BR-Studio Schwaben Justizministerium wusste seit 2023 von Foltervorwürfen gegen JVA Gablingen
Im Fall der Folter-Vorwürfe gegen Beschäftigte der JVA Gablingen wusste das Bayerische Justizministerium bereits seit Oktober 2023 Bescheid. Das geht aus einem Mailverkehr hervor, der dem BR vorliegt. Das Justizministerium hat das mittlerweile bestätigt.
Die damalige Anstaltsärztin Katharina Baur schrieb an das ministeriale Fachreferat für den Justizvollzug: "Die vorherrschenden Verhältnisse in Gablingen haben mich zu einer Kündigung gezwungen, weil sie für mich nicht weiter tragbar sind. Vor allem die Verhältnisse im BgH, Besonders-gesicherter-Haftraum, sind aus meiner Sicht nicht menschenwürdig." In BgH-Zellen können Häftlinge untergebracht werden, wenn sie selbstmordgefährdet sind. Baur schrieb, die Gefangenen seien "komplett nackt", hätten kein Nachthemd und auch keine Unterhose. "Sie haben keine Matratze, kein Kissen und keine Decke zu schlafen. Die Decke und die Matratze liegen vor dem Haftraum, wenn eine Kontrolle durch den Folterausschuss erfolgt, werden diese in den Haftraum verbracht", so die Ärztin weiter.
Die Häftlinge in den speziellen Zellen würden auf nacktem Betonboden schlafen, so die Medizinerin in ihrem Schreiben weiter. Je nach Dauer der Zeit im BgH, dem besonders gesicherten Haftraum, sei es bei den Gefangenen zu Hämatomen gekommen. "Für mich sind diese Verhältnisse menschenunwürdig, nicht einmal Tiere müssen auf nacktem Betonboden schlafen", heißt es in dem Schreiben. Ein Duschen oder Waschen würde nicht stattfinden. Daher komme es je nach Dauer der BgH-Zeit "zu Ekzemen, Exanthemen und v.a. ausgeprägtem Juckreiz…".
In ihrer Zeit in der JVA habe es Wochen gegeben, wo weder sie noch ihr ärztlicher Kollege Hinweise auf Suizidgefahr bei den Häftlingen gehabt hätten, was auch vom Psychiater bescheinigt worden war. Dennoch seien die Gefangenen erst Tage später aus dem BGH entlassen worden. In den ersten 6 Wochen ihrer Tätigkeit seien drei Gefangene mit Wahnvorstellungen im BgH untergebracht gewesen. Zwei davon seien vor lauter Verzweiflung gegen die Wand gelaufen und hätten Platzwunden gehabt, ein weiterer habe es angedroht. Auch ihr Arzt-Kollege in der JVA habe in den Wochen vor ihrem Schreiben schon den Kontakt zum Ministerium gesucht, schrieb die Ärztin. Er habe bereits mehrfach versucht, die Zuständigen im Ministerium nochmals zu kontaktieren, weil er Interesse daran hatte, wie die von ihm gemeldeten Umstände dort weiterverfolgt werden.
Das Justizministerium hat dem BR das Vorliegen der Eingabe der Ärztin mittlerweile bestätigt. In einem Schreiben heißt es: "Es trifft zu, dass sich die damalige Anstaltsärztin der JVA Augsburg-Gablingen am 18. Oktober 2023 mit einer Eingabe insbesondere zu der Unterbringung von Gefangenen in den besonders gesicherten Hafträumen in der JVA Augsburg-Gablingen an die Strafvollzugsabteilung des Staatsministeriums der Justiz gewandt hat. Dies wurde sehr ernst genommen und nach interner Prüfung umgehend am 26. Oktober 2023 an die zuständige Staatsanwaltschaft Augsburg weitergeleitet, die Vorermittlungen einleitete. Die Weiterleitung an die Staatsanwaltschaft ist das schärfste Schwert zur Aufklärung solch gravierender Vorwürfe." Auch die Staatsanwaltschaft hat mittlerweile den Vorgang bestätigt.