Nachtstudio Politik der Schmerzen
Dienstag, 18.01.2022
20:05
bis 21:00 Uhr
- Als Podcast verfügbar
BAYERN 2
Muss man in der Demokratie von Verwundbarkeit reden?
Von Beate Meierfrankenfeld
Diese Sendung hören Sie auch in der BR Radio App und ist als Podcast verfügbar.
Demokratie lebt vom Streit. Wer mitmachen will, muss Kontroverse verkraften, wo zu viel Empfindlichkeit im Spiel ist, wird die Debatte zur heiklen Konkurrenz der Schmerzen. Und subjektive Verletzlichkeit ersetzt das Argument, das alle angeht.
Gefühl gegen Vernunft, Kränkung gegen Kritik, Gruppenbefindlichkeit gegen ein größeres gesellschaftliches Wir: Um diese Gegensätze scheint es zu gehen. Doch die Sache ist komplizierter. Die Forderung, robust zu sein, zielt meistens eher auf die Empfindlichkeit der anderen als die eigene. Was Übersensibilität ist, was berechtigte Zumutung einer offenen Gesellschaft, ist nicht leicht zu sagen. Müssen Muslime Mohammed-Karikaturen aushalten? Feministinnen geschlechterungerechte Sprache - oder Konservative Gendersternchen? Wittert eine junge "Generation Beleidigt" tatsächlich überall Sexismus, Rassismus und Diskriminierung, um sich im Opferstatus einzurichten? Und hat es andererseits die Linke längst aufgegeben, über die Kränkungen von Ungleichheit und prekärer Arbeit zu sprechen?
Verwundbarkeit ist nicht nur ein Gefühl. Sie ist politisch, weil sie mit den Verhältnissen zu tun hat, in denen Menschen leben. In ihrem Essay erkundet Beate Meierfrankenfeld eine Politik der Schmerzen, die mehr will als rhetorische Anästhesie: die Verhältnisse ändern.