Mein Leben mit Rami // Teil 12 Papierkram
Rami ist aus Syrien geflohen und wohnt momentan bei BAYERN 3 PULS Moderatorin Diane Hielscher. Hier berichten sie über ihr Leben. Diesmal ein urdeutsches Thema: Anträge ausfüllen.
Wir stehen in der Schlange beim Jobcenter, es ist voll. Rami hat mich mitgenommen, weil er am Vortag weg geschickt wurde.
"Beim ersten Mal haben sie mir gesagt, ich solle gehen und jemanden mitbringen, der Deutsch kann. Obwohl der Mann am Tresen Englisch spricht, hat er mir gesagt, dass es sein kann, dass die Sachbearbeiterin nicht Englisch spricht. In Syrien sprechen die Menschen natürlich auch kein Deutsch oder Englisch. Ich werde das schon schaffen und Deutsch lernen."
Rami
Jetzt, wo Rami seine Aufenthaltsgenehmigung hat, muss er seine Unterlagen vom Lageso zum Jobcenter bringen, weil sich die Zuständigkeiten ändern. Genau deswegen stehen wir jetzt also hier. Ich habe nicht gefrühstückt und weiß gar nicht so recht, wozu ich überhaupt gebraucht werde. Er will ja nur einen Antrag abgeben, um die Grundsicherung zu bekommen. Aber irgendwas bei Anträgen fehlt ja immer, selbst wenn man denkt, man hat an alles gedacht. Bei mir zumindest.
Wir sind an der Reihe. Der Mann schaut Ramis Stapel Papier durch. Ich warte gespannt. Dann bespricht er sich mit seinem Kollegen. Ich verstehe kein Wort von dem, was sie sagen und ich bin der deutschen Sprache mächtig. "Das können sie jetzt in den grünen Briefkasten werfen" sagt er schließlich und gibt mir Ramis vorläufigen Pass, anstatt ihn Rami selbst zu geben.
"Was, wieso? Ich sollte doch extra heute mitkommen...?" Ich verstehe immer noch nichts. "Ich habe den Antrag geprüft und es fehlt nichts. Sie hören dann von uns." "Aber gestern wurde Rami weg geschickt, weil er kein Deutsch kann und heute sollen wir den Antrag einfach in den Briefkasten werfen?!" "Ja, wir sind unterbesetzt heute, das Wartezimmer quillt über und wir können den Antrag ja jetzt bearbeiten, ich habe einen Eingangsstempel drauf gemacht."
Ich verstehe die Vorgänge nicht und fühle mich ein bisschen verarscht. Wie muss es wohl all den vielen Menschen gehen, die kein Deutsch verstehen und ständig Zettel von A nach B tragen müssen, Stempel holen, Schlange stehen, Wartenummern ziehen.
"Jetzt muss ich warten. Ich warte auf meinen Pass, damit ich zu meiner Familie nach Ankara ausreisen darf. Ich warte auf Post vom Jobcenter und dann warten wir alle auf das Visum für meine Familie. Und dann kann ich endlich ein neues Leben starten. Ich will nicht rumsitzen und nichts tun."
Rami
Aber es gibt keine Alternative zum Warten. Es sieht nicht so aus, als würde sich in Syrien irgendwas ändern. Auf dem Heimweg fragt Rami mich, ob ich von der UN-Resolution zu Syrien gehört habe, die alle Kriegsparteien zum Waffenstillstand auffordert. Ja, natürlich, ich habe.
"Und, glaubst Du, die UN-Resolution wird etwas ändern, wird es einen Waffenstillstand geben?" frage ich. "Nein." Er schüttelt verächtlich den Kopf.
Alle Folgen:
- Der Auszug []
- Papierkram []
- Wer nichts zu verlieren hat, hat keine Angst mehr []
- Weihnachten mit Würstchen und Kartoffelsalat []
- Wut und Entschuldigungen []
- Was macht ein Flüchtling den ganzen Tag? []
- "Ich hoffe, der Krieg zieht nicht mit den Flüchtlingen hierher" []
- Wenn Helfer Hilfe brauchen []
- Da sind sie, die Anwohnerbeschwerden []
- "Ich bin überzeugt, dass wir alle in den Himmel kommen" []