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Plattenkritik Credibil - Renæssance

Hype hatte Credibil mit seinen Mixtapes mehr als genug. Mit dem Debütalbum "Renæssance" muss er jetzt beweisen, ob mehr in ihm steckt als trending topic und Like-Futter für die Timelines. Dafür wählt er einen ungewöhnlichen Ansatz.

Von: Philipp Laier

Stand: 26.10.2015 | Archiv

Credibil - Rennaessance | Bild: Mikis Fontagnier

Diese Rezension erzählt die Geschichte von einem, der sich selbst geboren hat. Und wie jede gute Geschichte, braucht auch diese einen…

... Prolog

2012 lädt ein junger Mann aus Frankfurt drei Videos bei Youtube hoch:

Schwarzer Hintergrund. Schwarzer Hoodie. Schwarze Schatten im Gesicht. Ohne Beat, aber mit vollem Körpereinsatz trägt er drei Texte vor. Mit Wut im Bauch und einer tiefen Sorgenfalte auf der Stirn erklärt da einer woher kommt, wo er steht und wohin er will. Auf der Bildfläche des deutschen HipHop erscheint Credibil streng genommen mit Spoken Word, nicht mit Rap. Außergewöhnlich. Und einen außergewöhnlich großen Verehrer hat er auch: Kool Savas aka der King of Rap zollt Credibil von Anfang an Respekt und setzt ihm damit eine Krone aus Vorschusslorbeeren auf, die schwerer kaum wiegen könnte. Und genau an diesem Punkt setzt Credibils Debütalbum "Renæssance" jetzt an.

Der erste Akt: Stroboskop versus Spotlight

Die große Klammer um "Renæssance" bilden zwei Ausschnitte aus einem Handyvideo, in dem Savas Credibil zu sich auf die Bühne holt. Dazwischen fährt der in 16 Tracks seinen ganz eigenen Film bzw. sein eigenes Theaterstück. Denn nicht nur mit der Unterteilung in drei Akte, die jeweils mit einem "Akt Apella" beendet werden, zeigt Credibil, dass er dramatische Formen mag. In Tracks wie "Toter Winkel" erzählt Credibil Geschichten, die das Leben in seiner Welt schreibt. Geschichten von den Jungs aus dem Viertel. Geschichten, die in Erinnerung rufen, dass es da eine Welt gibt, die man gerne vergisst. Geschichten, die melancholisch und ohne zu romantisieren vorgetragen werden. Im Track "Bang Bang" erzählt Credibil, die wahre Geschichte von Christy Schwundeck, die 2011 unter fragwürdigen Umständen im Jobcenter im Frankfurter Problemviertel Gallus erschossen wird. Im Song wird parallel dazu dieselbe Geschichte aus der Perspektive einer Polizistin mit dem bedeutungsschwangeren Namen Justizia erzählt – ein fast schon filmischer Ansatz. Mit seinen Songs knipst Credibil die Neonröhre an und leuchtet in die dunklen Ecken und toten Winkel. Mal sieht man im flackernden Stroboskop nur Bruchstücke aus Hunderten Biografien, dann wieder stehen einzelne Schicksale im grellen "Spotleid".

Der zweite Akt: Rap versus Theater

Credibil hat eben Lust Geschichten zu erzählen – ganz egal, ob es eine Anekdote ist, die man sich im Viertel zuraunt oder eine Story aus der Zeitung. Am Ende jedes Songs tritt Credibil für einen kurzen Moment aus seiner Rolle als Rapper heraus und wird zum Erzähler in seiner eigenen Aufführung. Ein Kunstgriff, den Brecht mit seinem epischen Theater erfunden hat. Der Erzähler spricht direkt zum Publikum, stellt Figuren vor, ordnet das Geschehen ein, kommentiert es und distanziert sich selbst davon – smarter Move!

Der dritte Akt: Form versus Inhalt

"Renæssance" ist also ein Konzeptalbum. Jede Zeile sitzt da, wo sie hingehört, jeder Track steht an einer genau vorherbestimmten Position und bereits nach dem ersten Hördurchlauf ahnt man, dass Credibil mit diesem Album ein hochkomplexes Gesamtkunstwerk erschaffen hat, in dem man auch beim Hundertsten Hören noch neue Verbindungen, Metaebenen und Querverweise entdecken kann.

Epilog

Mit "Renaessance" hat Credibil die Vorschusslorbeeren abgelegt, ein Album in Beats gemeißelt und sich selbst ein Denkmal gesetzt, an dem sich sein weiteres Schaffen messen lassen muss. Und zwar bis in alle Ewigkeit.


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