Oktoberfestattentat Recherche: War es wirklich ein Einzeltäter?
Mehr als 30 Jahre nach dem Oktoberfestattentat belegen Recherchen des BR-Politikmagazins Kontrovers, dass Zweifel am offiziellen Ermittlungsergebnis berechtigt sind. Die Behörden gehen bis heute davon aus, dass Gundolf Köhler, ein Student mit Verbindungen zur rechtsextremen Wehrsportgruppe Hoffmann, alleine für den Anschlag verantwortlich war.
BND-Akten schüren Zweifel am offziellen Ermittlungsergebnis
Akten des Bundesnachrichtendienstes zur Wehrsportgruppe Hoffmann und dem Oktoberfestattentat, die für Kontrovers erstmalig geöffnet wurden, belegen Kontakte der Wehrsportgruppe zu italienischen Rechtsextremisten in einem Trainingslager im Libanon. Konkret heißt es in den Akten: „Zum gleichen Zeitpunkt waren im gleichen Lager italienische Rechtsextremisten. Es sei über mögliche Anschläge in der Bundesrepublik Deutschland und Italien gesprochen worden.“
Das ist so brisant, weil vermutet wird, dass Extremisnten aus diesem Trainings-Camp für den Anschlag auf den Hauptbahnhof in Bologna wenige Wochen vor dem Oktoberfestattentat verantwortlich waren. Im August 1980 starben bei diesem Anschlag in Italien 85 Menschen, mehr als zweihundert wurden verletzt. Inzwischen ist belegt, dass „Gladio“ – eine paramilitärische Geheimorganisation von NATO und CIA – in das Attentat verwickelt war. Es gibt erstaunliche Parallen zwischen den beiden Anschlägen in München und Bologna: Sie ereigneten sich innerhalb weniger Wochen, als beide Länder kurz vor Wahlen standen. In beiden Fällen standen zunächst Linksextremisten unter Verdacht, später wurden die Attentate Rechtsterroristen nachgewiesen.
Handelt es sich bei dem Anschlag von München also um eine Tat in einer ganzen Serie von Anschlägen quer durch Europa? Dann wäre die Einzeltäterthese nicht länger haltbar. Polizei und Staatsanwaltschaft haben nie in diese Richtung ermittelt, wie der damals verantwortliche Staatsanwalt Klaus Pflieger im Kontrovers-Interview einräumt: „Es ging der ganzen Welt so, dass Gladio damals noch kein Begriff war.“
BR-Journalist Ulrich Chaussy, der seit über 30 Jahren zu den Hintergründen des Oktoberfestaatentats recherchiert, kritisiert in Kontrovers: Wenn diese Erkenntnisse schon damals der ermittelnden Sonderkommission vorlagen, handle es sich in der „Parade der verpassten Gelegenheiten wieder um eine neue.“ Auch die BR-Koproduktion „Der Blinde Fleck" beschäftigt sich mit offenen Fragen rund um das Oktoberfestattentat.
Zur Veröffentlichung frei bei Quellenangabe: „BR-Politikmagazin Kontrovers“
BR-Koproduktion "Der blinde Fleck"
Pressedossier
Das Oktoberfestattentat vom 26. September 1980 ist der bisher schwerste Anschlag in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland: 13 Menschen wurden getötet und mehr als 200 zum Teil schwer verletzt. BR-Reporter Ulrich Chaussy stößt bei seinen Recherchen früh auf Ungereimtheiten. Bald beginnt er, Zweifel an den offiziellen Ermittlungsergebnissen und der Einzeltäterversion zu hegen. Die Suche nach der Wahrheit wird zu Chaussys Lebensaufgabe, die inzischen auch verfilmt wurde. Die BR-Koproduktion „Der blinde Fleck“ startet am 23. Januar in den Kinos und läuft Ende 2014 im Ersten und auf Arte.