Neuer Podcast "Rezepte des Überlebens": Eine fränkische Familiengeschichte
Im eisigen "Hungerwinter" 1946/47 starben im Nachkriegsdeutschland Hunderttausende an den Folgen von Unterernährung, europaweit waren es mehrere Millionen. Nach dem Tod ihrer Mutter erfährt BR-Journalistin Iska Schreglmann, dass auch diese als Kind damals hungern musste. Im neuen, dreiteiligen Podcast "Rezepte des Überlebens" begibt sie sich auf eine Reise zu ihren familiären Wurzeln in Mittelfranken. Alle drei Podcast-Folgen werden am 17. Januar im Podcast-Feed "radioWissen" in der ARD-Audiothek veröffentlicht. In Bayern 2 sind sie ab 21. Januar vormittags bei "Nahdran" zu hören.
Von Verwandten erfährt Iska, mit welchen Strategien sie sich nach dem Zweiten Weltkrieg in Oberdachstetten und Rothenburg ob der Tauber über Wasser hielten. Bald wird klar: Selbst heute ist unser Umgang mit dem Essen von den traumatischen Erfahrungen der Eltern und Großeltern geprägt.
Trauma der Großeltern prägt bis heute
Wie viele andere wurde auch Iska Schreglmann in den 1970er- und 80er-Jahren nach Grundsätzen erzogen, die typisch sind für eine Elterngeneration, die in ihrer eigenen Kindheit nicht genug zu essen hatte. So musste Iska stets so lange am Tisch sitzen bleiben, bis sie alles aufgegessen hatte. In vielen Alltagssituationen erlebte sie die Sorge ihre Mutter, dass die Kinder – trotz einer Fülle vorhandener Lebensmittel – zu dünn sein könnten. Gerichte mit viel Fleisch, Butter, Sahne und Zucker wurden von den Eltern geradezu zelebriert – laut einer für den Podcast interviewten Psychotherapeutin ein typisches, "traumakompensatorisches" Verhalten.
Dass traumatische Erfahrungen wie Hunger selbst an Nachkommen, die diese Situationen nicht selbst erlebt haben, vererbt werden können, ist bereits aus der epigenetischen Forschung bekannt. Gemeinsam mit den von Eltern vorgelebten und von Kindern oft übernommenen Verhaltensmustern sorgt all dies dafür, dass selbst 80 Jahre nach Kriegsende Hungererlebnisse über mehrere Generationen bis heute nachwirken.
Sauerkraut mit Lerchen
Im Podcast "Rezepte des Überlebens" spielen nicht zuletzt auch Erbstücke eine Rolle. Im Nachlass ihrer Mutter findet Iska ein uraltes Kochbuch: ein Werk über die bürgerliche Küche von 1871 mit kurios klingenden Rezepten wie "Sauerkraut mit Lerchen" oder "Krebspudding". Das alte Familien-Kochbuch entpuppt sich als kulinarisches Ideal aus besseren Zeiten, als noch Nahrungsmittel zu Verfügung standen. In der letzten Folge des Podcasts werden die Rezepte des Erbstücks mit der jüngsten Generation nach über 100 Jahren zu neuem Leben erweckt. Gemeinsam mit ihrem 25-jährigen Sohn Ben, einem Vegetarier, bereitet Iska ein Festmahl nach Art ihrer Vorfahren zu: eine Schnepfenpastete.
Rezepte des Überlebens – dreiteilige Podcast-Reihe
ARD Audiothek (im Feed von "radioWissen"):
Alle Folgen ab Freitag, 17. Januar 2025
Bayern 2: in "radioWissen" ab Dienstag, 21. Januar 2025, 9.20 Uhr
Folge 1: Meine Familie und der Hungerwinter
Folge 2: Mein Onkel und der Wald
Folge 3: Meine Vorfahren und das Kochbuch