Jetzt 3WW alt-J

Info Alt-j veröffentlichen mit "3WW" den ersten Song von ihrem 2017er Album "Relax". Für "3WW" haben sie sich noch die Stimme von Ellie Rowsell (Wolf Alice) ausgeliehen und werden mit dem Sound dem Titel ihres Albums mehr als gerecht.

Mein Leben mit Rami // Teil 3 "Ich bin überzeugt, dass wir alle in den Himmel kommen"

PULS-Moderatorin Diane Hielscher und ihre Familie haben einen neuen Mitbewohner: Rami aus Syrien. Der kocht gerne und viel. Dabei erzählt er von dem Syrien, das er verlassen hat - und macht Diane ein Geständnis.

Von: Diane Hielscher

Stand: 30.11.2015 | Archiv

Diane und Rami | Bild: Moritz H'lawatscheck

Rami kocht. Viel, oft und gerne. Er macht Nudeln mit Öl und Knoblauch, weiße Bohnen in Sesamsauce und Öl, Hackfleisch mit Kartoffeln in Öl, leckeren Salat mit Zitrone und Öl oder Reis mit Gemüse an Öl. Irgendwann traut sich mein Freund endlich zu sagen, dass er so viel Öl gar nicht richtig mag. Mittlerweile ist Öl in unserem Haushalt ein running Gag geworden. Rami erzählt mir, dass seine Frau sehr schlank ist. Ich: "Trotz des vielen Öls?" Rami lacht.

"Zuhause koche ich am Wochenende für meine Familie. Was mich wirklich überrascht hat: Dass die Deutschen, vielleicht auch speziell die Familie, in der ich lebe, immer alles in Wasser kochen. Das mag ich nicht so gerne. Wir braten vieles in Öl und wir nehmen viel mehr Gewürze. Mir schmeckt es so am besten."

Rami

Diane und Rami | Bild: Moritz H'lawatscheck zum Artikel Mitbewohner aus Syrien Mein Leben mit Rami

PULS Moderatorin Diane Hielscher hat einen neuen Mitbewohner: Rami, 38, aus Syrien. Hier stellen beide sich vor und erzählen, wie Rami in Dianes Wohnung gelandet ist. [mehr]

Eines Abends macht Rami heiße Sandwiches, er füllt arabisches Brot mit Fetakäse, Tomaten und scharfer Sauce. Für meinen Freund mit sehr wenig Öl, sagt Rami. Und dann kippt er trotzdem einen langen nicht enden wollenden Strahl Olivenöl ins Brot. Wir lachen. "DAS ist WENIG Öl?" frage ich. Jetzt lächelt Rami unsicher. Ich glaube, er findet uns hysterisch.

Nach dem Essen treffen wir uns im Wohnzimmer. Ich nehme die Wäsche vom Ständer, Rami chattet mit seiner Frau Hadeel in Aleppo und erzählt mir Geschichten aus dem Syrien, das er verlassen hat. Es gibt dort oft Straßensperren und niemand weiß, wer sie errichtet hat: der IS, die Rebellen oder Assads Männer. Rami ist auf keiner Seite, er ist auf der Seite des Lebens, auf der Seite seiner Familie. Er will einfach nur, dass alle seine Lieben überleben, mehr nicht. Einmal ist er in eine Sperre geraten.

"Uniformierte Männer betraten den Bus und schauten sich um. 'DU!' sagte einer von ihnen und zeigte auf mich, 'Komm mit!' Wir stiegen aus. Ich wusste nicht, mit wem ich  es zu tun hatte, ich wusste nicht, ob ich gleich tot sein würde oder was ich antworten müsste, um zu überleben. 'Wie betest Du?' fragte der bewaffnete Mann. Ich beschrieb mein Ritual, Hände, Füße und Gesicht waschen, alles ganz genau. «Das ist falsch!» schrie der Mann. Ich dachte: Jetzt bin ich tot. Einer der Rebellen brüllte mich an, ich solle meinen Kopf vor dem Gebet anders waschen, als ich es ihm gezeigt hatte. Ich habe ihm versichert, das würde ich ab jetzt immer tun, und durfte gehen."

Rami

Hier in unserem Wohnzimmer klingt diese Geschichte so schrecklich absurd, dass ich heulen könnte. Vor mir liegen vier Stapel Wäsche, jedes Familienmitglied hat einen. Rami wäscht seine Wäsche selbst, das hat sich einfach so ergeben. Und dann muss Rami mir etwas gestehen, er zögert, seine Stimme wird leiser, er beugt sich ein Stück vor, als wenn es sonst die Nachbarn hören könnten.

"Zuerst war es für mich sehr seltsam, mit Menschen zusammenzuleben, die nicht beten, die nicht an Gott glauben. Nur zuerst. Heute glaube ich, dass sie sicher ins Paradies kommen. Es geht nicht um die Religion, und mein Gott ist barmherzig, und Diane und ihre Familie haben ein gutes Herz. Vielleicht ändere ich mal alle meine Vorstellungen von Himmel, Hölle und dem Jüngsten Tag, aber jetzt gerade bin ich überzeugt, dass wir alle in den Himmel kommen. Das hoffe ich sehr."

Rami

Ich bin gerührt und weiß nicht, was ich sagen soll, ich lächle stumm. Am nächsten Tag sprechen wir wieder übers Essen, ein wichtiges Thema unseres Zusammenlebens. Denn mein Freund will seinen Fleischkonsum einschränken und nur noch am Wochenende Fleisch essen. "Aber warum?" fragt Rami und schaut mich verständnislos an. Ich sage zuerst: "Naja, weil die Tiere so schrecklich getötet werden." Dann überlege ich, wie ich industrialisierte Massentierhaltung und ihren schädlichen Einfluss auf den Treibhauseffekt am besten auf Englisch erkläre. Aber egal, wie ich es versuche: Rami versteht mich nicht.

"Warum isst Dianes Freund kein Fleisch? Das ist in ganz vielen Gerichten von uns. Er will es aber nicht essen, obwohl er gar kein Vegetarier ist. Ich weiß nicht, warum die beiden darauf bestehen, vegetarisch zu kochen und auf ihre Art zu kochen. Aber es macht Spaß, unsere gemeinsame Küche zu verändern. Es ist super."

Rami

Dass wir nicht an Gott glauben, ist mittlerweile okay für Rami. Dass wir unser Fleisch und Gemüse aber nicht in Öl baden - das ist völlig unbegreiflich für ihn.