Presse - Pressemitteilungen


2

Wie China die Welternährungsorganisation instrumentalisiert Recherche-Kooperation von BR, MDR, rbb und SWR zeigt massiven Einfluss auf die FAO

Die chinesische Führung der UN-Ernährungsorganisation FAO hat diese in den vergangenen vier Jahren umgebaut und auf chinesische Interessen zugeschnitten. Das zeigt die Dokumentation "China. Macht. Essen. – Pekings Griff nach der UN-Ernährungsorganisation". Mithilfe eines geleakten Datensatzes, interner Unterlagen, FAO-Insidern, Beobachtern und offenen Quellen zeigt der Film das Ausmaß der Einflussnahme. Die Dokumentation ist ab dem 30. Juni in der ARD Mediathek abrufbar.

Stand: 29.06.2023

Recherche zeigt: Wie China die Welternährungsorganisation instrumentalisiert | Bild: BR/ Anna Hunger

Seit 2019 stellt China mit Qu Dongyu den Generaldirektor der Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO), Anfang Juli steht seine Wiederwahl an. Ein Insider, der seit vielen Jahren in der FAO arbeitet, erhebt schwerwiegende Vorwürfe gegen die chinesische Führung: Diese instrumentalisiere die UN-Organisation für geopolitische Zwecke. 

Die Dokumentation ist das Ergebnis einer gemeinsamen Recherche von Bayerischem Rundfunk (BR), Südwestrundfunk (SWR), Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) und Mitteldeutschem Rundfunk (MDR).

Die Recherche zeichnet nach, wie China die UN-Organisation mit der Wahl des chinesischen Generaldirektors 2019 unter seine Kontrolle gebracht hat. Die damalige Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner wirft China unlautere Methoden schon während der Wahl Qus vor. Sie erinnert sich so an den Wahltag: "Es sickerte durch, bevor die Wahlgänge stattfanden, dass gerade afrikanische Staaten doch bitte ein Foto von ihrem Wahlzettel in der Wahlkabine machen sollten." Unter FAO-Beobachtern wird dies als Hinweis gedeutet, dass China mehreren Staaten Angebote für ihre Stimme unterbreitet haben könnte.

Nach seinem Amtsantritt hat Generaldirektor Qu die Organisation massiv umgebaut. So hat er etwa zentrale Abteilungen mit einflussreichen Direktoren besetzt, die zuvor Jahrzehnte im chinesischen Staatsapparat in Peking tätig waren.

FAO gab Pestizide frei, die teils in der EU wegen ihrer Toxizität verboten sind

Einer dieser Direktoren ist zuständig für den Bereich Pflanzenschutz — und damit auch für den Umgang mit Pestiziden. Unter der chinesischen Führung hat die FAO jahrelang Lieferungen umstrittener Pestizide nach Afrika, Asien und Ozeanien freigegeben. Das geht aus internen Unterlagen der UN-Organisation hervor, die BR, MDR, rbb, SWR und das ARD Studio Rom einsehen konnten. Den größten Anteil an Lieferfreigaben, die sich konkreten Produkten zuordnen ließen, hatten dabei Pestizide des chinesischen Agrochemiekonzerns Syngenta, in größerem Abstand gefolgt von Produkten der deutschen Bayer AG. Viele der von der FAO zur Lieferung freigegebenen Pestizide beinhalten Wirkstoffe, die in der EU wegen ihrer Toxizität verboten sind. Der ehemalige Direktor der zuständigen FAO-Abteilung für Pflanzenschutz, Hans Dreyer, zeigte sich über die Freigabe einer solchen Vielzahl umstrittener Pestizide "schockiert".

Die FAO schrieb auf Anfrage allgemein, man liefere keine Pestizide, die die Kriterien für hochgefährliche Pestizide erfüllen, außerdem nur solche, die im Empfängerland zugelassen seien. Fragen nach konkreten Pestizidfreigaben ließ die FAO unbeantwortet.

Projekte in Zusammenhang mit der "Neuen Seidenstraße"

Die Dreharbeiten für die Dokumentation fanden auf vier Kontinenten statt. Dabei zeigt die Recherche, dass mehrere Projekte der FAO in Verbindung mit dem globalen chinesischen Infrastrukturprojekt "One Belt, One Road" (dt. "Neue Seidenstraße") stehen. So lässt China etwa über die UN-Organisation Rinder im Nachbarland Laos impfen, einer FAO-Pressemitteilung zufolge mit dem Ziel, diese nach China zu exportieren. In einer FAO-internen Projektbeschreibung, die dem Reporterteam vorliegt, heißt es, dass das Projekt "im Einklang mit [...] der Priorität Chinas, die ‚One Belt-One Road (Silk Road)‘ regionale Handelsinitiative zu unterstützen", stehe.

Christoph Heusgen, Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz und von 2017 bis 2021 ständiger Vertreter Deutschlands bei den Vereinten Nationen, sagte: "China kommt jetzt aus Russlands Windschatten und wird selbstbewusster. Das Land will die USA als Weltmacht ablösen. Und das versucht China unter anderem über die Vereinten Nationen."

Ein FAO-Programm legt Verfolgung chinesischer Interessen nahe

Auch ein unter dem chinesischen Generaldirektor aufgelegtes "Flagship"-Programm der FAO legt die Verfolgung chinesischer Interessen nahe. Das Programm, genannt "Hand-in-Hand Initiative", will Länder und private Investoren für Projekte zusammenbringen. So wirbt die UN-Ernährungsorganisation etwa um Investitionen in den Ausbau von Häfen und Tourismus auf dem afrikanischen Inselstaat São Tomé und Príncipe oder schlägt etwa einen großen Handelsumschlagplatz für Lebensmittel am Panamakanal vor. Reporterinnen und Reporter sprachen mit nationalen und internationalen Experten über die Vorhaben – sie alle erkennen in den Investitionsbroschüren chinesische Interessen wie die Sicherung der eigenen Ernährung, einen besseren Zugriff auf Handelsmärkte oder den Ausbau der Infrastruktur auf einer strategisch interessanten Insel vor der Westküste Afrikas.

Berichte an die chinesische Botschaft

Die Recherche zeigt zudem den Einsatz chinesischer "Officer" in der FAO auf: Chinesen, die als Mitarbeiter in der FAO sitzen, deren Gehälter aber von China bezahlt werden. Auch andere Staaten bezahlen Officer aus ihren Heimatländern. Das Regime in Peking allerdings überprüft diese Officer "streng" auf ihre "politische Ideologie". Das geht aus chinesischen Ausschreibungsdokumenten hervor. Demnach müssen die Officer regelmäßig über ihre Arbeit in der FAO Bericht an die chinesische Botschaft in Rom erstatten. FAO-Mitarbeiter bezeichnen die chinesischen Officer als "Spione", sagt der Insider aus der FAO.

Die FAO ließ einen umfassenden Fragenkatalog inhaltlich unbeantwortet.

Die Reportage ist ab dem 30. Juni in der ARD Mediathek zu finden.

Die ARD berichtet am 30.6. 2023 weiter über das Thema, u.a.:
Tagesschau Podcast 11 KM
ARD Podcast "Welt.Macht.China"
außerdem in den aktuellen Sendungen im Hörfunk und im Fernsehen sowie bei tagesschau.de und BR24

Weitere Veröffentlichungen zu "China. Macht. Essen – Pekings Griff nach der UN-Ernährungsorganisation" sind in den kommenden Wochen unter anderem in den politischen Magazinen "Fakt" (MDR), "REPORT MAINZ" (SWR) und "report München" (BR) geplant. 


2