Vor 75 Jahren im KZ Dachau "Die Befreiung" – als virtueller Rundgang und Podcast
In einem virtuellen Rundgang über das Gelände der KZ-Gedenkstätte Dachau können Nutzerinnen und Nutzer die entscheidenden Stunden vor 75 Jahren digital nacherleben. Im Podcast von Bayern 2 wird die Geschichte vertieft und um das zweite bayerische Konzentrationslager Flossenbürg ergänzt.
Sonntag, 29. April 1945. Die Amerikaner erreichen das KZ Dachau. 32.000 Menschen sind zu dem Zeitpunkt in Dachau eingesperrt. Ein virtueller Rundgang über das Gelände der KZ-Gedenkstätte Dachau zeichnet die entscheidenden Stunden vor 75 Jahren nach. Originalfotos werden mit aktuellen Bildern des Geländes verschmolzen und genau an die Stelle platziert, an der sie damals aufgenommen wurden. Zu jedem historischen Foto hören die Nutzerinnen und Nutzer Tagebuchaufzeichnungen und Erinnerungen von Augenzeugen und bekommen so ein umfassendes Bild vom Tag der Befreiung.
Digitale Wissensvermittlung in Kooperation
Das digitale Storytelling-Projekt ist in enger Zusammenarbeit mit der KZ-Gedenkstätte Dachau entstanden. Die Gedenkstätte Dachau ist im letzten Jahr an das BR-Projektteam von "Ich, Eisner!" herangetreten, um ein gemeinsames Format zu entwickeln. Zur gleichen Zeit wollte sich das BR-Innovationsteam stärker mit Augmented Reality (AR) befassen und hatte bereits den Kontakt zu einem Startup aus Berlin.
Was ist Augmented Reality (AR) eigentlich?
Mittels Augmented Reality kann die Realität, die wir mit unseren eigenen Augen sehen, erweitert werden. In der "Die Befreiung AR”-App werden historische Bilder und Audios an festgelegten Orten auf dem Gelände der Gedenkstätte platziert, so dass, ähnlich wie bei einem Hologramm, der Blick auf die Vergangenheit möglich wird. Sehen kann man das Ganze über sein Smartphone oder Tablet.
Nach vielen Gesprächen gab es die Zustimmung, gemeinsam auf dem Gelände der Gedenkstätte ortsbasierte Augmented Reality mit einem Schwerpunkt auf Audio auszuprobieren. Dadurch sollen eindrückliche Bilder kombiniert mit persönlichen Geschichten auf der Tonspur das Eintauchen in das historische Ereignis ermöglichen und so eine neue Form der Erinnerungskultur anbieten.
Besonders Schülerinnen und Schüler, die mit ihrer Klasse die Gedenkstätte besuchen, sollen damit über modernste Smartphone-Technologie einen Zugang zum Thema bekommen. Natürlich sollen aber auch alle anderen interessierten Besucherinnen und Besucher der Gedenkstätte Zugang zur App haben.
Die Recherche und Auswahl der Protagonistinnen und Protagonisten sowie die Wahl der Fotos waren in den folgenden Monaten die Herausforderung für das Projektteam. Die Gedenkstätte unterstützte bei der Recherche in ihrem eigenen Archiv und mit fachlichen Einschätzungen sowie bei pädagogischen Fragen zum Aufbau eines Rundgangs. Anfang Januar 2020 konnte dann ein Prototyp der AR-App in der Gedenkstätte getestet werden - mit einer Schulklasse sowie Kolleginnen und Kollegen des BR und der Gedenkstätte.
AR-App verschoben, Webseite gelauncht
Am 11. März wurde das Projekt im BR erstmals vorgestellt - eine Woche später war klar: Die Gedenkstätte und auch die Schulen werden wegen der Corona-Krise geschlossen, es wird auf absehbare Zeit keine App geben. Alle Inhalte waren zu diesem Zeitpunkt nahezu fertig gestellt. Daher hat sich der BR entschieden, den Fokus zunächst auf die ohnehin geplante begleitende Webseite zu legen. Diese sollte alle Inhalte der App frei zugänglich anbieten. Die Webseite wurde zu einem virtuellen Rundgang ausgebaut, der den Besuch der Gedenkstätte digital ermöglicht, solang diese geschlossen ist.
Aufgrund der aktuellen Beschränkungen ist der Launch der AR-App nun verschoben, bis die Gedenkstätte wieder öffnet.
"Mit dem Projekt wollen wir die Erinnerung an die Befreiung der Konzentrationslager so gestalten, dass sie auch junge Menschen gut erreicht: Mit persönlichen Geschichten von Verfolgten und Befreiern. Gerade weil es immer weniger Augenzeugen gibt. Wir freuen uns sehr, dass wir gemeinsam mit der KZ-Gedenkstätte Dachau ein modernes Wissensangebot bieten, das in Zeiten, in denen die Gedenkstätte leider geschlossen bleibt, eine virtuelle Exkursion von zu Hause aus ermöglicht."
Manuela Baldauf, Referatsleitung Digitale Entwicklungen und Social Media
"Wir freuen uns, mit 'Die Befreiung' insbesondere unseren jungen Besucherinnen und Besuchern einen weiteren Anreiz zur Auseinandersetzung mit der Geschichte des Konzentrationslagers Dachau und zur Entwicklung eines kritischen Geschichtsbewusstseins zu geben. Dank der Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Rundfunk gibt es nun erstmals die Gelegenheit, die Befreiung des Konzentrationslagers in Form eines virtuellen Rundgangs nachzuvollziehen."
Dr. Gabriele Hammermann, Leiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau
Trimediales Angebot
Redaktioneller Partner des Projektes bei der Produktion aller Audioinhalte und des Sounddesigns ist Bayern 2. Da entstand auch die Idee, einigen der recherchierten Geschichten von ehemaligen Häftlingen, Befreiern oder Kriegsberichterstattern in einem Podcast mehr Raum zu geben. Im Podcast "Die Befreiung – Die letzten Stunden in den Konzentrationslagern Flossenbürg und Dachau" geht es um persönliche Geschichten von vor allem sehr jungen Opfern in den Konzentrationslagern. Die fünf Folgen erscheinen wöchentlich überall, wo es Podcasts gibt, und natürlich im BR-Podcastcenter und der ARD-Audiothek. Folge 1 ist bereits online verfügbar.
Das trimediale Angebot wird abgerundet durch die neu entstandene zweiteilige TV-Dokumentation "KL Dachau". In den beiden Filmen "Das System" und "Im Lager" wird die Geschichte des Konzentrationslagers Dachau von 1933 bis 1945 umfassend aufgearbeitet.
Einzelne Geschichten von Protagonistinnen und Protagonisten dieser TV-Doku werden im virtuellen Rundgang und im Podcast wieder aufgegriffen.
Außerdem gibt es die Neuproduktion "Getrennt durch Stacheldraht: Jugendjahre im KZ Gusen", in der sich der Sohn des damaligen Lagerleiters und ein ehemaliger KZ-Häftling begegnen. Eine ergreifende Dokumentation in Kooperation mit ORF und HR.
Sendehinweise:
"Getrennt durch Stacheldraht: Jugendjahre im KZ Gusen"
Ausstrahlungstermin:
20. April um 23.30 Uhr im Ersten, und am
22. April um 22.00 Uhr im BR Fernsehen
"Das System" und "Im Lager"
Ausstrahlungstermin:
29. April ab 22.00 Uhr im BR Fernsehen