Bayerischer Rundfunk Die Hörspiel-Premieren des BR im Herbst 2023
Hörspiel-Fans können sich in den kommenden Wochen auf drei große Premieren im Bayerischen Rundfunk freuen: Den Auftakt macht „Dear alter Ego“, eine Hörspiel-Hommage an die Filmemacherin Maya Deren von Ulrike Haage am 28. September in der ARD Audiothek und tags darauf im Radio bei Bayern 2. Anfang Oktober folgt der Vierteiler „Sisi“ nach dem Roman von Karen Duve, im November die bayerische Hörspiel-Serie „Marei“.
Ulrike Haage/Maya Deren: „Dear alter Ego“
Aus dem Amerikanischen von Klaudia Ruschkowski
Komposition und Realisation: Ulrike Haage
ARD Audiothek: ab 28. September 2023
Bayern 2: 29. September 2023, 21.05 Uhr
Mit Martina Gedeck, Robert Stadlober, Valery Tscheplanowa, Marina Frenk
Sie arbeitete mit Künstlern und Künstlerinnen wie André Breton, Marcel Duchamp, John Cage und Anaïs Nin. Ihre Filme zählen heute als Meilensteine des Experimentalfilms. Die preisgekrönte Hörspielmacherin Ulrike Haage (im Foto mit Robert Stadlober) nähert sich für den Bayerischen Rundfunk der Filmpionierin Maya Deren mit einem akustischen Biopic.
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Als Literaturstudentin im New York der 1940er Jahre entdeckt Maya – die 1922 als Elenora Derenkovskaja mit ihrer Familie aus der Ukraine in die USA geflohen war - ihre Liebe zum noch jungen Medium und dreht, schreibt und produziert bald mit wenig Budget Filme, die bis heute als Meilensteine des Experimentalfilms gelten. Sie gewann als erste Frau und als erste US-Amerikanerin auf den Internationalen Filmfestspielen von Cannes den Grand Prix International für 16-mm-Experimentalfilm. Es folgten ihre Kurzfilme At Land; The private Life of a Cat; A Study in Choreography for Camera und andere Werke.
1947 ging sie für acht Monate nach Haiti. Ihre 18 Gepäckstücke bestanden überwiegend aus 16-Millimeter-Filmausrüstung, Kameras, Stativen, rohem Filmmaterial, Equipment für Tonaufnahmen und Standfotografie. Auch auf weiteren Reisen drehte sie in Haiti viele Stunden Film über Voodoo-Rituale, nahm selbst an Zeremonien teil und wurde zur Expertin: Ihr Buch über Voodoo, Divine Horsemen. The Living Gods of Haiti (1953), gilt bis heute als eines der wichtigsten zum Thema. Gepriesen für ihre Vielfältigkeit, Willensstärke und Persönlichkeit - Anäis Nin beschreibt „ihr eckiges, starkes Gesicht, wie ein Botticelli“ und stärker noch „ihre entschiedene Stimme“, „eine Künstlerin, die nahtlos von der Dichtung zum Tanz, vom Tanz zum Film überging und dabei all diese Formen und noch ganz andere miteinander kombinierte“ - zweifelte Deren immer wieder an sich und versuchte, in Tagebucheinträgen und mit dem Schreiben von Briefen an ihr alter Ego Halt zu finden. Die Hörspielmacherin Ulrike Haage nähert sich Maya Deren über Aufzeichnungen, Briefe, Essays, Interviews an.
"Ihre Gedichte und Tagebuchnotizen zeugen von einem starken Wunsch nach Freiheit und körperlichem Ausdruck außerhalb jeglicher Normen, was mich als Künstlerin natürlich besonders inspiriert hat.“ (Ulrike Haage).
Ulrike Haage, geb. 1957, Musikerin, Komponistin, Hörspielmacherin. lebt in Berlin. 2003 erhielt sie als erste Frau und bis dato jüngste Preisträgerin den Deutschen Jazzpreis (Albert Mangelsdorff Preis), der sie für ihr bisheriges Lebenswerk, ihre Arbeit an der Schnittstelle von Pop, Kunst und Avantgarde, auszeichnete. Für ihr Hörspiel-Gesamtwerk erhielt sie 2022 den Günter-Eich-Preis. Weitere BR-Hörspiele: Exakte Vision (2004, gemeinsam mit Ulrike Voswinckel), dingfestmachen – Nach Aufzeichnungen von Louise Bourgeois (2003), Die Stille hinter den Worten (2008), alles aber anders – 12 Miniaturen über Eva Hesse (2009)
Karen Duve: „Sisi“ (1 - 4)
Komposition: Martina Eisenreich / Maximilian Lindinger
Bearbeitung und Regie: Martin Heindel
ARD Audiothek: ab 6. Oktober 2023
Bayern 2: ab 8. Oktober 2023 jeweils sonntags 15.05 Uhr (Wh. montags 20.05 Uhr)
Mit Mavie Hörbiger, Johannes Silberschneider, Jule Ronstedt, Julia Koschitz, Axel Milberg u.v.a.
Karen Duves bis ins kleinste Detail recherchierter Roman über eine Kaiserin, die ihrer Zeit oft weit voraus war und trotzdem bis heute unterschätzt wird, als vielstimmiges und musikalisches Hörspiel zwischen Regenbogenpresse und großem Drama: Schönste Frau Europas, Kaiserin von Österreich, Königin von Ungarn und außerdem die beste Jagdreiterin ihrer Zeit: Sisi. Man glaubt alles über sie zu wissen und doch bleibt diese teilweise zwanghafte und durchaus intrigante Frau, die um Selbstbestimmung ringt – und für eine Parforcejagd auch mal Queen Victoria versetzt – faszinierend ambivalent. Erzählt werden im vierteiligen Hörspiel Episoden aus dem Leben der österreichischen Kaiserin Elisabeth in den Jahren 1876/77 aus Sicht derer, die sie umgeben
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Nach ihrer Heirat musste sich Sisi in eine streng geordnete Welt voller steifer Konventionen und langweiliger Empfänge einfügen. Nun, mit Ende 30, bricht sie auf ausgedehnten Reisen und bei wilden Reitjagden immer häufiger aus dieser Welt aus. Zunächst geht es auf Reiterferien nach England, wo nicht nur der burschikose Captain Middleton ihrem Charme erliegt. Allerdings hört der Spaß auf, als sie ihre engste Vertraute, die Hofdame Marie Gräfin Festetics an den melancholischen Prinz Ruffano zu verlieren droht.
„Bei der Adaption habe ich ganz auf eine auktoriale Instanz verzichtet und lasse das Geschehen komplett von den Figuren aus der Szene heraus erzählen — so wird die Romankonstruktion ins Akustische weitergedacht: Karen Duve hat in ihre SISI wahnsinnig viele Quellen, also Stimmen, einfließen lassen, die ich unbedingt zu Wort kommen lassen wollte.“ (Martin Heindel)
Karen Duve, geb. 1961 in Hamburg, Schriftstellerin. Werke u.a. Macht (2016); Fräulein Nettes kurzer Sommer (2018), zahlreiche Auszeichnungen u.a. Hubert-Fichte-Preis der Stadt Hamburg (2008); Carl-Amery-Literaturpreis (2019); Solothurner Literaturpreis (2019); Walter-Kempowski-Preis für biografische Literatur des Landes Niedersachsen (2023)
Andi Unger: „Marei“ (1 – 8)
Komposition: Maximilian Pongratz
Regie: Stefanie Ramb
ARD Audiothek: ab 10. November 2023
Bayern 2: ab 12. November 2023 jeweils sonntags 15.05 Uhr (Wh. montags 20.05 Uhr)
Mit Michaela May, Mira Mazumdar, Sebastian Kempf, Tim Seyfi, Florian Karlheim, Kathrin von Steinburg, Michael Lerchenberg u.a.
Hundsgemein elendig fühlt sich die Marei und außerdem betrogen. Und zwar von der eigenen Großmutter, die einfach gestorben ist, bevor Marei sich von ihr verabschieden konnte. Doch anstatt ihre Enkelin in Ruhe ein schlechtes Gewissen haben zu lassen, weil die sich jahrelang nicht hat blicken lassen, lockt die Oma sie posthum zurück in die alte Heimat, ins niederbayerische Dorf Hiesing. Und zwar, indem sie ihrer Enkelin den „Hahn“ vererbt, das Wirtshaus, die Mitte von Hiesing. Außerdem verfügt sie, dass Marei in ihre ziemlich großen Fußstapfen als Schmuserin tritt. Also belebt die Marei die Schmuserei wieder: Wie einst die Oma und die Uroma verkuppelt sie Menschen im heiratsfähigen und schon nicht mehr ganz so heiratsfähigen Alter, organisiert sich und dem Dorf damit lukrative Hochzeiten im „Hahn“ und lässt dabei auch in eigener Sache nicht allzu viel anbrennen.
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Doch wer, wie Marei, die Vergangenheit so lange hat ruhen lassen, wird irgendwann von ihr eingeholt. Und dabei spielt nicht nur die Oma eine Rolle, die ihre Enkelin von oben her zu lenken versucht, sondern auch Bürgermeister Rochus Gwandt sowie alte und neue Bekannte, die immer wieder zur Lagebesprechung im Wirtshaus zusammenkommen. So lenkt die Marei die Liebe. Und die Liebe lenkt die Marei. Nur nicht in dieselbe Richtung.
Mühelos stellen Marei, dargestellt von Mira Mazumdar, und ihre gerade verstorbene Großmutter (Michaela May) eine Standleitung zwischen Diesseits und Jenseits her: Dass der Tod zum Leben gehört, geschenkt. Genauso wie das Lachen.
Andi Unger, geb. 1977, lebt in München. Film- und Print-Journalist, Autor. Studium der Diplom-Journalistik an der Ludwig-Maximilians-Universität München und der Internationalen Beziehungen an der Georgetown University in Washington D.C. Absolvent der Deutschen Journalistenschule. Sachbuch Vergebung. Eine Spurensuche (2019). Hörspieldebüt Die Anhörerin (BR 2019)