Trauer nach dem Auslandssemester Warum es so schwer ist, wieder zu Hause anzukommen
Ein Auslandssemester gehört zur schönsten Zeit des Studiums. Aber irgendwann muss man wieder nach Hause. Und dann? Ist die Trauer meistens ziemlich groß. Und manchmal geht's so weit, dass man sein Leben komplett umkrempelt.
Simona aus Penzberg (Oberbayern) war während ihres Masterstudiums für ein Erasmus-Semester in Spanien. Ein halbes Jahr hat sie in Salamanca gelebt. Simona sagt, dass dieses Erasmus-Semester die wahrscheinlich beste Zeit ihres Lebens war. Vor allem, weil sie sehr viel freie Zeit hatte. Natürlich musste sie auch da etwas für die Uni tun, allerdings wesentlich weniger als in Deutschland. Und einen Nebenjob hatte Simona in Spanien ebenfalls nicht. Die Zeit hat sie genutzt, um in Spanien und Portugal umherzureisen, aber auch, um quasi jeden Tag mit ihren neuen Freunden feiern zu gehen. "Erasmus ist doch so ein bisschen wie ein Traum," sagt Simona rückblickend.
Nach dem Traum Erasmus kommt in Deutschland der emotionale Kater
Im September 2015 ging's für Simona dann wieder zurück nach Deutschland. Ihr Bruder und ein paar Freundinnen holten sie vom Flughafen ab. Aber statt Wiedersehensfreude kamen Simona erstmal die Tränen: "Mir ging es ziemlich elend. Ich fand alles ganz schrecklich: dass am Flughafen niemand Spanisch gesprochen hat, dass die Leute unfreundlich waren, dass es ein bisschen bewölkt war. Das war ich alles einfach nicht mehr gewohnt und hat mich in dem Moment ziemlich fertig gemacht." Die 25-Jährige litt am "Auslands-Blues", also an dem Gefühl, nach einem längeren Auslandsaufenthalt einfach nicht mehr richtig zu Hause anzukommen.
Auch in den Wochen danach hatte Simona Probleme, sich wieder an ihren Alltag zu gewöhnen, denn das Leben in Spanien unterscheidet sich dann doch deutlicher von dem in Deutschland, als auf den ersten Blick gedacht. Das können so offensichtliche Dinge sein wie die Sprache oder das Wetter, aber auch die ganze spanische Lebensart. "Ich fand das ganz schlimm, dass alle Leute immer um 18 oder um 19 essen wollten. Ich hatte vor 21 oder 22 Uhr noch keinen Hunger," erzählt sie. Außerdem musste Simona wieder arbeiten und die Masterarbeit stand an. Simona ist erst mal in ein tiefes Loch gefallen, war niedergeschlagen und irgendwie immer traurig.
Ein Auslands-Blues ist etwas ganz Normales
Vera Hartwig vom Studentenwerk Würzburg kennt solche Erzählungen. Sie arbeitet in der Psychotherapeutischen Beratungsstelle und sagt: So wie Simona geht es vielen, die aus dem Auslandssemester wiederkommen. Teilweise reicht übrigens sogar schon ein Urlaub aus, um einen "Auslands-Blues" zu bekommen. "Manchmal haben solche Erinnerungen etwas bittersüßes. Die Auslandserfahrung ist etwas wahnsinnig schönes, was einen auch weiter gebracht hat im Leben. Deswegen darf man ja auch ein bisschen traurig sein, dass es jetzt vorbei ist. Viele sehen den Zusammenhang nicht und denken dann: 'Ja, ich muss doch auch sofort wieder glücklich sein,'" sagt Psychotherapeutin Vera Hartwig und erklärt, dass man eben nicht direkt wieder alles zu Hause super cool finden muss. Traurig sein und das Vergangene vermissen, wenn etwas schönes zu Ende geht, ist eine ganz normale menschliche Reaktion.
Wenn man sich allerdings extrem zurückzieht, gar nicht mehr hochkommt und nur noch im Bett liegt, gibt's meistens noch ein anderes Problem, sagt Vera Hartwig. Das kann sich dann sogar zu einer "Post-Erasmus-Depression" ausweiten und dann braucht man wirklich professionelle Hilfe.
Alte Freundschaften helfen, wieder nach Hause zu kommen
Allen anderen, die "nur" Fernweh haben, rät Hartwig "einerseits wieder zu versuchen, sich hier wirklich wohler zu fühlen. Was dabei helfen kann, ist, mit Freunden zu sprechen und rauszugehen, viel zu unternehmen. Andererseits sollte man immer mal wieder versuchen, auch hier an der Uni für sich selbst weniger Druck aufzubauen und zufriedener mit sich und seinen Leistungen zu sein."
Das größte Probelm für Simona war allerdings nicht der Druck in der Uni, sondern dass sie nicht wusste, ob und wann sie ihre Erasmus-Clique wiedersieht. Auch die Leute hier haben sich in der Zwischenzeit verändert. Sie sagt zwar, dass es keine besseren und schlechteren Freunde gibt. Zuhause ankommen wurde aber trotzdem nicht einfacher.
Zu wenig Hilfe von der heimischen Uni
Sie hätte sich da auch mehr Hilfe von ihrer Uni, der LMU in München, gewünscht: "Ich denke, dass die Uni etwas organisieren könnte, um sich zumindest auszutauschen. Vor dem Erasmus-Semester kriegt man ja interkulturelles Training und was weiß ich. Und danach kommt gar nichts mehr von der Uni. Das ist eigentlich nicht gut." An der FAU Nürnberg-Erlangen soll eine Facebook-Gruppe helfen, in der alle Mitglied sind, die ins Ausland gehen oder gerade wiederkommen. Aber auch dort gibt es kein Angebot, das von der Uni organisiert wird und das extra auf "Heimkommer" ausgerichtet ist.
Simona hilft sich selbst, sie hält Kontakt mit ihren neuen Freunden aus dem Erasmus. Zwei Freundinnen aus England und den Niederlanden waren schon bei ihr zu Besuch. Jetzt, nach ihrem Master, ist sie erst mal nach Australien gefahren - um noch mal wegzukommen, etwas Neues zu erleben - und, um einen Freund aus dem Auslandssemester wiederzusehen. Den Blues hat Simona aber noch immer nicht überwunden. Sie sagt: Wenn sie aus Australien zurückkommt, wird es sie nicht in Deutschland halten. Sie will wieder zurück nach Spanien ziehen.