radioWissen am Nachmittag Das Haiku und Handtellergeschichten
Dienstag, 05.05.2015
15:05
bis 16:00 Uhr
- Als Podcast verfügbar
BAYERN 2
Eine Handvoll Poesie
Der Literaturnobelpreisträger Kawabata Yasunari
Autorin: Isabella Arcucci / Regie: Irene Schuck
Das Haiku
Drei Zeilen, die alles sagen
Autorin: Jenny von Sperber / Regie: Petra Herrmann
Das Kalenderblatt
5.5.1935
Sabiha Gökçen, erste Kampfpilotin der Welt
Von Ulrich Trebbin
Als Podcast verfügbar
Einen "Meister in Begräbnisdingen", so nannte sich der japanische Schriftsteller Kawabata Yasunari. Im Alter von 10 Jahren wurde er zur Vollwaise - wenige Jahre später hatte er so gut wie alle Verwandten verloren. Tod und Einsamkeit sind zentrale Themen im literarischen Werk dieses sensiblen Mannes mit der hohen, gewölbten Stirn und den großen, fragend blickenden Augen. Uns westlichen Lesern erscheinen seine Texte poetisch und rätselhaft zugleich: sowohl seine Romane wie "Schneeland", als auch seine "Handtellergeschichten", kurze Miniaturerzählungen, die in ihrer schlichten Schönheit an japanische Haiku-Gedichte erinnern. 1968 erhielt Kawabata den Literaturnobelpreis, "für seine Erzählkunst, die mit feinem Gefühl japanisches Wesen und dessen Eigenart ausdrückt", wie das Jurykomitee erklärte. Tatsächlich aber wurde Kawabata stark vom Westen beeinflusst. Wie viele seiner zeitgenössischen Landsleute war auch Kawabata zerrissen - zwischen der modernen Welt des Westens und der Sehnsucht nach dem alten Japan.
Haiku - Das sind die kürzesten Gedichte der Weltliteratur. Kurz, schlicht und klar. Und trotzdem steckt in diesen Miniaturkunstwerken das Wesen der Welt. Die traditionelle Lyrikform Japans entstand im 17. Jahrhundert. Damals war es am japanischen Hofe üblich, auf Empfängen und Festen gemeinsam zu dichten. Verse wurden im Wechsel verfasst und Wettbewerbe um die schönste Dichtung ausgetragen. Bald entstanden feste Formregeln für das Haiku, wie 17 Silben pro Gedicht oder ein eindeutiger Bezug zur Jahreszeit. Was als Zeitvertreib der Adligen begann ist mittlerweile Volksdichtung für Jedermann. Kaum ein Firmenangestellter, kaum eine Großmutter oder Schülerin in Japan, die noch nie ein Haiku verfasst hat. Auch bei uns wird das Haiku immer beliebter. Kompliziertes Intellektualisieren hat im flüchtigen Haiku keinen Platz. Im Gegenteil: Wer bereit ist, die unmittelbaren einfachen Dinge wahrzunehmen und einzufangen, der hat den Haikugeist erkannt.
Moderation: Christian Schuler
Redaktion: Petra Herrmann
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