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Das System Madeira Steuerparadies mit dem Segen der EU-Kommission

Seit 30 Jahren genehmigt die EU-Kommission extrem niedrige Steuersätze auf Madeira. Das ursprüngliche Ziel: die Wirtschaft ankurbeln. Tatsächlich profitieren internationale Großkonzerne, reiche Privatpersonen sowie Machthaber und ihr Umfeld. Arbeitsplätze entstehen kaum, anderen Ländern entgehen Steuereinnahmen in Milliardenhöhe.

Stand: 14.02.2017

Symbolbild: Geldscheinzoom mit Euro-Flagge darüber | Bild: BR

Die trimedialen Einheiten des Bayerischen Rundfunks, BR Data und BR Recherche, haben das Unternehmensregister Madeiras elektronisch durchsuchbar gemacht und erstmals systematisch ausgewertet. So kommt ans Licht, dass vom "System Madeira" die Insel kaum profitiert, denn viele Arbeitsplätze sind nur auf dem Papier entstanden. Die Analyse der Firmeneintragungen zeigt, dass bei sehr vielen Unternehmen immer dieselben Geschäftsführer auftauchen. Einer davon war in den letzten zehn Jahren sogar für 323 Firmen "zuständig".

Nutznießer

Es profitieren internationale Großkonzerne, Superreiche sowie Machthaber und ihr Umfeld. So taucht der US-Ölkonzern Chevron genauso in den Unterlagen auf wie der italienische Konkurrent eni, der Getränkehersteller Pepsi oder der russische Aluminiumgigant Rusal. Auch ein Vertrauter des verstorbenen libyschen Staatschefs Gaddafis sowie die Töchter der diktatorischen Machthaber Angolas und Äquatorialguineas sind darin genannt.

Weitere bekannte Personen, die Firmen auf Madeira gegründet haben oder mit ihnen in Verbindung stehen:
Jérôme Valcke, der frühere Generalsekretär der FIFA; Javier Mascherano, Fußballspieler des FC Barcelona (in Spanien wegen Steuerhinterziehung verurteilt); Xabi Alonso, Spieler des FC Bayern (sein Fall beschäftigt die spanische Justiz, es geht um seine Zeit bei Real Madrid); die Deutsch-Rock-Band Böhse Onkelz.

Dies ist nur eine kleine Auswahl. Zahlreiche Firmen auf Madeira tragen Fantasie-Namen. Dazu sagt der Bundesvorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft, Thomas Eigenthaler: "Ein ehrliches Unternehmen, das nichts zu verbergen hat, wird doch seinen richtigen Namen geradezu herausstellen, um die Leistungskraft zu dokumentieren und damit zu werben. Nehme ich aber einen Fantasienamen, dann will ich etwas verbergen. Das macht jeden Verwaltungspraktiker im Finanzamt misstrauisch." 

Kritik von EU-Abgeordneten

Die EU-Kommission hat die Genehmigung für die Steuersonderzone Madeira immer wieder verlängert – seit einigen Jahren zum Steuersatz von fünf Prozent. EU-Parlamentarier wie Ana Gomes (Sozialistin) oder Markus Ferber (CSU) kritisieren das deutlich: "In den über 30 Jahren ihres Bestehens hat die Sonderzone überhaupt keinen Wert für die Menschen auf Madeira geschaffen“, sagt die Portugiesin, und Markus Ferber ergänzt: „Wir können nur glaubhaft gegenüber Panama, Singapur, den Bahamas – um mal ein paar andere Steueroasen zu benennen – auftreten, wenn wir selber unsere Dinge in Ordnung haben. Aus der Schweiz hören wir immer: Ja, bringt erstmal euren eigenen Laden in Ordnung, dann könnt ihr mit uns auf Augenhöhe reden. Da schwächen wir uns selbst. Deswegen habe ich kein Verständnis, dass die Europäische Kommission das trotz Hinweisen, trotz Überprüfungsmechanismen bisher toleriert hat." 

Die Recherche zum System Madeira ist eine Kooperation von BR Data und BR Recherche. Das maschinell durchsuchbare Material hat der Bayerische Rundfunk auch Medien in anderen Ländern zur weiteren Recherche zur Verfügung gestellt. So werden Le Monde in Frankreich, La Vanguardia in Spanien und der ORF in Österreich ebenfalls ab dem 14. Februar darüber berichten. 

Datengrundlage:

Die Regionalregierung Madeiras veröffentlicht nahezu täglich das Amtsblatt Jornal Oficial da Região Autónoma da Madeira, kurz JORAM. Dort werden alle Firmeneintragungen, Änderungen der Geschäftsführung oder Umbenennungen veröffentlicht. Viele Ausgaben des JORAM liegen jedoch nur als eingescannte Dokumente vor und waren für Suchmaschinen nicht lesbar. BR Data hat rund 20.000 Seiten heruntergeladen und ein Programm geschrieben, mit dem sie systematisch durchsuchbar gemacht wurden. 

Der BR und Das Erste berichten über das Thema u.a. in folgenden Sendungen:

Dienstag, 14.02.:
B5 aktuell: Thema des Tages, 07.20 Uhr
Bayern2 Radiowelt: Wochenserie Radiowelt 1, 07.40 Uhr
BR24: Webartikel www.br.de/madeira und Podcast: www.br.de/madeira/podcast
reportMünchen, Das Erste, 21.45 Uhr

Mittwoch, 15.02.:
Bayern2 Dossier Politik, 21.00 Uhr
Kontrovers, Die Story, 21.00 Uhr

Sonntag, 19.02.:
B5 aktuell – Der Funkstreifzug, 09.15 und 12.15 Uhr

Inhalt der Pressemitteilung frei zur Verwendung bei vollständiger Quellenangabe: Bayerischer Rundfunk


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