Kommentar zu de Maizière Kann mir mal jemand verraten, wo das alles hinführen soll?
Unser Innenminister glaubt, dass in Deutschland in punkto Sicherheit noch Luft nach oben ist. Er hat auch gleich ein paar Vorschläge parat: Hilfssheriffs einführen, Nachbarn denunzieren, noch mehr Kameras aufstellen. Geht's noch?!
Terrorangst, randalierende Hooligans und immer mehr Einbrüche – wie sicher leben wir eigentlich in Deutschland? Seit Mittwoch werden bei der Innenministerkonferenz im Saarland genau diese Punkte diskutiert. Hört man sich die Vorschläge an, die Innenminister Thomas de Maizière (CDU) kürzlich rausgehauen hat, könnte man meinen, dass Deutschland im Ranking der unsichersten Staaten der Welt gleich auf Platz zwei hinter Somalia liegt.
Wenige Tage nach dem Massaker in Orlando, das womöglich einen islamistischen Hintergrund hatte, appelliert er in einem Interview an den Wachhund in uns allen: Weil die Gefahr von Terroranschlägen auch in Deutschland nach wie vor hoch sei, sollten wir doch noch mehr darauf achten, ob unsere Freunde, Familienmitglieder oder Nachbarn womöglich gerade zu Dschihadisten mutieren. Ach ja, und falls wir einen Verdacht haben, sollten wir bitte nicht vergessen, das auch der Polizei zu erzählen.
Weil es in Frankreich bei der Fuball-EM gerade Randale von Hooligans gibt und die Behörden diese einfach nicht in den Griff bekommen, will de Maizière auch bei uns in Deutschland dringend noch mehr Überwachungskameras an öffentlichen Plätzen. Die sollen übrigens auch ein Heilmittel gegen die vielen Einbrüche sein: Kamera an Kreuzungen oder in Einfamilienhaussiedlungen installiert - zack, fertig, alles safe.
Wachpolizisten als Hilfssheriffs sollen Flüchtlingsheime schützen
A propos Einbrecherbanden: In Sachsen gibt es ja sogenannte Wachpolizisten. Das sind Leute, die bei der normalen Polizei den Aufnahmetest nicht gepackt haben. Die haben dann in zwölf Wochen die abgespeckte Version der Polizeiausbildung durchlaufen und dürfen jetzt in Uniform und mit Pistole im Anschlag Flüchtlingsunterkünfte bewachen.
Die findet Innenminister de Maizière auch sonst ziemlich nützlich, so als Hilfssheriffs. Denn sie sollen in Wohnvierteln, auf die es Einbrecher besonders abgesehen haben, der unterbesetzten Polizei unter die Arme greifen und auf Patrouille gehen. So, jetzt erstmal tief durchatmen. Und dann die ganz ernst gemeinte Frage: Kann mir mal jemand verraten, wo das alles hinführen soll?
Fangen wir doch mal mit Granatenvorschlag Nummer eins an. Realistisch betrachtet führt doch de Maizières Appell für mehr Wachsamkeit zum einen dazu, dass wir alle paranoid werden und zum anderen zu Denunziantentum. Der muslimische Nachbar von nebenan, der immer so megalaut arabische Musik hört… ist dessen Bart in den letzten Wochen nicht verdächtig lang geworden? Da sollte besser mal das SEK genauer hingucken, ob der nicht heimlich an einer Bombe bastelt.
Videokameras sollen Einbrecher abschrecken
Dann der Vorschlag, noch mehr Videokameras aufzustellen und so das Big-Brother-Überwachungssystem noch weiter auszubauen. Gewinnt man durch die Aufgabe unserer Anonymität tatsächlich mehr Sicherheit? Die wenigen wissenschaftlichen Studien, die es zu dem Thema gibt, konnten den erhofften Effekt jedenfalls nicht belegen.
Und dann der "zukunftsweisende" Vorschlag, Wachpolizisten aka Hilfssherriffs gegen Wohnungseinbrüche einzusetzen. Mal ganz nüchtern betrachtet: Zahlen des Statistischen Bundesamtes zufolge sind seit 1998 in Deutschland über 6.000 Stellen bei der Polizei gestrichen worden. Gleichzeitig muss die Polizei immer mehr Aufgaben bewältigen, allein Bayerns Polizisten haben im letzten Jahr rund zwei Millionen Überstunden gesammelt. Wäre es da nicht viel sinnvoller, Geld in Polizei-Profis zu investieren, anstatt schlecht ausgebildete Möchtegern-Gesetzeshüter durchs Wohngebiet spazieren zu lassen, die auch noch Waffen tragen dürfen?
Ich weiß nicht, wie es euch geht. Aber de Maizières Ideen sorgen bei mir eher für mehr Unbehagen, als für ein größeres Gefühl von Sicherheit. Wir sollten uns sehr gut überlegen, welche Freiheiten wir für eine vermeintlich sicherere Gesellschaft opfern wollen.