, der als er selbst auftritt. Man spürt Ringsgwandls Verletzlichkeit, die fortwährende Suche nach Zugehörigkeit in jeder Zeile. Und dennoch wirken seine Programme, als entstünden sie erst in genau dem Moment, in dem er die Zither oder die Gitarre ergreift, als handle er spontan und allein seiner Intuition folgend. So viel Ehrlichkeit sieht man auf Bühnen selten.

In seiner Kindheit hat er gelernt: Alles Schöne ist verboten. Und dem widersetzt er sich bis heute bei jedem seiner Auftritte durch einen unglaublichen Reichtum im Ausdruck, durch explodierende Lebensfreude und einer unbedingten Leidenschaft. Immer frei nach seinem Lebensmotto: „Hühnerarsch, sei wachsam!“

Der Bayerische Kabarettpreis

Der Bayerische Rundfunk fördert Kabarett und bietet mit der Verleihung des Bayerischen Kabarettpreises namhaften Künstlerinnen und Künstlern eine Bühne und jungen Talenten ein Sprungbrett. Der Bayerische Kabarettpreis ist eine Gemeinschaftsinitiative des Bayerischen Rundfunks und des Münchner Lustspielhauses. Seit 1999 wird der Preis jährlich in vier Kategorien an Künstlerinnen und Künstler aus dem deutschsprachigen Raum verliehen. Er würdigt scharfsinniges Kabarett, das auf unverzichtbare Weise die Gesellschaft und das Zeitgeschehen künstlerisch ergründet.


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