Warum spricht niemand darüber? Bordelle in Konzentrationslagern
Bordelle für KZ-Häftlinge passen nicht in unser Geschichtsbild. Sie passen auch nicht zu den Fotos von ausgemergelten Körpern, von Menschen, die ums Überleben kämpfen. Und doch gab es in zehn Konzentrationslagern der Nazis Bordelle für Häftlinge.
Die Arbeitsleistung der KZ-Insassen lag rund drei Viertel unter der von gesunden Arbeitern. Die Industrieunternehmen beschwerten sich darüber bei Heinrich Himmler, der unter anderem auch für die Konzentrationslager verantwortlich war.
1942 eröffnete das erste Bordell im KZ Mauthausen nahe dem österreichischen Linz. Es folgten weitere Lager, wie Auschwitz (inklusive dreier Außenlager), Flossenbürg, Buchenwald, Neuengamme, Sachsenhausen, Dachau und Mittelbau Dora.
Bordelle im KZ: Die Zwangs-Prostituierten
Die Frauen, die sich in den Lager-Bordellen prostituieren mussten, kamen aus dem Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück, wo unvorstellbar grausame Zustände herrschten. Fast ein Fünftel der 120.000 Frauen überlebte die Haftzeit nicht. Anfangs meldeten sich einige Frauen freiwillig für das 'Sonderkommando' Lager-Bordell, weil sie dieser Hölle entkommen wollten. Die SS-Bewacher versprachen ihnen, dass sie nach einem halben Jahr dort freikämen. Eine dreiste Lüge, die sich schnell unter den Frauen herumsprach, als die ersten aus den Bordellen in die Lager zurückkehrten. Später wurden die Frauen dann für die Bordelle zwangsrekrutiert.
Insgesamt 214 weibliche Gefangene waren in den zehn Lager-Bordellen tätig. Nachdem man sie dafür ausgesucht hatte, wurden sie 'aufgepeppelt'. Sie bekamen genügend zu essen, durften sich pflegen und wurden mit Höhensonne bestrahlt, damit ihre Gesichter etwas Farbe bekamen. Die Bordellbaracken lagen meist etwas versteckt am Rande der KZ-Gelände, manche waren von einem hohen Bretterzaun umgeben. Dennoch wussten alle Insassen im Handumdrehen, dass es sie gab.
"Diese verfluchten zwei Stunden": Die 'Arbeit' im Bordell
Bis abends die männlichen Häftlinge kamen, verbrachten die Frauen den Tag mit Hausarbeit, Näharbeiten oder Lesen. Selten kamen sie an die Luft, denn auf dem Gelände durften sie sich nur mit strenger Bewachung bewegen.
Frau W., die im Juli 1943 ins KZ-Bordell Buchenwald kam, berichtete in einem Interview von "diesen verfluchten zwei Stunden am Abend". Für jeden Bordellbesuch gab es 15 Minuten Zeit, danach klopften die SS-Aufseher an der Tür. Durch einen Spion konnten sie ohnehin jederzeit hineinsehen. Für Frau W. war das Ganze so entwürdigend, dass sie sich die Pulsadern aufschnitt, um so ihrem Leben ein Ende zu setzen. Doch der Suizidversuch misslang und sie kam für zwei Wochen in den Bunker. Sie habe überlebt, sagte sie 1990 in einem Interview, "aber wie?" Kurz darauf starb sie.
Alle 214 Zwangs-Prostituierten aus den Lagerbordellen erlebten die Befreiung durch die Alliierten, das hat der Historiker Robert Sommer aus Berlin recherchiert.
Bordelle im KZ: Häftlinge als Freier
KZ-Insassen, die Frauen für Sex bezahlen, das klingt wie ein schlechter Witz. Ist es aber nicht. Ein ausgeklügeltes Prämiensystem für sogenannte Funktionshäftlinge, die Kapos oder Lagerältesten, sollte sie motivieren, noch mehr mit der SS-Lagerleitung zu kooperieren. Diese Funktionshäftlinge waren in der Regel politische Häftlinge oder solche, die als Kriminelle eingestuft waren. Jüdische Gefangene waren nicht darunter. In diesem Belohnungssystem gab es verschiedene Vergünstigungen, auch Geldleistungen. Die höchste Stufe war ein Bordellbesuch. Den mussten sich die Männer aber offiziell genehmigen lassen, was Zeitzeugen als entwürdigenden Amtsgang beschrieben. In der Schreibstube stellte der KZ-Häftling ein Rapportgesuch, reichte einen Prämienschein ein und erhielt dafür einen Bordellzettel, mit er wiederum zum Häftlingsarzt gehen musste. Dort wurde er auf Geschlechtskrankheiten untersucht.
Oft ist es gar nicht zu Sex gekommen, denn viele Häftlinge waren dazu körperlich gar nicht mehr in der Lage. Sie wollten einfach nur einmal wieder menschliche Wärme spüren. Nicht selten hatten sie viele Jahre lang keine Frau mehr gesehen. Im KZ-Dachau gab es von April bis Dezember 1944 ein Häftlings-Bordell. Dort kam es zu Tumulten und einem Boykott, denn viele Insassen lehnten den Bordellbesuch aus moralischen Gründen ab und machten den Bordellbesuch für andere zum Spießrutenlauf. 19 Frauen mussten die sich im Lager-Bordell Dachau prostituieren. Die Jüngste war 17 Jahre alt.
'Asoziale' – vergessene Opfer
Die Mehrheit der 214 Frauen in den Lager-Bordellen waren sogenannte "Asoziale", zu erkennen am schwarzen Dreieck auf der Kleidung. In der Hierarchie der Häftlinge rangierten diese Menschen ganz unten. Sie kamen oft aus schwierigen Verhältnissen, waren arm und hatten wenig Bildung. Viele dieser sogenannten asozialen Frauen wurden von den Nazis zwangssterilisiert, damit sie sich nicht fortpflanzen konnten.
Nach dem Krieg erfuhr das Leid der 'schwarzwinkligen' Frauen kaum Anerkennung, obwohl es in den ersten Jahren einige Berichte von Zeitzeuginnen aus den Bordellen gab. Die Vorstellung, dass KZ-Insassinnen gezwungen wurden, Sexualobjekte für Mithäftlinge zu sein, passt nicht ins Geschichtsbild. Jahrzehntelang warteten diese Frauen auf offizielle Anerkennung und Entschädigung. Erst 2020 erkannte der Deutsche Bundestag unter anderem sie als 'vergessene Opfergruppe' an. Für finanzielle Entschädigungen war es da für die meisten zu spät.