radioTexte am Samstag Georg Büchner: Lenz
Samstag, 12.10.2013
21:03
bis 22:00 Uhr
BAYERN 2
Vom Alp des Wahnsinns - Zum 200. Büchner-Geburtstag: Helmut Griem liest den "Lenz"
Siehe auch Dienstag, 15. Oktober, 9.05 Uhr, und Donnerstag, 17. Oktober, 20.03 Uhr
Lenz ist ein Wahnsinniger. Die Krankheit kommt in sanften, zunehmenden Schüben, es ist schwer, sie zu erkennen - für seine Umgebung wie für ihn selbst. Lenz ist ein einsamer Reisender, ein seinen Gedanken lebender Dichter, ein introvertierter Unbekannter. Einer, der übers Gebirg‘ kam und eine Zeitlang bleiben will, und Schwierigkeiten mit der Gerechtigkeit Gottes und der herrschenden Meinung hat er auch. Zuerst hält man ihn für einen Handwerker. Dann nimmt man ihn auf, erkennt seine Hilfsbedürftigkeit, verzweifelt schließlich daran – „so lebte er hin“. Büchners Novelle, die die letzten Wochen des Dichters Jakob Michael Reinhold Lenz beschreibt, steht allein in der deutschen Literatur. Die umfassende Einfühlung in eine psychotische Persönlichkeit, die Betonung der Innensicht, die Verweigerung jeglicher Harmonie und Verwischung aller Grenzen zwischen Tag und Traum stehen abseits von allen zeitgenössischen Schreib-Idealen. „Idealismus ist die schmählichste Verachtung der menschlichen Natur“, heißt es an einer Stelle, dem „Kunstgespräch“, in dem Büchner Lenz seine Kunstauffassung darlegen lässt und dabei wohl auch seiner eigenen Perspektive nahekommt. Büchner, der Rebell an allen Fronten, politischen wie ästhetischen, wurde im Oktober 1813 geboren, er wurde nur 23 Jahre alt. Sein Lenz fasziniert und schreckt bis heute. Eine Aufnahme mit Helmut Griem. radioTexte am Samstag, 12. Oktober 2013. Moderation: Judith Heitkamp