Nachtstudio Zukunftsnostalgie
Dienstag, 09.10.2018
20:05
bis 21:00 Uhr
- Als Podcast verfügbar
BAYERN 2
Eine Reise nach Georgien
Von Christine Hamel
Als Podcast und in der Bayern 2 App verfügbar
Wieso schaut ein Land zurück, um seine Zukunft zu gestalten? Georgien, das Gastland der diesjährigen Frankfurter Buchmesse, laboriert schwer an der eigenen Geschichte und erhofft sich von der Zukunft, endlich als große Kulturnation gewürdigt zu werden.
Zu Sowjetzeiten wurde Georgien als "Italy gone marxist" apostrophiert - rote Fahnen standen hier neben blühendem Oleander. Ein Land auf der Südseite des Kaukasus, voller wunderschöner Landschaften und gastfreundlicher Menschen. Kaum ein sowjetischer Film ohne einen mit starkem Akzent russisch parlierenden Georgier, der noch der allerverzwicktesten Lebenslage mit einem Augenzwinkern begegnet. Der romantische Mythos vom "sonnigen Georgien" war das Trostpflästerchen, mit dem der Verlust der Unabhängigkeit 1921 notdürftig kaschiert wurde. Nach dem Zusammenbruch des Sowjetimperiums schlitterte Georgien im Kampf um Unabhängigkeit in bewaffnete Konflikte mit ethnischen Minderheiten und schließlich 2008 in einen Krieg mit Russland. Eine Nation, die bis heute angestrengt ihren Platz in der Welt zu finden sucht.
Das Feature geht der Frage nach, welche nationalen Identitätsfiguren sich aus dieser jüngsten Geschichte herausgebildet haben? Welche Themen werden wie in der Kultur verhandelt? Welche Strategien der Vergegenwärtigung von Vergangenheit kommen zum Tragen? Wie verhält sich eine kritische zeitgenössische Kunst und Literatur zu Tendenzen einer gesellschaftlichen Retraditionalisierung? Christine Hamel hat in Tblissi mit Schriftstellern und Kulturwissenschaftlern gesprochen und porträtiert ein Land voller Zukunftsnostalgie.