Bayern 2

     

radioTexte am Dienstag Lukrez: Der Mensch hat keinerlei Sonderstellung

Gert Heidenreich | Bild: picture-alliance/dpa

Dienstag, 12.11.2019
21:05 bis 22:00 Uhr

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"Also von dem, was man sieht, geht nichts vollständig zugrunde. Denn die Natur schafft eins aus dem andern und duldet kein Werden, wenn nicht des einen Geburt mit dem Tode des andern verknüpft wird", lautet ein Kernsatz des römischen Philosophen Titus Lucretius Carus.

"Also von dem, was man sieht, geht nichts vollständig zugrunde. Denn die Natur schafft eins aus dem andern und duldet kein Werden, wenn nicht des einen Geburt mit dem Tode des andern verknüpft wird", lautet ein Kernsatz des römischen Philosophen Titus Lucretius Carus, desssen Lehrgedicht „Über die Natur der Dinge“ (de Rerum Natura) aud dem 1. Jahrhundert vor. Chr. stammt. Ein Gesang aus diesem umfangreichen Werk wurde von dem italienischen Humanisten Braccio Poggiolini in einem deutschen Kloster entdeckt. Darin erzählt Lukrez von der Entstehung der Welt und lehrt über das Glück der Menschen, die in der freien Natur und ohne Angst vor den Göttern leben sollten, stellt die tradierten Werte in Frage: vorbehaltslose Verehrung der Götter sei vergeblich und wahnhaft, er wünsche sich den Frieden und weniger militärische Eroberungen. Das sinnlose Töten von Tieren sei genauso verabscheuungswürdig wie die blutigen Gladiatorenkämpfe. De Rerum Natura besteht aus sechs Büchern mit insgesamt ca. 7800 Versen. Auf Lukrez beriefen sich insbesondere die materialistischen Philosophen der nachfolgenden Jahrhunderte. Denis Diderot setzte in seiner Abhandlung "Zur Interpretation der Natur" einen einführenden Satz aus dem Poem von Lukrez an den Anfang. Auch Michel de Montaigne beschäftige sich mit den Ideen des römischen Dichters, dessen biografische Daten ungenau und widersprüchlich sind. In einem kurzen Eintrag der Chronik für das Jahr 94 v. Chr. des Kirchenvaters Hieronymus heißt es: "Der Dichter Titus Lucretius wurde geboren. Nachdem ihm ein Liebestrank in den Wahnsinn stürzte, und er in den Pausen seines Wahns mehrere Bücher geschrieben hatte, die später Cicero durchsah, tötete er sich in seinem vierundvierzigsten Lebensjahr mit eigenen Hand." "Über die Natur der Dinge" liegt nun in einer neuen Übersetzung vor, die in den radioTexten am Dienstag vorgestellt und kommentiert wird.