Bayern 2

     

radioTexte am Dienstag Hans Paasche: Die Provokationen des Lukanga Mukara (2/2)

Hans Paasche | Bild: Donat Verlag

Dienstag, 08.09.2020
21:05 bis 22:00 Uhr

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BAYERN 2

"Noch immer besteht die Schmach, dass deutsche Frauen auf ihren Köpfen Teile von Tieren tragen, die aus der Gottesnatur geraubt werden", schreibt der Afrikaner Lukanga Mukara, der von seinem König auf eine Forschungsreise nach Deutschland geschickt wird.

Redaktion und Moderation: Antonio Pellegrino

Im Auftrag seines Königs reiste der aus der Insel Ukara im Viktoriasee stammende Lukanga Mukara nach Deutschland, um über die Lebensverhältnisse der Weißen zu berichten. Hurrapatriotismus, Heuchelei und Großmannssucht, Reklame und Buchstabengläubigkeit, Raubbau an der Natur - all das wird von Lukanga staunend betrachtet, anschaulich und geistreich, spöttisch und kritisch geschildert. Als seine "Briefe" 1912 zum ersten Mal erschienen, lösten sie heftige Debatten aus. Hatte sie wirklich ein Afrikaner geschrieben? Mit welchem Recht konnte der Gast aus Afrika die Kolonialpolitik Deutschlands und Europas an den Pranger stellen und alles, was den Deutschen damals besonders wertvoll erschien, kritisieren?

"Die Briefe des Lukanga haben einen besonderen Wert. Der fremde Mann legt an die Zustände in Deutschland seinen Maßstab. Was uns gewohnt erscheint, fällt ihm auf. Seine Beobachtungsgabe und die Nacktheit seines Urteils bringen es mit sich, dass er bedeutend über Dinge sprechen kann, denen wir selbst gar nicht einmal unbefangen gegenüberstehen können", schreibt Hans Paasche, der 1905/1906 als Marine- und Kolonialoffizier in Deutsch-Ostafrika war und dort Luganka Mukara kennengelernt hatte. Im Gegensatz zur Expansions- und Kolonialpolitik seines Vaters Hermann Paasche, des nationalliberalen Vizepräsidenten des Reichstags, zweifelte Hans Paasche daran, als Deutscher und Europäer etwas Besonderes zu sein und das Recht zu haben, über andere Völker bestimmen zu können. Wie stark die Anschauungen von Vater und Sohn in Kolonialfragen divergierten, verdeutlichen die "Briefe des Afrikaners Lukanga Mukara", Hans Paasches bekanntestes Buch und zugleich eine satirische Bloßstellung der Errungenschaften europäischer Zivilisation. Am 21. Mai 1920 wurde der Pazifist und Zivilisationskritiker Hans Paasche von Soldaten des Reichswehrschützenregiments 4 aus Deutsch-Krone auf seinem Gut "Waldfrieden" erschossen.

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