Bayern 2

     

Zündfunk Generator Jüdische Perspektiven im Diskurs

Sonntag, 13.06.2021
22:05 bis 23:00 Uhr

BAYERN 2

Count! Us! In! Warum jüdische Perspektiven im postkolonialen und intersektionalen Diskurs nicht ausgeschlossen werden dürfen
Von Shahrzad Eden Osterer
Diese Sendung zum Nachhören unter: www.bayern2.de/zuendfunk
Als Podcast und in der neuen Bayern 2 App verfügbar

Eine Synagoge in Gelsenkirchen vor ein paar Wochen. Ein Mob skandiert antisemitische Hetze. Schon wieder. Am 5. Juni dann: ein Brandanschlag auf eine Synagoge in Ulm.  Judenhass ist in unserer Gesellschaft tief verankert. Der erneut eskalierte Nahostkonflikt hat ihn nur wieder entfesselt. In vielen deutschen Städten gab es im Mai 2021 Demonstrationen gegen die Politik Israels, sehr oft mit lauten antisemitischen Parolen. Der oft zitierte Satz, Antisemitismus habe keinen Platz in Deutschland, er ist eine Wunschvorstellung. Das sieht man auch ganz gut daran: Demonstrationen gegen die Hamas gab es in den letzten Wochen kaum. Auf den Demos gegen Israel sieht man Linke und Rechte, arabisch- und türkischstämmige Menschen, manchmal auch Kurden, alle sympathisieren sie mit den als unterdrückt empfundenen Palästinenser*innen. Genauso die faschistischen Grauen Wölfe, die der radikal-islamistischen Hamas zujubeln. Palästinensische und türkische Flaggen prägen die Szenerie. Trotz aller unüberbrückbaren Differenzen sind sie sich in einer „Obsession“ einig: Israel ist das alleinige Übel im Konflikt, ein Apartheits-Staat, der beseitigt werden muss. Und mittendrin Teile der Deutschen Linken, die jetzt endlich ihr Palästinensertuch entstauben können und zu Demos auf die Straße ausführen. Bei Weißrussland und Lukaschenko, bei den Uiguren und China, bei dem Nationalismus der Basken, bei Erdogan und den Kurden, beim Krieg in Jemen - da sind die meisten schön zu Hause geblieben. Und wenn die Palästinenser*innen selbst gegen die Hamas auf die Straße gehen und diese Demos von ihr brutal niedergeschlagen werden: hier gibt es kaum Solidaritätsaktionen. Aber gegen Israel, da erwacht er, der Instinkt. Dass in der Folge hier in Deutschland Jüdinnen, Juden und Synagogen geschützt werden müssen vor dem größtenteils antisemitischen Mob - das scheint kein großes Problem zu sein. Menschen, die bei rassistischen, sexistischen und anderen Vorfällen von Diskriminierung zu recht lautstark aufschreien, tun sich bei Antisemitismus oft vor allem durch eines hervor: betretenes Schweigen. Wie kommt es, dass genau die Netzwerke und Organisationen, die sich selbst als ausgesprochen „woke“, als sensibel und „empowernd“ verstehen, bei Antisemitismus abtauchen? Warum sind Teile von Black Lives Matter in den USA und prominente Vertreter*innen der amerikanischen Linken wie Alexandria Ocasio-Cortez so überdeutlich und lautstark gegen Isreal? Mich als Jüdin in Deutschland empört das, es macht mich zutiefst traurig. Deshalb hab ich mich auf Spurensuche begeben und Experten und Expertinnen gefragt: Woher kommt diese neue Form des Antisemitismus? Wie verträgt er sich mit den Forderungen nach mehr Diversity und weniger Diskriminierung. Gibt es wirklich so etwas unsolidarisches wie Opferkonkurrenz? Warum wird ausgerechnet beim Antisemitismus die Opferperspektive ausgeblendet, wo doch sonst zurecht jede Mikro-Aggression und jeder Nano-Rassismus entlarvt wird? Und warum mischen Teile der Linken da so fröhlich mit?