Dokumentarfilm Joana und die Mächte der Finsternis
Joana ist noch ein Kind, da wird verkündet, sie sei eine "Hexe". Wie viele Kinder in Nigeria wird auch sie vom eigenen Vater verstoßen. Und sie schwebt in Lebensgefahr: Mindestens 100.000 Frauen und Kinder wurden seit 1960 in Afrika wegen Hexerei getötet. Das Bayerische Fernsehen erzählt Joanas Geschichte am Dienstag, den 22. November 2011 um 23.25 Uhr.
26. Oktober
Mittwoch, 26. Oktober 2011, 12:33 Uhr
Pressekontakt: Sandra Vogell
Sandra.Vogell@br.de
Wer Hexenverfolgung für ein mittelalterliches Phänomen hält, der irrt. Mindestens 100.000 Frauen und Kinder wurden seit 1960 in Afrika wegen Hexerei getötet. Das sind Hexen, so der afrikanische Glaube, sind Schuld an Krankheiten, persönlichem Unglück, Aids, Epidemien und ökonomischem Misserfolg. Opfer der Hexenverfolgung sind fast immer Kinder und Frauen. Angeklagt von Nachbarn oder von der eigenen Familie. Sie werden stigmatisiert, misshandelt und verstoßen.
Joana ist fast noch ein Kind, als ihr Martyrium beginnt. Gemeinsam mit ihren drei Geschwistern und den Eltern lebt sie in Benin-City, Nigeria. Die Familie gehört zur Mittelschicht des Landes, man ist wohlhabend und gebildet. Joana fühlt sich sicher - bis der Vater eines Tages einen Yu-Yu-Priester aufsucht; er will erfahren, warum seine Geschäfte plötzlich so schlecht laufen. Wie verwandelt kommt er zurück, und das geordnete Familienleben gerät völlig aus den Fugen. Joana gilt ihrem Vater fortan als "Hexe" und dieses Stigma wird sie viele Jahre nicht los. Heute lebt Joana in Österreich und kämpft mit ihrem Verein "Exit" für Frauen, die Ähnliches erlebt haben wie sie.
"Ich denke, in dieser Funktion als Fenster zur Welt kann das Fernsehen einen wichtigen Beitrag leisten zu mehr Mitgefühl und Wachheit, aber auch zu mehr Verständnis und Toleranz im Umgang mit dem Fremden und Andersartigen, mit dem wir sonst nicht in Berührung kämen."
Christel Hinrichsen, Redaktion BR
Interview mit Christel Hinrichsen, Redaktion Film als Fenster zur Welt
Eurokrise, Europa im Burn-Out - das sind die Themen die in diesem Herbst durch die Medien geistern. Ein Film über Hexerei in Afrika kommt da wirklich wie aus einer anderen Welt – wieso haben Sie gedacht: Das wollen wir erzählen?
Afrika wird in der Tat als fremder, weit entfernter Kontinent betrachtet. Entsprechend unterrepräsentiert sind Dokumentarfilme, die von dem Leben und seinen Problemen dort erzählen. Aber das, was dort passiert, hat heutzutage immer auch ein Stück mit uns zu tun. Wir weigern uns nur, das wahrzunehmen.
Joana wurde der Hexerei beschuldigt, von ihrem Vater verflucht, sie hat unwissentlich einen Menschenhändler geheiratet und hilft jetzt selbst Frauen, die Opfer moderner Sklaverei sind. Welche Seite hat Sie am meisten interessiert?
Interessant sind wohl alle Seiten dieser Geschichte. Ich persönlich wollte vor allem wissen, was es für ein Kind oder ein junges Mädchen wie Joana bedeutet, wenn ihm plötzlich, von einem Tag auf den anderen, eingeredet wird, es sei eine Hexe, eine Obanje, eine vom Wassergeist besessene Person, ausgestattet mit zerstörerischen Kräften, vor denen alle Angst haben. Unsere Recherchen haben ergeben, dass Joana kein Einzelfall und Hexenverfolgung kein Thema von gestern ist. Im Gegenteil: sie nimmt sogar zu. In Nigeria sind es vor allem Kinder, die beschuldigt werden, verhext zu sein. In Ghana sind es die Frauen. In jedem Fall sind es immer die Schwächsten in der Gesellschaft, die man für Epidemien, Unfälle, Schicksalsschläge, Hungersnöte, Krankheit, finanziellen Misserfolg u.a. verantwortlich macht. Sie, die Sündenböcke für jegliches Elend, werden verstoßen, verfolgt, geschlagen, gefoltert und getötet. Austreibungen sind an der Tagesordnung. Und es sind nicht nur die Voodoo-Priester, die damit viel Geld verdienen. Auch sogenannte christliche Pastoren haben ihre Hand mit im Spiel. Unsere Protagonistin Joana wurde von ihrem Vater verstoßen. Man schätzt, dass in Nigeria etwa 5000 Kinder ihr Schicksal teilen.
Wie kam der Kontakt zu Joana zustande?
Eine Agentur hatte mich auf das Buch "Die Wassergöttin. Wie ich den Bann des Voodoo brach" von Joana Adesuwa Reiterer aufmerksam gemacht. Ich begann darin zu lesen und konnte nicht mehr aufhören. So spannend war es. Als ich es am Ende zuklappte, konnte ich nicht glauben, dass eine einzelne junge Frau all das schon erlebt haben sollte. Ich bezweifelte das. Über die Agentur nahm ich Kontakt zu ihr auf und traf sie zweimal. Ich lernte Joana kennen: eine starke, unbeugsame Afrikanerin, die aus ihrer Erfahrung heraus zu einer enagierten Menschenrechtsaktivistin geworden war. Nach dem zweiten Treffen war ich von der Wahrheit ihrer Aussagen überzeugt. Für mich stand fest: Wir müssen ihre Geschichte erzählen und zeigen, was in Afrika passiert.
Kino als Fenster zur Welt, diese Film-Definition von André Bazin trifft auf "Joana und die Mächte der Finsternis" sehr gut zu. Hatten Sie das so von Anfang an im Kopf?
Ja, das hatte ich. Auch ich zitiere gern den Ausspruch von André Bazin. Ich denke, in dieser Funktion als Fenster zur Welt kann das Fernsehen einen wichtigen Beitrag leisten zu mehr Mitgefühl und Wachheit, aber auch zu mehr Verständnis und Toleranz im Umgang mit dem Fremden und Andersartigen, mit dem wir sonst nicht in Berührung kämen..
Was wünschen Sie dem Film?
Ich wünsche mir natürlich, dass möglichst viele Menschen diese Geschichte anschauen können, auch wenn der Film erst sehr spät am Abend ausgestrahlt wird, und hoffe, dass sie sich vom Schicksal der Protagonistin berühren lassen. Schön wäre es, wenn auch andere Sendeanstalten innerhalb der ARD den Beitrag in ihr Programm übernähmen.
Ich könnte mir vorstellen, dass viele Zuschauer nach dem Film den Impuls haben zu helfen, wie kann das aussehen?
Joana hat in Wien den Verein EXIT gegründet. Seine Arbeit besteht darin, die Öffentlichkeit in Österreich und Nigeria über Menschenhandel und Zwangsprostitution aufzuklären. Man könnte z.B. diesen Verein unterstützen. Ferner will Joana den Frauen in dem gezeigten Hexendorf im Norden von Ghana helfen. Ich denke wir werden im Internet einen entsprechenden Link zur Sendung angeben, damit die Zuschauer, die spenden wollen, sich informieren können.
"Joana und dei Mächte der Finsternis" ist ein Film von Andrea Morgenthaler, eine Produktion der Tellux Film GmbH im Auftrag des Bayerischen Rundfunks.