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Gelenkverschleiß Arthrose

Steifheitsgefühle, Gelenkschwellungen und Schmerzen bei Belastung bis hin zu Dauerschmerz und Bewegungseinschränkung - so macht sich eine Arthrose im Gelenk bemerkbar. Die Entwicklung ist nicht umkehrbar. Aber ist sie zu stoppen? Was ist die Ursache einer Arthrose? Wie ist sie zu behandeln?

Von: Sabine März-Lerch

Stand: 21.10.2024 |Bildnachweis

Bei Arthrose kommt es zu einem schmerzhaften Abbau des Gelenkknorpels.
| Bild: BR/SWR

Ob Hüfte, Knie oder Schulter - in einem gesunden Gelenk sollten sich die beiden Knochen, die im Gelenk aufeinandertreffen, reibungsarm miteinander bewegen können.

Experte:

PD Dr. Christian Suren, Leitender Oberarzt, München Klinik Bogenhausen, Zentrum für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin

Jeder Knochen ist deshalb überzogen von einer Schicht, elastisch und druckfest, dem sogenannten hyalinen Knorpel. Wie ein Puffer fängt dieser Knorpel Stöße ab, lässt die Knochen gleiten. Umgeben ist dieser Gelenk-Aufbau von einer - innen mit einer Schleimhaut ausgekleideten - Gelenkkapsel.  

Dem Text liegt ein Gespräch mit Dr. Christian Suren zugrunde, Leitender Oberarzt am Zentrum für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin der München Klinik (Bogenhausen)

"Bei Arthrose ist das ganze Organ, das ganze Gelenk betroffen und nicht nur, wie viele annehmen, der Knorpel. Was bei Arthrose letztlich eintritt, ist zwar eine Degeneration dieses Gelenkknorpels. Aber auch der darunterliegende Knochen wird mit erfasst. Er wird etwas härter und spröde. Es entzündet sich aber auch die Gelenkschleimhaut. Kapsel und Bandstrukturen, die um das Gelenk herumliegen, können verkürzen."

Dr. Christian Suren

Eine der Hauptursachen für eine Arthrose ist ein im Alterungsprozess nicht mehr ganz vitaler Knorpel, der Belastungen nicht mehr gut ab- und auffangen kann, was rein mechanisch gesehen letztlich zu einem Abreiben des Knorpels führt. Zu den Hauptrisikofaktoren für Arthrose zählen auch Fehlstellungen, wie Abweichungen in der Achse des Gelenkes. Am Beispiel des Kniegelenks:

  • Das O-Bein erhöht das Risiko für das Fortschreiten einer Arthrose um den Faktor vier (der mehr belastete Anteil des Gelenks ist die Innenseite)
  • Das X-Bein erhöht das Risiko für das Fortschreiten einer Arthrose um den um den Faktor fünf (der mehr belastete Anteil des Gelenks ist die Außenseite)

"Das gilt für das Knie besonders, weil man es da sehr gut untersuchen konnte. Das ist aber für die großen Gelenke, vor allem die lasttragenden Gelenke wie Knie, Hüfte und Sprunggelenk, letztlich ähnlich: Wird die Kraft, die beim Gehen entsteht, nicht gleichmäßig über das Gelenk verteilt, dann führt das zu einer mechanisch induzierten Arthrose."

Dr. Christian Suren

Ein weiteres Risiko: Sollte eine Verletzung am Gelenk nicht akkurat verheilen, sondern in einer Fehlposition oder auch mit einer Stufe in der glatten Gelenk-Oberfläche.

"Entsteht sozusagen ein Knick in dieser Oberfläche, dann ist das mit einer Arthrose im mittelfristigen Verlauf wirklich schon vergesellschaftet, es besteht also eine große Wahrscheinlichkeit für eine Arthrose. Wir haben einen eigenen Begriff dafür: die posttraumatische Arthrose."

Dr. Christian Suren

Für alle Gelenke, nicht nur fürs Knie, gilt dies:

"Man gibt dann auch den Patienten gerne mal den Vergleich, Arthrose, der Schwund des Knorpels, sei sozusagen, wie wenn der Reifen heruntergefahren ist. Man hat lange dieses sehr mechanische Bild propagiert. Und das ist auch ein wesentlicher Bestandteil. Aber eben – und das ist wichtig - nicht nur."

Dr. Christian Suren

Das Alter ist ein grundsätzlicher Faktor, der die Entstehung einer Arthrose beeinflusst. Das konnte bei Menschen mit einer sogenannten "stummen Arthrose" gezeigt werden: Deren Röntgenbild zeigt zwar eine Arthrose, die allerdings mit keinerlei Beschwerden einhergeht. Bei diesen "asymptomatischen Patienten" waren Zeichen der Arthrose ab dem Alter von 50 Jahren aufwärts festzustellen, die sich zuerst deutlich verstärken, aber ab dem Alter von ungefähr 70 Jahren nicht weiter zunehmen.

"Grundsätzlich nimmt die Fähigkeit des Gewebes sich zu regenerieren im Alter insgesamt ab. Knorpel bestehen aus sehr empfindlichem Gewebe, das schlecht durchblutet und spärlich ernährt wird. Die Qualität dieses Gewebes nimmt im Alter ab und damit das Regenerationspotenzial des Knorpels."

 Dr. Christian Suren

Wer übergewichtig ist, tut seinen Gelenken keinen Gefallen. Und dies nicht nur wegen der zusätzlichen Last:

"Auf den ersten Blick könnte man sich das ja als eine mechanische Ursache für die Abnutzung des Knorpels vorstellen. Aber die Arthrose der Hand zum Beispiel ist bei Übergewichtigen auch viel häufiger. Also scheint das eine systemische Komponente zu haben. Und das ist auch etwas, was immer besser erforscht wird: Das Übergewicht hat eine entzündliche Komponente. Auch im Fettgewebe finden Entzündungsprozesse statt. Möglicherweise wirkt diese lokale Entzündung des Fettgewebes in irgendeiner Weise auf die Entzündung in den Gelenken, unterhält sie oder löst sie auch sogar aus."

Dr. Christian Suren

Nicht durch Lebensstiländerungen lassen sich allerdings genetische Faktoren (also eine erbliche Belastung) beeinflussen. Auch sie spielen bei der Entwicklung einer Arthrose eine große Rolle. So haben die betroffenen Personen eine Prädisposition dafür, dass der Knorpel eher verschleißt. Diese Veranlagung zum schnelleren Absterben von Knorpelzellen betrifft auch die Gewebestruktur, in der die Knorpelzellen eingebettet sind.

"Die leben sozusagen in einer Art Netz aus Bindegewebe. Und dieses Bindegewebe wird eben auch zusätzlich abgebaut. Da gehen also nicht nur die Knorpelzellen zugrunde."

Dr. Christian Suren

Ein anderer genetischer Faktor ist ebenfalls am Arthrose-Geschehen beteiligt: Manche Menschen haben eine Prädisposition, eher als andere Entzündungsreaktionen zu entwickeln. Und Entzündungen haben auch bei der Arthrose eine Relevanz - denn:

Als man lokale Botenstoffe, die während einer Arthrose im Gelenk freigesetzt werden, untersuchte, zeigte sich, dass sich im Gelenk auch eine lokale Entzündungsreaktion abspielt. Sie verstärkt wiederum die Arthrose.

"Ob das jetzt eine Reaktion auf den mechanischen Verschleiß ist oder ein eigenständiges Bild, ist tatsächlich nicht hundertprozentig geklärt. Aber es wird jetzt gerade eher davon ausgegangen, dass das Hand in Hand geht und dass nicht das eine ausschließlich das andere bedingt."

Dr. Christian Suren

Auch hier spielt das Alter eine Rolle:

"Es ist tatsächlich so, dass im Alter anscheinend gewisse Kompensationsmechanismen für diese entzündlichen Prozesse eben auch abnehmen - das heißt, dass der programmierte Abbau von Zellen und der programmierte Zelltod auch in diesem Gewebe mit zunehmendem Alter weniger aufgehalten wird."

Dr. Christian Suren

Das Geschlecht beeinflusst die Neigung zur Arthrose ebenfalls: Nicht nur in den Kniegelenken sind Frauen häufiger von Arthrose betroffen, weil ihre Beine eher zur X-Stellung neigen. Ihr Anteil ist bei allen Gelenken größer.

"Ein Risikofaktor für die Arthrose ist tatsächlich das weibliche Geschlecht."

Dr. Christian Suren

Arthrose also ist eine Verschleißerkrankung (degenerative Erkrankung), die zudem auch entzündliche Anteile hat. Zum einen reagiert das Gelenk auf den Knorpelschaden in Form einer Entzündung. Zum anderen ist die Entzündung auch Bestandteil des Krankheitsbildes.

"Das ist eigentlich so die neueste Erkenntnis, nachdem sie lange Zeit als reine Verschleißerscheinung oder mechanischer Verschleiß abgetan wurde. Darauf zielen auch aktuelle Versuche ab, Arthrose medikamentös zu behandeln, das ist aber leider bisher noch nicht in einem erprobten Stadium, muss man einräumen."

Dr. Christian Suren