Bayern 2

     

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Viele Fragen, wenige Antworten Die mühsame Aufarbeitung rechten Terrors

"Dieser Prozess wird Deutschland verändern – so oder so" – sagt einer der Beobachter. Aber wie?

Von: Ina Krauß, Thies Marsen, Matthias Reiche und Tim Aßmann

Stand: 30.12.2013 | Archiv

Die Sendung zum Nachhören: Der Münchner NSU-Prozess

Kann ein Schuldspruch den erhofften "Rechtsfrieden" schaffen, den sich vor allem die Angehörigen der Opfer wünschen? Kann das Strafgericht auch aufklären, wie es dazu kam, dass die NSU-Terroristen dreizehn Jahre abtauchen und zehn Menschen ermorden konnten? Aufklären, warum die Ermittler so versagten?

Stimmen zum NSU-Prozess

Nebenkläger

Sein Sohn Halit, 21, starb in den Armen Ismael Yozgats, tödlich verletzt durch zwei Kopfschüsse, in seinem Internet-Café in Kassel. Mysteriös: ein Verfassungsschützer war zur Tatzeit mit im Café, will nichts bemerkt haben.

Bundesanwalt

Der Bundesanwalt Herbert Diemer geht davon aus: Beate Zschäpe war gleichberechtigte Mit-Täterin des NSU-Mordkommandos. Weil sie die harmlose Fassade des Terror-Trios organisierte, machte sie die Mordserie über die vielen Jahre erst möglich.

Angeklagte

Beate Zschäpe schweigt - bis auf weiteres. Bleibt teilnahmslos, auch dann, wenn Tatortfotos mit allen grausamen Details gezeigt werden. Nur einmal schien sie den Tränen nah: als Brigitte Böhnhardt als Zeugin geladen war, die Mutter ihres toten Freundes Uwe.

Verteidiger

Wolfgang Heer zweifelt grundsätzlich an, dass seiner Mandantin Beate Zschäpe eine Mittäterschaft nachgewiesen werden kann – und nicht nur ihre beiden toten Freunde Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos die Täter waren.

Verbände

Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime, hofft, dass es im NSU-Prozess nicht  nur um Schuld und Sühne geht, sondern den Angehörigen der Opfer das Gefühl gegeben wird, hier geht es auch um Gerechtigkeit. Er meint: der Prozess wird Deutschland verändern.

OLG

Gerichtssprecherin Andrea Titz warnt vor überzogenen Erwartungen der Nebenkläger. Von Anfang an wies das Gericht darauf hin, im Saal A 101 werde ein Strafprozess verhandelt – nicht mehr, nicht weniger. Das Versagen des Staates ist Thema in den Untersuchungsausschüssen, des Bundestages, mehrerer Landtage.

Polizei

Josef Wilfling, langjähriger Leiter der Münchner Mordkommission, löste viele spektakuläre Mordfälle. Auf der Suche nach den Mördern der NSU verfolgte auch er die falsche Spur, hatte Drogenhändler und die türkische Mafia im Visier. Primitive Neonazis, die töten wie Profikiller, das konnte er sich schlicht nicht vorstellen.

Schreiendes Leid: die Angehörigen erwarten Gerechtigkeit

Ismael Yozgat "Mein Vertrauen in das OLG ist endlos"

Vor Gericht schreit Ismael Yozgat seine Trauer laut heraus. Sein Sohn war das neunte Opfer der NSU-Mörder. Seine Bitte an die Richter, an den deutschen Staat: diesmal nicht zu versagen. Das ist die Chance des NSU-Prozesses: am Ende nicht nur über Schuld und Sühne zu entscheiden, sondern durch Aufklärung Rechtsfrieden zu stiften.

"Wir sind jetzt hier vor dem Oberlandesgericht München, weil wir den Mord an unserem Sohn aufgeklärt wissen wollen."

Ismael Yozgat, Vater von Halit Yozgat

"Alles ganz normal" Nachbarn und Bekannte über das NSU-Trio

13 Jahre unerkannt im Untergrund: Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe. Zufällige Urlaubsbekanntschaften schildern die Angeklagte Zschäpe als fürsorglich-mütterlichen Kopf der Gruppe. Auch den Nachbarn will nie etwas aufgefallen sein. Und die Zeugen aus der braunen Neonazi-Szene, die vielleicht etwas ahnten, aber behaupten, nie etwas gewusst zu haben und verstummen, wenn der Richter bohrend fragt. Bis jetzt unbeantwortet bleibt die Frage:

Hätte die Mordserie irgendwann gestoppt werden können?

"Wieso sitzt der nicht auf der Anklagebank? Er ist einer der führenden Figuren, neben Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe, die den Thüringer Heimatschutz mit aufgebaut hat."

Opferanwältin Angelika Lex über den Jenaer Neonazi Andre K.

Zwickau: NSU? War da was?

„Wir wollen keine Gedenktafel, dass die Vertreter des NSU in Zwickau gewohnt haben“, sagt die Bürgermeisterin – und hat die sonst schweigende Mehrheit hinter sich. Wer will schon die "Stadt der Täter" sein?

"Ich sage nichts mehr dazu. Das ist verjährt – und jetzt muss auch mal Ruhe sein."

Eine Zwickauerin, aus dem Viertel, in dem das NSU-Trio jahrelang seinen letzten Stützpunkt hatte

München: Spätes Gedenken an die Opfer

NSU-Gedenken in München Gedenktafeln für die Opfer: spät, verschämt, taktlos

Aber auch München, die Stadt, in der der NSU zwei Menschen ermordet hat, tat sich lange schwer mit dem Gedenken.

Die Münchner waren die letzten, die eine Gedenktafel anbringen ließen für die Opfer der Rechtsterroristen.

Falsche Spur: Polizei und Verfassungsschutz versagten

Es gibt einen unsichtbaren Angeklagten im NSU-Prozess: den deutschen Staat. Polizei und Verfassungsschutz verfolgten jahrelang die falsche Spur. Dass Neonazis die Mörder sein könnten, konnte sich kaum einer der Ermittler vorstellen. Und wenn doch, verloren sich die Spuren im Nichts.

Weil die meisten NSU-Morde kaltblütige Hinrichtungen waren, vermuteten die Ermittler Profikiller am Werk, im Auftrag von Drogendealern oder der türkischen Mafia. Opfer und Angerhörige wurden verdächtigt, selbst kriminell zu sein. Heute sind alle bestürzt: "Da gibt es nichts zu beschönigen", gibt Josef Wilfling zu, einer der Chef-Ermittler damals. Im selben Atemzug verteidigt er aber auch seine Berufsehre: "Bevor man sagt, das sind alles Versager, da muss man vielleicht die Frage stellen, warum das so war." Wir haben gefragt.

"Wir hätten diese Fälle gerne geklärt, das dürfen Sie mir glauben. Wir sind nicht auf dem rechten Auge blind. Das hat mich tief getroffen."

Josef Wilfing, Ermittler, Ex-Chef der Münchner Mordkommission

Fehler gemacht? Ex-Ermittler Wilfling und BR-Reporter Bendixen

Josef Wilfling, 66, der langjährige Leiter der Münchner Mordkommission, hat in zweien der insgesamt zehn Morde des NSU ermittelt. 2001, zu Beginn der NSU-Mordserie, war Wilfling für die Suche nach dem Mörder von Habil Kilic zuständig. Ein Profikiller, der sein Opfer regelrecht hingerichtet hat – so Wilflings erster Eindruck am Tatort in München-Ramersdorf. Ähnlich war es 2005, nach dem Mord an dem Münchner Theodorus Boulgaridis im Münchner Stadtteil Westend. Kurz danach wurden die Ermittlungen an die BAO Bosporus in Nürnberg abgegeben und Wilfling war nicht mehr in die Ermittlungen eingebunden. Oliver Bendixen, BR-Polizeireporter berichtete seit Beginn immer wieder über die rätselhafte Mordserie.
Im Gespräch mit Ina Krauß und Tim Aßmann erinnern sich der Ex-Ermittler Josef Wilfling und BR-Reporter Oliver Bendixen an die heute dem rechtsterroristischen NSU zugeschriebenen Morde.


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