Kleine fränkische Sprachgeschichte Warum die da so anders sprechen
In Schwaben reden die Menschen schwäbisch, in Sachsen sächsisch und in Bayern – nein eben nicht bairisch, sondern zum Beispiel fränkisch. Doch das einzig wahre Fränkisch – das gibt es gar nicht.
In Bayern, also im politischen Bayern, da reden sie Altbairisch, mit ai, Schwäbisch oder Allgäuerisch und eben Fränkisch. So zumindest würde die Einteilung im Groben ein Nichtfranke vornehmen. Aber selbst das ist wohl noch zu einfach. Denn so zerklüftet wie einst das fränkische Reich, so ist auch der fränkische Dialekt heute noch.
Das einzig wahre Fränkisch gibt es nicht
Das einzig wahre Franken und das einzig wahre Fränkisch – das gibt es gar nicht. Das war so, das ist so und des werd immer su saa.
Außerdem gibt es noch Tauberfranken, den Frankenwald, die fränkische Alb und die von Marketingstrategen in der jüngeren Vergangenheit erdachten Churfranken und Altmühlfranken – um zwischen all den Franken eben noch irgendwie aufzufallen.
Strenggenommen spricht halb Deutschland fränkisch
Und genauso fein, wie der Nürnberger Autor und Humorist Klaus Schamberger seine Heimat einteilt, gilt es auch bei den unterschiedlichen fränkischen Dialektformen zu unterscheiden: Da gibt es oberfränkisch, mittelfränkisch, unterfränkisch – in Nordwestfranken sprechen sie eher hessisch, in Nordostfranken beinahe schon oberpfälzisch und dafür im Osten Baden-Württembergs mainfränkisch. Streng genommen spricht sogar halb Deutschland fränkisch, zumindest nach der Definition der Sprachwissenschaftler.
"Sie haben nicht die Umrisse von Franken im frühen 19. Jahrhundert zur Benennungsgrundlage gemacht, sondern die aus dem Mittelalter. Fränkisch sagten sie, ist alles das, was bereits vor Karl dem Großen fränkischer Besitz war, also zum Fränkischen Reich gehörte. Und dazu gehören die Niederlande, dazu gehört das Rheinland, dazu gehört Hessen und unsere Gegend hier – Unter-, Mittel- und Oberfranken. Dieses riesige Gebiet nannten sie dann das fränkische Dialektgebiet."
Alfred Klepsch, Dialektforscher
Und deswegen, sagt Dialektforscher Alfred Klepsch, spricht der Holländer eigentlich niederfränkisch – das führt jetzt allerdings zu weit. Beschränken wir uns daher aufs Ostfränkische, wie es im nördlichen Teil des Freistaats Bayern gesprochen wird. Und selbst das klingt nicht überall gleich. Im oberfränkischen Bamberg etwa, "da schmast mer den Staa in Maa". Dagegen die Würzburger in Unterfranken "schmessen den Stee in Mee".
Am Ende liegt hier wie dort ein Stein im Main. Und das ist nur einer der Unterschiede zwischen Unterostfränkisch und Oberostfränkisch, sagt Klepsch. Er arbeitet seit Jahrzehnten am Mammutprojekt "ostfränkisches Wörterbuch".
"Unterfränkisch ist sehr alt, das ist wahrscheinlich unmittelbar nach der Völkerwanderung entstanden aus einer Mischung der Dialekte der Thüringer, die damals bis zum Main gesiedelt haben und der Schwaben, die sich dann südlich anschließen. Die Gegend, die jetzt Mittel- und Oberfranken heißt, die war zu der Zeit, als es unterfränkisch schon gab, noch überhaupt nicht besiedelt, beziehungsweise es kamen dann Siedler, aber das waren Slawen. Also ein völlig - bis auf die wenigen Slawen - menschenleeres Gebiet, das dann erst im neunten Jahrhundert aufgesiedelt wurde von Leuten, die vom mittleren Rhein kamen, etwa die Gegend von Bingen bis Worms."
Alfred Klepsch, Dialektforscher
Die Kartoffel: Grundbirne, Ärpfl oder Erdbirn
Kein Wunder also, dass da sprachlich einiges durcheinander kommt. Beispiele liefert auch der Sprechende Sprachatlas der Bayerischen Landesbibliothek zu Hauf – etwa bei einem so einfachen Wort wie Kartoffel. Die heißt in Unterfranken Grundbirne. In Oberfranken sagen sie dazu Ärpfl. Der Erdapfel eben und weiter südlich in Mittelfranken wird beides gemischt dann zur Erdbirn. Und da haben wir über die Bodaggn, wie die Kartoffel rund um Nürnberg genannt wird, noch gar nicht geredet.
Aber schließlich stammt die Kartoffel ja aus den Südamerikanischen Anden, wo sie die Inkas Papa genannt haben, bis sie schließlich von spanischen Eroberern als Patata nach Europa gebracht wurde und das ist doch schon verdammt nah dran an der Bodaggn. Ist eben nicht so einfach mit dem Fränkischen.
Weiches P und T
Aber bevor jetzt jemand verzweifelt, angesichts der vielen Unterschiede: Natürlich gibt es auch die eine oder andere sprachliche Gemeinsamkeit unter Ober-, Mittel- und Unterfranken. Da wäre zum einen der Mangel an stimmlosen und behauchten Verschlusslauten.
"So ein hartes P oder hartes T, des kommt ja bei uns überhaupt net vor und wenn dann ä Frange versucht Hochdeutsch zu rede, dann komme ja so Sätz raus wie: Tie Toris war in Tortmund kewohnt kewesen. Und wie se beim Päcker Prödlich hat hol gewöllt hat, hat se der Päcker net verstanne."
Michl Müller, Kabarettist
Zu Hause bestellen Franken dann beim Bäcker gerne Weggla, a Baggedd und a Blädderdeichdoddn. Diese besonders intensive Ausprägung der binnendeutschen Konsonantenschwächung ist es wohl, die nicht nur Franken wie den Kabarettisten Michl Müller aus der Rhön dazu inspirieren, sich übers Fränkische ein wenig lustig zu machen.
"Das gibt doch einem Dialekt überhaupt erst die Würze, dass er von anderen nachgeäfft wird, sag ich mal, dass die das versuchen, aber doch nicht genau hinkriegen. Das ist ja Bestätigung für so einen Dialekt, etwas was man nicht nachahmen will, das findet man auch nicht originell, denk ich mir."
Günther Stössel, Mundartdichter
Und außerdem ist es halt doch schon über zweihundert Jahre her, dass sich die Bayern mit Napoleons Hilfe Franken einverleibt haben. Zum anderen wissen Franken wie Günther Stössel ja, dass sie sich mit der weichen Aussprache einiger Konsonanten global gesehen in bester Gesellschaft befinden. Und der Franke macht sich sprachlich oft etwas kleiner als er ist.
"Bei uns in Franken is alles a weng klenner, wäi im Rest der Welt, aber a bloß rein äußerlich. A Stündla is a goude Stund, also ungefähr anahalb Stund, a Waggala is a ausgwachsene Frau, masdns dei eichene und am Beginn der Inbesitznahme haßts Scheißerla oder Schneggerla. Ein Wächerla, des is ein siebensitziger Geländepanzer mit 280 PS, zehn Liter Sprit auf hundert Meter, unser Leibspeis, as Scheiferla, hat netto mindestens annahalb Kilo, wos einem nichtfränkischen Menschen scho allaans vom Hischaua gscheid schlechd werd. Und a Seidla is a halber Liter Bier, inzwischen leider die größte Trinkeinheit wo mer ham, seid as Mäßla so goud wie ausgstorm is."
Klaus Schamberger, Autor
"Des geht soweit, dass sogar Wörter und Wortarten, die gar kein so ein Suffix vertragen, so eine Nachsilbe - zum Beispiel: Sodala. Das sodala is ja ein gedehntes So, sodala und danach noch etzadla, also jetzt, etzad. Etz wemmer ka Zeit hat, etzad oder wemmer vill Zeit hat, sacht mer: 'Sodala, etzadla. Hammers, ne.' Wemmer was gschafft hat, irgend a Erbat: 'Sodala, Etzadla' - oder nachadla, ja etz hob i ka Zeit net aber nachadla, nachadla. Also es kummt recht drauf an, wie viel Zeit jemand hat und wie viel Zeit sich jemand nimmt beim Sprechen. Des hängt vo seim Erregungszustand ab."
Günther Stössel, Mundartdichter
Und selbst bei diesem Diminutiv, den es ansatzweise ja auch in anderen Dialekten wie etwa dem Schwäbischen gibt, setzen die Franken noch eins drauf.
"Das Schöne ist, dass es hier Einzahl und Mehrzahl gibt, das kennt ja die Standardsprache nicht. As Heisla ist ein kleines Haus. Die Heisli sagt man zum Beispiel in Fürth, ist die Mehrzahl."
Alfred Klepsch, Dialektforscher
Das rollende R und das prälabiale Llll
Noch zwei Aussprache-Besonderheiten, die mal mehr, mal weniger stark ausgeprägt zum Fränkischen gehören: Da wäre zum einen das rollende R, das der Franke ganz vorne am Gaumen mit der Zungenspitze artikuliert. Und dann natürlich das prälabiale Llll, bei dem der Unterkiefer leicht vorgeschoben wird, die Zunge sich zwischen Ober- und Unterlippe schiebt und dabei an die oberen Schneidezähne stößt. Beliebte Testwörter und -sätze, die in diesem Zusammenhang gerne von Auswärtigen oder Neigschmeckten abgefragt werden, sind etwa: A ozullds Buddlasbaa – ein abgenagtes Hühnerbein. Oder der Dullnramer – der städtische Kanalarbeiter, der früher die Abwassergräben, die Dolen, oder eben däi Dulln, von allerlei Unrat befreit, ausgeräumt, oder halt ausgramt hod.
Auf der Beliebtheitsskala deutscher Dialekte liegt das Bairische ganz oben. Fränkisch landet bei entsprechenden Umfragen meist nur abgeschlagen im Mittelfeld. Eine mögliche, wenn auch sehr gewagte Interpretation von Comedian Ingo Appelt:
"Ich werde oft gefragt: 'Der Appelt, warum bist du immer so böse, menschenverachtend und gemein?' Kann ich euch sagen: Ich hab 15 Jahre meines Lebens in Würzburch verbracht. Ich bin Frangge, da hast doch glei vo Anfang an schlechte Laune. Allaans der Dialekt, wie red mer denn da? Da kammer doch ned freundlich sei. Scho a Begrüßung: wersd angebellt. 'Gräiß god'. In Bayern wenn sie sagen: 'Griaß Giott, ja servus', des klingt freundlich. Aber in Franken: 'Gräiß God!' Fränggisch und symbaddisch - nenn mer doch a mol einen fränkischen Sympadiedrächer."
Ingo Appelt, Komiker
Nun, da gäb es schon ein paar. Denken wir nur an Albrecht Dürer oder Ludwig Erhard. Und der Herzogenauracher Fußballer Lothar Matthäus – weltweit bekannt als "Der Loddar", hat das Fränkische sogar international hoffähig gemacht.
"I have little problems with the language, my English is not very good. And I’m happy, I hope we have a little bit lucky."
Lothar Matthäus, ehemaliger Fußballer
Und das klingt, trotz aller grammatikalischen Unzulänglichkeiten, dann doch irgendwie sympathisch. Die Franken dürfen also hoffen auf den Spitzenplatz in der Beliebtheitsskala der Dialekte. Da brauchts bloß mer a weng Überzeuchungserbat.