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Antibiotika Antibiotika - richtig verordnet und eingenommen ein Segen

Antibiotika haben ein schlechtes Image. Das kommt hauptsachlich daher, dass die hochwirksamen Medikamente zu sorglos eingesetzt wurden und immer noch werden. Die Zahl der antibiotikaresistenten Keime ist deshalb stark angestiegen. Was ist also zu beachten?

Von: Johannes von Creytz

Stand: 06.08.2024 |Bildnachweis

MRSA-Keime sind in einer Petrischale zu sehen. Die weißen Plättchen geben verschiedene Antibiotika ab, von denen einige die Keime im Umkreis absterben lassen. | Bild: picture-alliance/dpa

Ob bei Landwirten, bei Ärzten, oder Patienten - das Bewusstsein, dass Antibiotika nicht nur Wirkungen und Nebenwirkungen auf aktuelle Patienten haben, sondern auch die Gesundheit zukünftiger Empfänger bedrohen können, setzt sich nur langsam durch.

Expertin:

Dr. med. Béatrice Grabein, Fachärztin für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie. Leiterin der Abteilung Klinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene am Klinikum der LMU München | Bild: LMU München

Dr. med. Béatrice Grabein, Fachärztin für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie. Leiterin der Abteilung Klinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene am LMU Klinikum München

Bei schweren, durch Bakterien verursachten Infektionen von Organen ist der Einsatz von Antibiotika häufig das einzige Mittel zur Heilung. Ärzte wägen ab zwischen möglichen Nebenwirkungen der Antibiotika und drohenden Folgeschäden aus einer Infektion. Diese drohen besonders, wenn die Hirnhaut, Herzklappen oder andere Regionen lebenswichtiger Organe betroffen sind. Dasselbe gilt für Blutvergiftungen, weil sie systemisch den gesamten Kreislauf angreifen können. Körpereigene Heilungskräfte sind gegen derartige Infektionen häufig machtlos. Teils, weil die Bakterien sich schneller vermehren, als Immunzellen produziert werden können und teils weil das Immunsystem durch chronische Erkrankungen, Medikamente oder ein hohes Lebensalter geschwächt ist.

Der Text beruht auf einem Interview mit Dr. med. Béatrice Grabein, Fachärztin für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie. Leiterin der Abteilung Klinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene am LMU Klinikum München

Antibiotika sind hochwirksame Medikamente, die dazu beigetragen haben, dass viele Infektionen, die früher potentiell tödlich waren, geheilt werden können. Die Kehrseite der Erfolgsgeschichte ist aber, dass sie damit vielerorts als Allheilmittel gesehen und zu häufig eingesetzt werden, was dazu führt, dass resistente Bakterien entstehen und sich verbreiten können.

Antibiotika sind ausschließlich gegen Bakterien wirksam. Das bedeutet: Bei rund 90 Prozent aller Erkältungskrankheiten können sie nichts ausrichten. Diese werden nämlich hauptsächlich von Viren verursacht.

Nur in Ausnahmefällen werden von Viren angegriffene Schleimhäute zusätzlich auch von schädlichen Bakterien besiedelt und geschädigt. Etwa weil die Funktion der Flimmerhärchen an den oberen Schleimhautzellen durch den Virenbefall so eingeschränkt ist, dass schädliche Bakterien nicht mehr raus befördert werden. Hier droht eine sogenannte "Superinfektion". "Super" steht in diesem Fall für die lateinische Übersetzung des Wortes "über". Es kommt also zu einer Infektion durch Bakterien „über“ der Virusinfektion. Die Aufgabe von Antibiotika bei Erkältungskrankheiten ist daher meist, Superinfektionen zu behandeln.

Abwägen - wann kann auf Antibiotika verzichtet werden?

Der Einsatz von alternativen Medikamenten, Naturheilmitteln oder das Vertrauen auf körpereigene Selbstheilungskräfte ist nicht nur eine Frage der Infektionsursache. Ein Verzicht auf Antibiotika sollte, genauso wie der Einsatz, immer mit Arzt oder Ärztin besprochen werden. Das Für und Wider von Antibiotika ist ein Abwägen zwischen einer ganzen Reihe von Faktoren.

"In vielen Fällen kann man die Wirkung der Selbstheilungskräfte abwarten und nur symptomatisch therapieren. Also durch Bettruhe, durch Anwendung von Wärme, reichlich Flüssigkeit und solchen Dingen. Wenn aber eine schwere Infektion vorliegt, hilft das Antibiotikum sicherlich, die Krankheit schneller und vielleicht auch mit weniger Spätfolgen zu überwinden."

Dr. med. Béatrice Grabein

Schnelltests gegen unnötige Verschreibungen

Im Zweifel können Arztpraxen testen, ob eher eine Virusinfektion oder eine bakterielle Infektion vorliegt. Schnelltests für den quantitativen Nachweis des C-reaktiven Proteins (CRP), wie sie zum Beispiel in Holland vorgeschrieben sind, bevor Ärzte dort ein Antibiotikum verschreiben dürfen, werden in Deutschland inzwischen auch von einigen Kassen bezahlt.

Werden die Tests jedoch in einem Labor durchgeführt, kann es ein bis zwei Tage dauern, bis das Ergebnis vorliegt. Häufig werden Rezepte für Antibiotika hierzulande  immer noch auf Verdacht ausgestellt. Entweder, weil bei der Schwere der Erkrankung nicht auf das Laborergebnis gewartet werden kann, oder bei leichteren Infektionen, damit Patienten sich nach Bekanntwerden den erneuten Weg in die Praxis sparen, und direkt zur Apotheke gehen können.

Test mit dem Mikroskop ist ungeeignet

Eine Untersuchung mit dem Mikroskop, das ja in jeder Hausarztpraxis vorhanden ist, hilft bei der Bestimmung entzündungsauslösender Bakterien nicht. Erstens ähneln sich verschiedene Erreger im mikroskopischen Bild viel zu sehr und außerdem bedeutet ein bloßes Vorhandensein nicht, dass sie auch Auslöser der Erkrankung sind.

"Wir haben ja ein üppiges Mikrobiom, von dem wir besiedelt sind. Und diese Bakterien stellen sich im Mikroskop alle dar. Wenn ich jetzt bei einem Patienten, der eine Mandelentzündung hat, einen Rachen-Abstrich mache und lege den unter das Mikroskop, dann sehe ich da ganz viele Bakterien. Aber ich kann nicht erkennen, welches von denen jetzt die eitrige Angina verursacht hat. Es gibt aber zum Beispiel bei der eitrigen Angina Schelltests für die Praxis, die nachweisen können, ob es sich bei den Erregern um A-Streptokokken handelt oder nicht."

Dr. med. Béatrice Grabein