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Es muss nicht immer Wirtshaus sein Kreative Konzepte in der Gastronomie

Wo man isst, ist man zuhause. In modernen Gesellschaften wird das Zuhause – auch das kulinarische – aber immer mobiler. So nimmt die Zahl der Restaurants hierzulande ab, während die der Imbisse und Caterer mit kreativen Konzepten stetig wächst.

Von: Petra Nacke

Stand: 19.03.2019 | Archiv

Es muss nicht immer Wirtshaus sein: Kreative Konzepte in der Gastronomie

"Der Mensch ist, was er isst", diese Feststellung des bayerischen Philosophen Ludwig Feuerbach könnte man sicher noch ergänzen, denn der Mensch ist nicht nur was, sondern auch wo und wie er isst. Vieles spricht dafür, dass Menschen in westlichen, also überwiegend satten, Gesellschaften dahin gehen, wo der Trend hingeht. Also machen wir uns auf die Suche nach dem, was unseren Kopf und unseren Gaumen lockt.

Foodtrucks – seit fast zehn Jahren im Trend

Auf der HOGA, der Fachmesse für Hotellerie und Gastronomie in Nürnberg, geht es nicht nur, aber in erster Linie um Essen und alles, was damit zusammenhängt. Und es geht um Trends. Ein Trend, der mittlerweile seit fast zehn Jahren anhält, sind Food-Trucks, Imbisswägen, die mal hier, mal dort stehen und Hungrigen die unterschiedlichsten Speisen anbieten. In Deutschland war der Schwabacher Klaus Peter Wünsch, alias Mr. Ribwich, einer der ersten, der die Idee hatte, das ursprünglich US-amerikanische Food-Trucking auch in Deutschland zu etablieren. Mittlerweile fahren Foodtrucks in ganz Deutschland herum, die Hochburg liegt aber nach wie vor in Franken. Als Trendsetter möchte sich Wünsch trotzdem nicht sehen.

"Wir haben es nicht erfunden, das Essen auf Rädern. Die Imbisse gibt es seit hunderten von Jahren und früher die Roundups bei den Cowboys und den Indianern, die sich zu einer Wagenburg formiert haben und in der Mitte war ein Lagerfeuer. Also man bezeichnet uns schon gern so als Lagerfeuer der Moderne. Man trifft sich mit Essenswägen, in der Mitte ist es warm, man hat was Leckeres zum Essen. Wir haben halt damals, 2010, den Trend erkannt, waren damals der Zeit auch zwei,drei Jahre voraus, haben am Anfang auch wirklich hart gekämpft, weil die Leute gesagt haben 'was geh ich jetzt an einen Laster zum lecker essen!' oder so, aber wir haben es dann doch geschafft und haben eben aufgrund der Plattform-Entwicklung 'Foodtrucks Deutschland' natürlich auch was für dieses ganze Thema getan. Also wir haben nicht gesagt Rib-Wich ist lecker, sondern wir haben gesagt Food-Trucks sind cool und haben dadurch natürlich schon ein bisschen einen Stein ins Rollen gebracht."

Klaus Peter Wünsch

Was klein begann, hat sich zwischenzeitlich unter dem Label Foodtrucks Deutschland zu einem respektablen Unternehmen in Sachen mobiler Bewirtung entwickelt.

"Wir decken komplett Deutschland ab. Wir haben bei uns im Portfolio um die 800 Food-Trucks, Partnertrucks, mit denen wir zusammenarbeiten und die sind im Grunde über ganz Deutschland verteilt verfügbar. Und je nachdem, was der Kunde sich wünscht, ist von der 200-Mann-Weihnachtsfeier bis hin zu einer großen Firmengeschichte mit 15.000 Mann, wo wir dann bis zu 50,60 Trucks hinstellen müssen, alles möglich."

Klaus Peter Wünsch

Foodtrucks – eine "gastronomische Revolution"

Andrew Fordyce, gebürtiger Südafrikaner, mischt ebenfalls seit Aufkommen der deutschen Foodtruck-Bewegung kräftig mit, und für ihn ist die Streetfood-Bewegung eine echte gastronomische Revolution.

"Das sind leidenschaftliche Leute, und die sind nicht nur Gastronomen. Ich glaube, das ist, was es so interessant macht. Manche Leute sind aus unterschiedlichem kulturellen Hintergrund, produzieren ihr eigenes Rezept, das Rezept ihrer Oma, ihrer Familie und teilen das Wissen mit den Leuten. Die haben mit Internationalität das erste anspruchsvolle Gespräch am Tisch mit Essen. Und da kann man sich austauschen, Ideen austauschen, Kultur austauschen, Religion austauschen und all diese Sachen austauschen."

Andrew Fordyce

Back tot he Roots – zurück zu den Wurzeln unserer Kultur. Für Fordyce geht die Foodtruck-Bewegung weit über die Nahrungsaufnahme hinaus. Foodtrucking hat etwas mit Gemeinschaft zu tun, mit Austausch, ist für ihn damit, genau wie für Klaus Peter Wünsch, eine Art Lagerfeuer der Moderne. Doch unseren Städten, meint Fordyce, fehlten Plätze, an denen die Menschen zusammenkommen, essen und sich austauschen können. Wagenburgen aus Foodtrucks könnten hier Abhilfe schaffen, doch scheitere dies oft an den Verantwortlichen, da Behörden oftmals zu viel Miete verlangen würden.  

Knallharter Konkurrenzdruck

Tatsächlich spricht die in den letzten zehn Jahren rapide angestiegene Zahl der Foodtrucks dafür, dass die Kunden genau dieses flexible und mobile Gastrokonzept gern annehmen. Foodtrucks sind hip und scheinen genau in eine Zeit zu passen, die von jedem generell immer mehr Flexibilität und Mobilität erwartet. Trotzdem herrscht auch in der scheinbar so harmonischen Wagenburg-Welt ein knallharter Konkurrenzdruck, weiß der Start-Up-Unternehmensberater Alexander Stock, der schon viele Foodtrucker beraten hat – und er weiß auch, dass nicht jede vermeintlich gute Idee automatisch von Erfolg gekrönt ist.

"Ich empfehle grundsätzlich jedem, sich zu Beginn erst mal zu erproben, also so eine Markterprobung zu machen, also wirklich auch dieses Lean-Start-up mit einem gemieteten Truck oder Trailer oder von mir aus auch mit einem Zelt und mit gemietetem Equipment erst mal auf Street-Food-Märkten das Produkt zu erproben, das Feedback der Gäste zu bekommen und dann noch an dem Produkt zu feilen. Und dann geht es eben auch um die Finanzierung und da ist es eben dann sehr schwierig, wenn man branchenfremd ist, die Bank zu überzeugen."

Alexander Stock

Die Bank ist das eine, der Kunde das andere. Denn nur weil das Essen an Trucks oder Trailern in ist, wird es nicht automatisch gegessen – dann könnte man auch gleich zur Currywurstbude am Eck gehen. Genau davon wollen sich die Foodtrucker aber abgrenzen, und das geht am besten, wenn man sein Angebot nach dem Geschmack des meist jüngeren und urbanen Publikums ausrichtet.

"Bowl-Gerichte sind definitiv ein neuer Trend, oder halt momentan im Trend, und die Kunden schätzen eben, dass man sich ein bisschen das zusammenstellen kann, was man dann haben möchte oder eben nicht in der Bowl haben möchte."

Alexander Stock

Die Bowl, die Schüssel oder Schale, ist zunächst nichts weiter als ein Behältnis. Aber eben auch eines, in das man im Rahmen des Angebots genau die Zutaten hineingeben kann, die man möchte – der Kunde kann wählen: Fleisch, Fisch, vegan oder vegetarisch, alles ist möglich.

Ein Sternegastronom im Foodtruck

Unter den Foodtrucks auf der Messe sticht der Airstream von Toni Tänzer, ein Anhänger in Form einer silbernen Zigarre, ins Auge. Ein Schild weist auf die Spezialität hin: Poke Bowl. Also los!

"Als erstes machen wir mal ein bisschen Sushi-Reis in die Schale, in die Bowl eher gesagt, danach kommt ein bisschen Wakame-Algensalat, der eingelegt ist mit Sesam, dann haben wir die frischgeschnittenen Gurkenwürfel, Salatgurkenwürfel, dann haben wir die Mango, dann haben wir die Avocado, Hass-Avocado, weil die schön grün bleibt und sehr lecker ist, den in Würfel geschnittenen Ikaremi-Lachs und den Yellow-Fin-Tuna, den Gelbflossen-Tunfisch. Darauf drapieren wir so ein bisschen Fliegenfischkaviar, der eingelegte Ingwer, ein bisschen Zitronenabrieb für die Frische, ein bisschen Shiso-Kresse und ganz zum Schluss Sojasoße, da in der Sojasoße ist noch eine Geheimzutat, was es halt einzigartig macht. So, fertig ist die Poke-Bowl."

Toni Tänzer

Auf diese ursprünglich hawaiianische Spezialität kam Tänzer durch einen Freund. Professionell gekocht hatte er aber schon lange davor.

"Ich bin gelernter Koch, ich komme aus der Sternegastronomie, habe 15 Jahre Sternegastronomie hinter mir und habe mich 2016 dann dazu entschlossen, mich selbstständig zu machen mit einem Foodtruck oder eher gesagt mit einem Trailer: mein Airstream, mein original amerikanischer Airstream, acht Meter zwanzig Länge, vollgepackt mit hochmodernen Kochgeräten, die man eigentlich heute nur im Restaurant findet, aber ich direkt in den Hänger reingebaut hab, um genau diese Qualität auf die Straße zu bringen, die wir im Restaurant angeboten haben, um auch wieder mehr Leute in die gehobene bzw. Sternegastronomie reinzuführen, weil die Zahlen sind rückläufig und da sehe ich mich an einer Stelle, ich hab den direkten Kontakt zum Kunden und kann ihm ein bisschen auch erklären, um was es sich dreht, warum das Gericht jetzt gerade ein bisschen teurer ist als jetzt ein Pulled-Pork-Burger. Wir verwenden nur erstklassige, qualitativ hochwertige Zutaten wie den Yellofin-Tuna, den Ikaremi-Lachs, das US-Flanksteak, das ist alles langsam wachsendes Fleisch mit intramuskulären Fettstrukturen, nicht schnellwachsendes Fleisch, wo halt die Fettschicht auf dem Fleisch drauf ist, da ist der Preis schon gerechtfertigt."

Toni Tänzer

Die Themen Bio und Nachhaltigkeit werden wichtiger

Foodtrucker wie Toni Tänzer reagieren damit auf die zunehmende Bereitschaft der Kunden, für hochwerte Produkte auch etwas tiefer in die Tasche zu greifen. Hochwertig bedeutet hier auch, zu wissen woher die Zutaten stammen und wie sie erzeugt wurden. Stichworte: Bio und Nachhaltigkeit, Themen die in allen Bereichen der Gastronomie zunehmend wichtig werden.

Essen als ganzheitlicher Event

Ein ganz normaler Wochentag. Früher Abend im Nürnberger Milchhof, eine Eventlocation im Bauhaustil. Es piepst, trillert und zwitschert als würden Schwärme von Vögeln den Tag begrüßen. Das Licht ist dämmerig wie kurz nach Sonnenaufgang. Durch die Reihen der aufwendig gedeckten Tische schreiten grüngewandete Bedienungen mit Tabletts und reichen den dezent festlich gekleideten Gästen Erfrischungen und Häppchen. Wir sind auf dem Trend-Event der Firma Lehrieder, einer Veranstaltung die hauptsächlich für die Stammkunden des Caterers ausgerichtet wurde. Hier sollen, wie der Name schon sagt, Bewirtungs-Trends gesetzt oder, besser gesagt, bedient werden, die momentan angesagt sind: Essen als ganzheitlicher Event ist so ein Trend und deshalb sind wir auch mit der Event-Assistentin Burcu Karanthei verabredet, die diesen Abend maßgeblich mitgestaltet hat.

"Die Idee hinter dem Ganzen war, dass die Gäste 24 Stunden hier mit uns erleben. Jetzt gerade mit dem Beginn der Veranstaltung, mit dem Aperitif, sind wir in den frühen Morgenstunden, was sich auch im Licht widerspiegelt, das soll wirklich auch den frühen Morgen darstellen, wenn man rausgeht aus dem Haus, auf das Feld, der Morgentau, den wir hier mit dem Nebel widerspiegeln möchten."

Burcu Karanthei

Eine durchaus skurrile Vorstellung, wie Damen in High Heels früh morgens aufs Feld rausmarschieren. Aber schon im Motto "Die Zeit läuft" wird deutlich: Hier wird in festlichen und gleichzeitig ökologisch korrekten Dimensionen diniert und zwar "From Nose to Tail" des Bio-Schweines, das heute aufgetischt wird, erklärt Projektleiter Johannes Keuthen.

"Was der nächste Kernaspekt ist neben diesem, ich sag mal, Bio-nachhaltig-gehaltenem Schwein, dass wir das Schwein von Kopf bis Fuß verwenden. Wir werden fast jeden Bestandteil des Schweins im Menü wiederfinden, das heißt, es gibt auch ein paar Überraschungen für die Gäste, das werden wir im Laufe des Abends dann sehen, ob sich der eine oder andere traut, das zu probieren, das haben wir uns extra so in einem Zwischengang überlegt – ansonsten wird von der Vorspeise, von einer Sülze, bis zum Hauptgang, wo natürlich die edleren Stücke des Schweins verwendet werden, wirklich das komplette Schwein verwendet und so wieder auch das Thema Nachhaltigkeit widergespiegelt in der kompletten Verwertung aller Rohstoffe."

Johannes Keuthen

Es sei in mehrfacher Hinsicht Verschwendung von Schwein, Rind oder einem anderen Tier nur die edlen Teile herauszupicken, den Rest aber zu verschmähen. Denn dieser, meist große Rest, müsse erstens mit gezüchtet und zweitens auch irgendwo untergebracht werden, wodurch ein enormer Transportaufwand entstehe. Dies alles wird den rund 120 Gästen im Laufe des Abends noch von einem ebenfalls geladenen Nachhaltigkeitsexperten erklärt werden.

Weniger Restaurants, mehr Imbisse und Caterer

Die Statistiken des Deutschen Hotel und Gastättenverbands, DeHoGa, belegen ebenfalls einen Trend und zwar einen deutlichen: Während die Zahl der klassischen Wirtshäuser und Restaurants seit 2010 stetig abnimmt, stieg die der Imbisse und Caterer im selben Zeitraum kontinuierlich. Für Caterer wie Lehrieder ebenso wie für Imbisse und Foodtrucks bedeutet dies mehr Konkurrenzdruck. Nur wer sich vom Mitbewerber abhebt, kann längerfristig bestehen, deshalb gilt für beide Gastroformen: Qualität ist ein Muss – Originalität ist aber noch wichtiger.

Ess-Kursion in Nürnberg

"Meine Intention ist und war ein vergrößertes Wohnzimmer. Das sehen Sie auch, wenn Sie reinkommen, es ist ein Sammelsurium, von dem was mich bewegt, was mir gefällt, was ich geschenkt bekomme, wo ich meine, ja, das kann ich auch hier einbringen. Die Menschen, die zu mir kommen und kommen wollen, die sollen sich bei mir wie zu Hause fühlen in meinem Raum."

Norbert H. Weidner

Eine safrangelbe Wand, eine kleine Glastheke mit Obst und Gemüse darin. Darüber Regale mit bunt zusammengewürfeltem Geschirr, Büchern, Bildern, Souvenirs. Gegenüber hängen Karten des indischen Subkontinentes, grüßt ein Foto des Dalai Lama und darunter das des Gastgebers Norbert H. Weidner. Am auffälligsten ist jedoch der einzige Tisch im Raum – geschätzt sechs bis sieben Meter lang – und dieses Möbelstück ist ein bewusster Ausdruck dessen, was Weidner unter Gastlichkeit versteht.

"Ich bin der Ansicht: eine Tafel. Nicht so separat sitzen, sondern es geht darum, eine Tafel und dann kommen auch verschiedene Menschen, fremde Menschen auch, zusammen, und es ergibt sich dadurch eine Kommunikation, wo sich fremde Menschen dann einfach kennenlernen."

Norbert H. Weidner

Ess-Kursion hat Weidner sein vergrößertes Wohnzimmer in der Pirckheimer Straße im Nürnberger Norden genannt, und diese Wortchimäre macht deutlich, dass es hier nicht nur ums Essen geht, sondern um ausgedehnte kulinarische Reisen, vor allem nach Indien, wo er viele Jahre gelebt hat. Weidner ist ein Quereinsteiger, ein – im wahrsten Sinne des Wortes – Neigschmeggder, der über seine Leidenschaft, vor allem für die südindische und die japanische Küche, zur Gastronomie kam und sich immer weiter spezialisiert hat.

Über Mundpropaganda in die Genießer-Runden

Seit 2012 veranstaltet Weidner Genießer-Runden, war mit seiner Idee also schon lange da, bevor der Begriff "Pop-Up-Restaurant" in der Öffentlichkeit eine Bedeutung bekam. Wer hier isst, ist meist über Mundpropaganda oder per Zufall dabei. Vielleicht auch über die Internetseite www.esskursion.de gestolpert und neugierig geworden. Hier treffen sich mal Gruppen, die gern exotisch speisen, mal Fremde, die zufällig am selben Tag reserviert oder einen von Weidners Kochkursen belegt haben. Und bei Norbert H. Weidner man spürt: Hier schwimmt einer nicht auf Mode- oder Trendwellen, sondern geht auf in dem, wofür er schon lange lebt.

"Ich war damals Hippie und ich bin 68 und ich bin jetzt immer noch Hippie und ich werde es auch bleiben."

Norbert H. Weidner


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