Richtungsanzeiger Wozu wir heute noch einen Kompass brauchen
Wer sich heute orientieren möchte, nutzt digitale Helfer: das Navi im Auto, das GPS-Gerät in den Bergen oder das Smartphone in der Hosentasche. Doch es gibt auch noch Menschen, die ohne einen Kompass die Richtung verlieren würden.
Frank Liebau aus dem mittelfränkischen Röthenbach an der Pegnitz weiß, wie er sich orientieren kann. Er hat zwar ein GPS-Gerät, doch wenn er wandern geht, nimmt er immer einen Kompass mit.
"Ich habe seit meinem sechsten Lebensjahr mit Kompassen zu tun. Mein Bruder hat mir damals einen Kompass geschenkt, damit ich immer weiß, wohin ich zu gehen habe."
Frank Liebau, Kompass-Enthusiast
Kompass-Hochburg Nürnberg und Fürth
Inzwischen hat Frank Liebau eine ganze Kompass-Sammlung zuhause liegen. Die meisten der rund 300 Exemplare kommen aus Nürnberg oder Fürth – denn dort werden schon seit der Renaissance Kompasse gebaut.
Die Firma C. Stockert und Sohn sitzt in Rednitzhembach, südlich von Nürnberg, und hat von allen Kompassmachern in Franken die längste Tradition. Der Inhaber heißt Norbert Fritz.
Wie man heute einen Kompass baut
Norbert Fritz beschäftigt zwei Mitarbeiter und einige 400-Euro-Kräfte. Um einen einfachen Taschenkompass herzustellen, stanzt er erst einmal ein Gehäuse aus einem Messingblech und passt dieses an einer Drehbank an. Dann nimmt er Schleifpapier in die Hand und verpasst dem Gehäuse damit einen ganz besonderen Schliff.
"Wenn man das richtig macht, dann fängt der Kompassboden an, sich zentrisch wie eine Sonne zu spiegeln. Daher der Name Sonnenschliff."
Norbert Fritz, Inhaber C. Stockert und Sohn
Die nächsten Schritte: Lackieren, Loch stanzen, Haltering befestigen. Dann setzt sich Norbert Fritz vor eine Maschine, mit der er das Herzstück des Kompasses herstellt: die Kompassnadel. Die wird aus einem Stahlband mit einer kleinen Presse ausgestanzt. "Wir nennen unsere kleine Presse liebevoll unsere Nähmaschine", so Fritz. Damit die Nadel später auch Richtung Norden zeigt, braucht sie ein eigenes Magnetfeld.
"Dafür wird die Nadel schlicht und ergreifend über einen starken Magneten gezogen. Und dann ist sie ausreichend magnetisiert, dass sie später ihren Weg findet."
Norbert Fritz, Inhaber C. Stockert und Sohn
Der Kompassmacher: So baut Norbert Fritz einen Taschenkompass
Kompassbauer – längst kein Ausbildungsberuf mehr
Um einen Taschenkompass herzustellen, braucht Norbert Fritz nur ein paar Minuten – wenn die Maschinen und Werkzeuge erst einmal richtig eingestellt sind. Sein Handwerk hat sich der gelernte Chemiker selbst beigebracht. Denn den Ausbildungsberuf des Kompassbauers gibt es schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Der Bedarf ist einfach nicht mehr da. Früher war das anders, sagt Norbert Fritz.
"Zu den Zeiten, als hier das deutsche Heer gekauft hat, sind wohl Zehntausende Kompasse pro Monat hergestellt worden. In der Zwischenzeit ist es sehr abhängig von den Kundenaufträgen. Wir verkaufen einige Hundert bis bestenfalls einige Tausend Kompasse im Monat. Das ist aber auch klar, weil das Handy natürlich die Konkurrenz darstellt."
Norbert Fritz, Inhaber C. Stockert und Sohn
Navis und GPS-Geräte haben Kompasse abgelöst
Wer sich heute orientieren möchte, hat dafür digitale Richtungsweiser: das Navi im Auto, das GPS-Gerät in den Bergen oder eben das Smartphone in der Hosentasche. Selbst Norbert Fritz nutzt nur ganz selten einen Kompass.
"Für den Durchschnittsmenschen, der in der Stadt den Weg finden will, ist der Kompass natürlich die falsche Wahl, ganz eindeutig. Für den Wanderer, der sich den Spaß machen möchte, im Gelände mal selbst zu navigieren, ist es durchaus anspruchsvoll und interessant. Ansonsten machen wir viel für Schulen, wo wir in verschiedenen Klassen im Lehrplan die Möglichkeit haben, das Magnetfeld zu besprechen. Und da wird unter anderem auch der Kompass besprochen. Da liefern wir ein schönes Produkt hin."
Norbert Fritz, Inhaber C. Stockert und Sohn
Taucher, Höhlenforscher und Soldaten auf Kompass angewiesen
Seine Kompasse bringen aber nicht nur Schüler auf Kurs. Denn es gibt sie noch: Menschen, die ohne einen Kompass die Richtung verlieren würden.
"In manchen Bereichen – wenn es unter die Erde geht, wenn es unter Wasser geht – braucht man einen Kompass, weil dort einfach kein GPS-Signal zu empfangen ist. Und in den Bereichen, in denen man auch mal ohne Batterie die Richtung finden muss, im Sturm, im Dunkeln, in der Kälte eben. Bei Expeditionen oder Bergnotrettungen zum Beispiel. Und die Bundeswehr hat natürlich wie alle Heere der Welt sicher noch einen gewissen Anteil an Kompassen, der im Extremfall immer dann funktioniert, wenn alles andere nicht mehr funktioniert."
Norbert Fritz, Inhaber C. Stockert und Sohn
Auch Frank Liebau hatte bei der Bundeswehr mit Kompassen zu tun. Über Kompasse und wie man sich mit ihnen im Gelände orientieren kann, darüber hat er mehrere Bücher geschrieben. Die bietet er im Internet an, wo sie auf großes Interesse stoßen.
"Am Anfang haben um die 200, 300 Personen die Bücher angeklickt. Vorletztes Jahr waren es 100.000, die meine Bücher heruntergeladen haben, denn die Bücher kann man frei downloaden. Letztes Jahr waren es 80.000."
Frank Liebau, Kompass-Enthusiast
Der Kompass als Höhenmesser
Der Kompass als Richtungsweiser – er scheint noch nicht überflüssig geworden zu sein. Und ein komplexeres Modell kann noch viel mehr als einfach nur die Richtung anzuzeigen.
"Mit einem Kompass kann man zum Beispiel Höhen messen von Bäumen oder von Bergen. Angenommen Sie wollen einen Baum fällen, wissen aber nicht, wie hoch er ist. Dann können Sie mit so einem Kompass den Baum messen, damit Sie wissen: Der fällt nicht aufs Haus. Man kann sich auch noch anders behelfen, aber ein Kompass ist die genaueste Variante."
Frank Liebau, Kompass-Enthusiast
Für Kompassbauer Norbert Fritz ist der Kompass eine Herzensangelegenheit.
"Erstens ist es ein sehr ursprüngliches Werkzeug, wie ein Lagerfeuer, sag ich jetzt mal ganz frech. Es zeigt uns den Weg auf dieser Welt, auf der wir leben und ich finde, das ist ein schönes Handwerk, was eigentlich schade ist, wenn es einfach nur stillschweigend ausstirbt und gegen einen großindustriellen Prozess ausgetauscht wird."
Norbert Fritz, Inhaber C. Stockert und Sohn