Byebye, Macho-Image Rapper reden über ihre Depressionen – endlich!
HipHop ist das Geschäft der harten Jungs, in dem absolut niemand Schwäche zeigen darf? Das war einmal. Heute stehen immer mehr Rapper zu ihren Sorgen, Ängsten und Depressionen. Gut so.
Der US-Rapper Kid Cudi hat sich vor kurzem wegen Depressionen selbst in eine Klinik eingewiesen. Im Gegensatz zu vielen anderen hat er das öffentlich gemacht und sich auf Facebook sehr ausführlich dazu geäußert. Er schreibt, dass er sich schäme und dass er nicht weiter mit einer Lüge leben könnte. Die Lüge ist, dass er allen vorgemacht hat, ihm ginge es gut - seinen Fans, aber auch seiner Familie und sich selbst. Stattdessen hatte Cudi Depressionen und Selbstmordgedanken.
Und auch früher hat er in Interviews über seine Probleme gesprochen:
"I've dealt with suicide for the past five years. There wasn't a week or a day that didn't go by where I was just like, 'You know, I wanna check out.' I know what that feels like, I know it comes from loneliness, I know it comes from not having self-worth, not loving yourself."
Kid Cudi
Cudi beschreibt Gefühle, die wahrscheinlich jeder schon mal hatte. An akuten Depressionen leiden im Moment über drei Millionen Menschen in Deutschland, wie die Deutsche Depressionshilfe erforscht hat. Allerdings ist nicht nur die Krankheit an sich ein Problem, sondern auch, dass sie oft verheimlicht wird. So auch im Rap. Während Cudi jetzt in Behandlung ist, verstecken viele andere Rapper erstmal ihre Depressionen und brauchen sehr lange, bis sie darüber reden – falls sie es denn überhaupt tun. Die vermeintliche Schwäche passt einfach nicht in das machohafte Business. Dabei sollte es völlig normal sein, auch als Rapper über so etwas zu reden.
Kid Cudi ist nicht allein
Einige Künstler haben das schon getan, zum Beispiel Kendrick Lamar in seinem Song "Mortal Man".
"As I lead this army make room for mistakes and depression. And with that being said my nigga, let me ask this question: When shit hit the fan, is you still a fan?"
Kendrick Lamar
Vergangenes Jahr sind drei von Lamars besten Freunde ermordet worden, woraufhin er sich viele Fragen über den Sinn des Lebens gestellt hatte. Diese Gedanken haben ihm dann immer mehr zugesetzt. Dabei ist er nicht der einzige, der sich mit Problemen und Depressionen auseinandersetzt.
Auch Kanye West hat 2012 im Song "Clique" über Selbstmordgedanken gesprochen.
"Went through deep depression when my momma passed. Suicide, what kinda talk is that?"
Kanye West
Dadurch ist das Thema zwar bei weitem noch nicht salonfähig im HipHop geworden, aber zumindest ist es einen großen Schritt aus dem Tabu-Bereich herausgetreten. Auf einmal konnte man im Rap über Depressionen sprechen, ohne alleine dazustehen. Kid Cudi, der an "Clique" auch mitgearbeitet hat, Drake, Tech N9ne, J.Cole oder MoTrip in Deutschland – sie alle erzählen in ihren Texten von Sorgen und Ängsten. Rap ist bei diesem Thema sensibler geworden.
Das oft auf Krawall gebürstete Auftreten vieler Rapper wird dadurch allerdings noch nicht direkt freundschaftlich, meint der deutsche Musikjournalist Falk Schacht:
"In der eigenen Gruppe hilft man sich natürlich. Aber wenn man Stress mit jemandem hat, nimmt man auf so etwas kaum Rücksicht. Das ist sehr individuell."
- Falk Schacht
Trotzdem sind Depressionen mittlerweile nicht mehr ganz so verpönt, wie noch vor einigen Jahren:
"Früher gab es mehr Leute, die gesagt haben: 'Eh, halt die Fresse, stell dich nicht so an!' Das ist heute weniger geworden. Es gibt mehr Verständnis. Nur ist das nicht allein im Rap so. Gerade so ein Fall wie Robert Enke und die breite mediale Berichterstattung darüber hat generell viel in der Gesellschaft enttabuisiert."
- Falk Schacht.
Dass diese Enttabuisierung auch den Rap erreicht hat, ist eine wichtige Entwicklung. Früher ging es Rappern in ihren Texten vor allem um Gangs, Drogen und die Frage, wer von ihnen der Härteste ist. Wer Schwäche zeigte, wurde niedergemacht. Das braucht aber niemand mehr. Depressionen dürfen niemals ein Tabu-Thema sein, nicht im Hiphop und auch nirgendwo sonst. Hartes Business und fette Punchlines – gerne. Aber wenn es einem scheiße geht, soll man bitte auch darüber reden dürfen.