Drei Zeilen, die alles sagen
Deutsch und Literatur | HS, RS, Gy |
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Schon der Name ist ein Gedicht: Aus den japanischen Worten für Scherz (haikai) und für Anfangsstrophe (hokku) entstand der Begriff Haiku. Ursprünglich ein Kettengedicht, das nach einem vorgegebenen ersten Vers weitergesponnen wurde, hat es sich seit dem 17. Jahrhundert als eigenständige Dichtung entwickelt.
Das herausstechende Merkmal des Haiku ist die Kürze: Zunächst auf 17 Lauteinheiten begrenzt (übertragen auf westliche Sprachen entspricht das einer Länge von etwa zehn bis 17 Silben), existieren heute auch freiere Formen. Traditionell gibt es inhaltliche Vorgaben: Haiku ist Jahreszeitenlyrik, die aus einem Fundus an Schlüsselwörtern (kigo) schöpft. Durch den Bezug auf die Jahreszeiten entfaltet sich die Stimmung der Verse. Haiku gehen zumeist von Beobachtungen des Augenblicks aus, sie machen selten Rückgriffe oder Zukunftsentwürfe und liefern dem Leser keine Deutungen. Die bis heute prominentesten Vertreter der schlicht-schweren Dichtkunst sind Matsuo Basho, Kobayashi Issa und Masaoka Shiki, im 20. Jahrhundert spaltete sich die Haiku-Lyrik in einen traditionellen und einen offeneren Zweig. Die Verbreitung über Japans Kulturraum hinweg ist vor allem ein Verdienst des Internets: in Foren und Blogs veröffentlichen Haiku-Dichter heute weltweit ihre Verse.