Symphonieorchester des BR Sir Simon Rattle startet Barock-Reihe beim BRSO
Wie mag die Musik Bachs oder Händels zu Zeiten ihrer Entstehung geklungen haben? Mit Barockmusik gespielt auf historischen Instrumenten haben sich große Symphonieorchester bislang kaum beschäftigt. Chefdirigent Sir Simon Rattle geht mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks hier neue Wege und präsentiert am 9. Februar im Münchner Prinzregententheater sein Orchester und den BR-Chor in einem Projekt unter dem Titel "BRSO hip" (hip steht im Englischen auch für "historically informed performance"). Das Programm zum Auftakt umfasst drei der schönsten Kantaten von Johann Sebastian Bach.
Ein aus dem Kreis des Gesamt-Ensembles gebildete Barockformation von 30 bis 40 Musikerinnen und Musikern präsentiert beim Symphonieorchester des BR pro Saison künftig zwei Sonderkonzerte, die auf historischem Instrumentarium gespielt werden. Mit diesem für ein Symphonieorchester außergewöhnlichen Schritt vergrößert das BRSO sein Repertoire und erweitert sein Profil um neue Facetten. Das Projekt, initiiert von Chefdirigent Sir Simon Rattle, hat die Intention, das Orchester durch neue Impulse weiterzuentwickeln: die Bandbreite an Klangfarben zu erweitern und auch für das (jüngere) symphonische Repertoire weitere Ausdrucksmöglichkeiten zu gewinnen. Gleichzeitig erschließt Rattle ein Feld, das im Münchner Konzertleben bislang unterbelichtet scheint.
Rattle entdeckte sein Interesse für Alte Musik in jungen Jahren. Während der Pandemie lebte die Faszination neu auf. Mit Amtsantritt in München 2023/24 begeisterte er das Symphonieorchester des BR, sich der Herausforderung zu stellen und die Richtung gemeinsam weiterzuverfolgen.
"Als ich zum Symphonieorchester des BR kam, wurde mir noch einmal bewusst, was für eine große Tradition es hier im Bereich Neue Musik durch die musica viva gibt. Und ich dachte mir: Was könnte den Horizont dieses Ensembles erweitern? Als Kind habe ich die Bach-Interpretationen von Karl Richter gehört – was heute hart sein kann –, als Teenager viel Cembalo gespielt und im Studium mit dem Musiker und Musikforscher David Munrow einen Experten für alte Instrumente kennengelernt. Im Lockdown habe ich entdeckt, was für eine Goldmine Bachs Kantaten sind. Die neuen Erfahrungen werden letztlich auch den Klang des Gesamtorchesters verändern. Es tun sich mehr Möglichkeiten auf. Ich bin überzeugt: Wenn du nicht Bach spielst, ist Bruckner viel schwieriger. Beides wird sich gegenseitig beeinflussen. Wir stehen am Anfang einer langen, aufregenden Reise."
Sir Simon Rattle
Einige Musikerinnen und Musiker bringen aus anderen Formationen bereits Erfahrungen mit historisch informierter Aufführungspraxis mit. Andere hielten bei eigens angesetzten Workshops und Meisterklassen mit Spezialistinnen und Spezialisten zum ersten Mal Barockinstrumente in der Hand. Gemeinsam erprobte man ungewohnte Spieltechniken, etwa im Hinblick auf Artikulation, Umgang mit Darmsaiten oder Bogenhaltung bei Barockbögen. Bei den Blasinstrumenten und bei den meisten Streichinstrumenten kommen Nachbauten historischer Modelle zum Einsatz, bei den Streichern sind aber auch Originalinstrumente dabei.
"Ein historisches Instrument ist anders konstruiert, das sorgt für ein anderes Spielgefühl und eine andere klangliche Spannung. Ein besonderer Klang ergibt sich durch den Stimmton von 415 Hz. In einem Barockensemble ist die Balance zwischen Streichern und Bläsern eine ganz andere als in einem Symphonieorchester, vor allem, weil die Blasinstrumente völlig anders klingen. Die Durchsichtigkeit ist beim Ensemblespiel mit diesen Instrumenten sehr besonders. Man kann es sich etwa wie einen feinen Kupferstich vorstellen – im Unterschied zu einem fetten Ölgemälde, das ein Symphonieorchester klanglich erzeugen kann. Beide Bilder können überwältigend sein, aber sie sind mit ganz anderen Mitteln gestaltet."
Geigerin Marije Grevink
Zur Finanzierung der neuen Barockreihe beim BRSO stiftet Sir Simon Rattle auch sein Preisgeld in Höhe von 250.000 Euro aus dem Ernst von Siemens Musikpreis 2025. Eine weitere "BRSO hip"-Matinee am 16. März legt unter der Leitung von Andrea Marcon den Fokus auf italienische Barockmusik, unter anderem mit Vivaldis "Vier Jahreszeiten".
"BRSO hip" – Termine und Programme in der Saison 2024/25
Samstag, 9. Februar, 11.00 Uhr, Prinzregententheater, München
Programm
Johann Sebastian Bach "Herr, gehe nicht ins Gericht", Kantate, BWV 105
"Liebster Gott, wenn werd ich sterben", Kantate, BWV 8
"Was Gott tut, das ist wohlgetan", Kantate, BWV 99
Mitwirkende
Carolyn Sampson (Sopran), Tim Mead (Countertenor), Thomas Hobbs (Tenor), Konstantin Krimmel (Bariton)
Chor des Bayerischen Rundfunks
BRSO hip
Leitung: Sir Simon Rattle
Sonntag, 16. März, 11.00 Uhr, Prinzregententheater, München
Programm
Francesco Maria Veracini Ouvertüre Nr. 6 in g-Moll
Georg Friedrich Händel – Concerto grosso G-Dur, op. 6/1
Francesco Maria Veracini "Concerto à 8 stromenti" D-Dur
Antonio Vivaldi "Le quattro Stagioni", Violinkonzerte, op. 8/1 – 4
Mitwirkende
Chouchane Siranossian, Violine
BRSO hip
Leitung: Andrea Marcon
Karten
Das Konzert am 9. Februar ist ausverkauft, eventuelle Restkarten an der Tageskasse.
Karten für die Matinee am 16. Februar erhältlich zu 32,- bis 90,- Euro (U30-Tickets für junges Publikum 10,- Euro) bei BRticket über shop.br-ticket.de oder Tel. 0800 / 5900 594 sowie über München Ticket (muenchenticket.de oder Tel. 089 / 54 81 81 81).