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Möglichst natürlich bitte Sänk you für träweling wiss Deutsche Bahn!

Von: Matthias Rüd

Stand: 25.12.2019 | Archiv

Möglichst natürlich bitte: Sänk you für träweling wiss Deutsche Bahn!

Wie Maschinen, so kommen sie uns doch vor, die Ansagen auf Bahnhöfen und in Flugzeugen und Kaufhäusern. Wir meinen, sie schon mitsprechen zu können und amüsieren uns natürlich köstlich, wenn da wieder Einer englische Ansagen macht, ohne Englisch zu können.

Aber wie geht es eigentlich den Menschen, die solche Durchsagen zehntausendmal wiederholen müssen? Wird man dabei nicht komplett stumpfsinnig? Oder ist das einfach eine ganz besondere Herausforderung, dabei individuell erkennbar zu bleiben?

"Herzlich willkommen an Bord meine Damen und Herren! Wir würden Sie bitten großes Handgepäck unter ihrem Vordersitz …"

Carola Grau

15 Jahre lang war Carola Grau Flugbegleiterin bei einer großen deutschen Fluglinie. Diesen Beruf hat sie zwar schon vor Jahren aufgegeben, ihre Bordansagen kann sie aber immer noch auswendig.

Standardisierte Ansagen sind im Flugzeug Teil des Sicherheitsprogramms. Armlehnen gehören bei Start und Landung nach unten, Tische und Fensterblenden nach oben. Hier ist der Notausgang, dort sind die Schwimmwesten, für ein Notsignal bitte hier hineinblasen …

Trollies in der Hand, Kaffee auf dem Schuh, Ansage im Eimer

Der Text dafür ist von den Fluglinien vorgegeben - wie dieser vorgetragen wird, ist dagegen individuell. "Also wir hatten einen halben Tag mal ein bisschen Training", erinnert sich Carola Grau. "Ansonsten war das learning by doing. Ich zum Beispiel hab mir das fränkische R abtrainiert, weil ich das unprofessionell finde. In der direkten Ansprache der Gäste schon, weil das bin halt ich, aber in den Ansagen kann man das abtrainieren."

Flugreisen 1960

Früher punkteten Fluglinien noch mit Service, dazu gehörte ein Lächeln der Flugbegleiter und eine möglichst freundliche Kundenansprache. Doch seit dem Siegeszug von Billigfluglinien ist Fliegen wie Bus- oder Bahnfahren - eine möglichst preiswerte Notwendigkeit, um schnell von A nach B zu kommen. Für die Stewardessen bedeutet das Bordansagen im Akkord. Und genau so klingen sie dann oft auch. "Manchmal ist es Zeitdruck, weil du noch fünf Trollies zu verstauen hast und dann macht es ‚Bing' und du gehst in den Sinkflug und dann musst noch schnell eine Ansage machen, machst dabei aber noch fünf andere Dinge (…) - es funktioniert, aber man hört es."

Jedes Mal das erste Mal

Die Nürnberger Stimmtherapeuthin Ulla Beushausen ist Ansagen-Expertin. Sie schult Mitarbeiter großer Firmen im richtigen Nachrichten vermitteln. "Man muss sich erstmal klarmachen, warum viele Ansagen so schlecht sind, die wir hören", erklärt Beushausen. "Wenn Sie zum Beispiel mit der Bahn fahren und hören 'Sänk you für träweling wiss Deutsche Bahn', dann kriegen sie hier eine Botschaft, die über das Verbale hinausgeht und sie erfahren etwas über den Sprecher – hier, dass er kein Englisch kann. Dieser Botschaften müssen wir uns gewiss sein."

Immer wieder das gleiche zu sagen, das sei kein Problem, wenn man seine Stimme richtig einsetzt. Die Stimme sendet Botschaften aus, erklärt die Expertin weiter, und die können entschlüsselt werden. "Wenn ich das weiß, dann kann ich meine Stimme gezielt einsetzen und variieren und es jedes Mal so sagen, als wäre es das erste Mal. So bleibt das spannend."

Es gibt wenige Parameter, die die Stimme verändern können, so Beushausen. Tonhöhe nach oben oder unten, unterschiedliche Betonung, Tempovariationen. "Und wenn ich das einsetze und ich stelle mir vor, da sitzen 100 neue Bahngäste und ich spreche das nur für die, dann kann ich das anwenden."

Alles nach Drehbuch

Der Schindlerhof liegt außerhalb von Nürnberg, abseits der Hotel-Ballungsräume Hauptbahnhof, Flughafen oder Altstadt. Trotzdem ist der Schindlerhof mittlerweile zu einem richtigen Hoteldorf angewachsen, hat sich in der gehobenen Preisklasse etabliert. Ein Hauptverkaufsargument neben den vielen speziell eingerichteten Themenzimmern und Restaurants: das gesprochene Wort.

"Wahre Herzlichkeit" – das ist der Schindler-Wahlspruch, erklärt Hotelmanager Yannik Chlechowitz. Das soll an der Rezeption vbermittelt werden, durch Aussehen, Auftreten, Ansprache. Dafür gibt es das Front Office-Drehbuch, ein dünnes Heftchen, entwickelt von Kommunikationsexperten. Wie im Spielfilm wird darin jeder Gast-Kontakt durchgespielt, von der Körperhaltung des Mitarbeiters (Nase und Bauchnabel immer in Richtung des Gastes) bis zum Kapitel "energetische Sprache".

"Jeder hat seine Freiheiten, wie er dem Gast gegenübertritt", sagt Chlechowitz. "Es gibt aber Formulierungen, die wir verwenden sollen, anstatt anderer. Nicht etwa "Schön, dass sie da sind", sondern "Toll, Sie haben schönes Wetter mitgebracht. Toll, dass Sie da sind".

Hotel-Rezeption, ohne Worte.

Standard-Infos, Floskeln, die in jedem Hotel benutzt werden, sollen hier anders klingen. "Jeder Gastkontakt ist ein Blick in die Zukunft, nicht in die Vergangenheit", steht in roter Schrift im Drehbuch des Schindlerhofs. In blauer Schrift: viele mögliche Formulierungen für den Check-in, Antworten auf Fragen von Gästen. Blau heißt: das ist ein Vorschlag, keine Pflicht.

Eine ganze Seite im Kommunikations-Drehbuch nimmt die Sandwich-Technik ein. "Wir sollen und wollen vermeiden, Gästen einfach schlechte Nachrichten zu überbringen", beschreibt sie der Hotelmanager. "Das heißt, wir verpacken eine negative Nachricht immer in zwei positiven, die vorne und hinten nachgestellt werden.".

Wenn also kein Parkplatz mehr da ist, heißt das "Wir parken ihr Auto gerne für sie ein." Oder "Sie parken am Gemeindeparkplatz vorne und nutzen den Rückweg gleich für einen kleinen Spaziergang".

Verstellen nicht möglich

Kommunikationsexpertin Ulla Beushausen würde natürlich auch lockere Drehbuch-Kommunikation wie diese als genau solche entlarven. Trotzdem ist für sie Individualität in der Ansprache der richtige Weg. Ansagen mit Anspruch.

Unnatürlich sind oft Ansprachen in Callcentern, sagt Beushausen. "Weil die sofort die Betonung reinhauen: 'Guten Morgen, Frau Beushausen, wie geht es Ihnen?' Da denk ich sofort: Callcenter! Und das ist nicht gut." Authentisch soll es sein und zum Sprecher passen. Denn davon ist die Sprechexpertin überzeugt: sich zu Verstellen, ist nicht möglich.


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