Zunge, Bauchnabel, Intimbereich Piercings: Körperschmuck mit Risiken
Beim Piercen (auf Deutsch: durchbohren, stechen) wird die Haut durchbohrt und ein Schmuckstück aus Metall eingesetzt. Es können Infektionen oder allergische Reaktionen auftreten. Das Risiko für Komplikationen hängt auch davon ab, an welcher Stelle im Körper gepierct wurde.
"Es kann immer alles gut gehen", sagt der Dermatologe Philipp Babilas über Piercings. "Aber es kann auch zu schwerwiegenden Folgen kommen. Und ich weiß nicht, ob darüber genug aufgeklärt wird und ob die Patienten, wenn sie davon wüssten, diese Risiken auch in Kauf nehmen würden."
Häufigstes Risiko: Infektionen
Während des Piercingvorgangs können Erreger oder Schmutzpartikel bis tief unter die Haut gelangen. Die gepiercte Stelle kann sich so entzünden. Im schlimmsten Fall verteilen sich die eingebrachten Erreger im ganzen Körper. Die Gefahr einer Infektion besteht vor allem dann, wenn der Piercer nicht unter strengen sterilen Bedingungen arbeitet.
Strukturschädigungen
Beim Piercen wird die Haut durchbohrt und damit auch alle Strukturen der Oberhaut, Lederhaut und des Unterhautgewebes - und je nach Körperstelle auch Muskeln oder die Schleimhaut. "Man kann auf dem Weg durch diese Strukturen durch eine Nervenverletzung einen entsprechenden Schaden hinterlassen", sagt Philipp Babilas. Sensibilitätsstörungen und schlimmstenfalls motorische Ausfälle sind die Folge.
"Wir als Hautärzte sind viel in diesen Hautstrukturen unterwegs. Da macht man viele Kurse und hat profunde Kenntnisse über diese Leitungsbahnen. Das ist in so einem Piercingstudio natürlich nicht gegeben."
Prof. Dr. med. Philipp Bablilas
Auch Keloide sind eine Folge: unschöne, wulstige Narben, die sich je nach Körperstelle unterschiedlich häufig bilden und die schwer zu entfernen sind.
Allergische Reaktionen
Der Piercingschmuck kann allergische Reaktionen auslösen, die von Person zu Person sehr verschieden sind. Manche vertragen ein Piercing mit Nickel sehr gut, andere bekommen davon Juckreiz, Rötungen oder Ausschlag. "Natürlich sind alle Metalle, die eine hohe Reinheit aufweisen, besser als Legierungen, wo alles Mögliche drin ist", sagt Philipp Babilas. "Aber wenn Sie in einem Piercingstudio nachfragen, was das für ein Material ist, weiß ich nicht, ob Sie da so eine fundierte Antwort kriegen."
Ein sogenanntes Fremdkörpergranulom ist eine spätallergische Reaktion, die verzögert auftritt. Das kann sogar noch dann passieren, wenn das Piercing wieder draußen ist, aber noch Rückstände aus dem Metall zurückgeblieben sind. Die Abwehrzellen des Körpers versuchen, diese Rückstände zu beseitigen, indem die Fresszellen sie einmauern. Dadurch bilden sich kleine spürbare Knötchen. Eine an sich gut gemeinte Reaktion des Körpers, die aber schwer wegzukriegen ist.
Piercinglöcher bleiben ein Leben lang
"Gerade im Bereich der Nase und der Lippe haben wir wirklich regelmäßig Patientinnen, die sagen, ich habe mich jetzt daran satt gesehen. Und ich will jetzt das Piercing nicht mehr tragen", berichtet Philipp Babilas aus seinem Praxisalltag. Wer sich dazu entschließt, das Piercing nicht mehr zu tragen, kann es zwar einfach herausnehmen. Das entstandene Loch bleibt aber. Zwar wächst es zu, aber in den meisten Fällen bleibt es für immer sichtbar. Gerade im Gesicht sieht das Loch wie ein Schmutzpartikel oder ein großer Mitesser aus.
"Es lässt sich auch nicht mit Make-up abdecken, weil man so ein Loch nicht zuspachteln kann. Das fällt immer auf. Auch durch das Relief und den Schattenwurf."
Prof. Dr. med. Philipp Bablilas
Das Loch kann nur operativ entfernt werden. In einem Eingriff wird der Stichkanal aus der Haut herausgeholt und mit einer feinen Naht verschlossen. Das Loch wird also durch eine Narbe ausgetauscht, die immerhin leichter zu überdecken ist.
Besonders riskante Körperstellen
Je nach Platzierung können Piercings gefährlicher oder harmloser sein.
"Ein Piercing im Ohrläppchen wäre sicherlich das, was ich am ehesten noch tolerieren würde. Das Ohrläppchen ist für ein Piercing die banalste Stelle."
Prof. Dr. med. Philipp Bablilas
Dort, wo wichtige Nervenbahnen zusammenlaufen, sind Piercings besonders riskant. Etwa in der Brustwarze, der Zunge oder im Genitalbereich.
"Gerade im Bereich der Vulva oder des Penis, da werden nicht nur dünne Drähte, sondern teilweise richtige Bolzen eingespannt. Das kann ja nicht gut sein."
Prof. Dr. med. Philipp Bablilas
Infektionen können überall vorkommen - im Bereich der Vulva hat so eine Infektion aber eine ganz andere Bedeutung als zum Beispiel im Ohrläppchen.
"Die Infektion kann sich dort in den Weichteilen viel schneller ausbreiten. Wenn es zu einem Gewebszerfall kommt, hängt salopp gesagt mehr daran, als in einem Bereich, der nicht so zentral wichtig ist. Je wichtiger die Struktur ist, desto größer ist das Risiko, das man eingeht."
Prof. Dr. med. Philipp Bablilas
Gleiches gilt für die Brustwarze - vor allem für junge Mütter, die ihr Baby stillen wollen. Ein Brustwarzenpiercing kann Milchkanälchen verletzen. In seltenen Fällen kommt es zur Mastitis, also zur Brustentzündung.