Bayern 2

     

Nachtstudio Tod des Lexikons

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Freitag, 19.04.2019
22:05 bis 23:00 Uhr

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BAYERN 2

Die menschliche Dummheit und der Tod des Lexikons
Von Ulrich Bassenge
Als Podcast und in der Bayern 2 App verfügbar

Einst war das Substrat menschlichen Wissens eineinhalb Meter breit und 70 Kilo schwer: das Brockhaus-Lexikon, eine Materialisation der zugleich traurigen und hoffnungsvollen Vorstellung, dass die Menschheit alles wissen könne. Das Lexikon, von lexis, was auf Griechisch "Wort" heißt, ist ein Wörterbuch, in dem die Welt erklärt werden soll. Erstmals versuchte das - noch unbekümmert um alphabetische Anordnung - im 1. Jahrhundert n. Chr. der Römer Plinius. Und siehe da: seine "Naturgeschichte" beginnt mit der grundsätzlichen Erörterung, "ob die Welt endlich, und nur Eine sey". Plinius blieb langwährender Ruhm beschieden, bis man in der Renaissance seine Ortsangaben überprüfte. Eine Ehrenrettung versuchte dennoch im 18. Jahrhundert Johann Daniel Denso mit seiner Übersetzung ins Deutsche. Da hatte der französische Graf Buffon schon mit seiner 44-bändigen Naturgeschichte begonnen, die jedoch - wie auch der Plinius - die Zeitläufte nicht als Sachbuch, sondern als Belletristik überlebte. Der nicht zu Schmeicheleien neigende Gustave Flaubert hatte über Buffon nur zu sagen: "Er trug Ärmelschoner beim Schreiben". Von unendlichem Hass beflügelt, starb der manische Generalist Flaubert schließlich nach dem Verfertigen seiner "Universalenzyklopädie der menschlichen Dummheit".
Der Schriftsteller musste nicht mehr erleben, wie die große und sinnlose Idee des Lexikalischen in der Postmoderne zur Entschuldigung für Beliebigkeit verkam. Einmal mehr widmet sich Ulrich Bassenge der Volksbildung in Zeiten der Dummheit, wohl wissend, dass die Schlacht verloren ist.