Bayern 2

     

radioZeitreisen Fordlandia

Sonntag, 28.07.2013
13:05 bis 13:30 Uhr

BAYERN 2

Fordlandia
Henry Fords amazonisches Utopia
Von Ulrike Rückert
Als Podcast verfügbar

1927 erwarb Henry Ford in Brasilien Land mitten im Amazonas-Dschungel. Hier wollte er die größten Kautschukplantagen der Welt anlegen, um den Rohstoff für Autoreifen selbst zu produzieren. Aber Ford plante noch mehr: sein Utopia, das Muster einer amerikanischen Stadt – 18 Stunden Bootsfahrt vom letzten Vorposten der Zivilisation entfernt.
Ford hasste die moderne Großstadt. Die Stadt seiner Träume war übersichtlich, sauber und kontrollierbar. Seine Arbeiter in Detroit hatten die höchsten Löhne, doch dafür verlangte er einen Lebenswandel nach seinen Regeln, überwacht von einer "Sozialabteilung".
In diesem Geiste erstand eine neue Stadt im Urwald: schnurgerade Reihen identischer Häuser, elektrische Straßenlaternen und rote Feuerhydranten. Alkohol war verboten, sonntags gab es Squaredance.
Expertenrat fand Ford entbehrlich. Er schickte Holzfäller aus Michigan an den Amazonas, die mit einem apokalyptischen Waldbrand die Schöpfung ins Werk setzten. Dann starben sie an Gelbfieber und Schlangenbissen. Als die Stadt fertig war, legte der norwegische Schiffskapitän, den Ford zum Herrn von Fordlandia ernannt hatte, völlig kompetenzfrei Plantagen an. Die Arbeiter schätzten die Löhne, die Schulen und das Krankenhaus – weniger die nordamerikanischen Arbeitszeiten, die Verhaltensregeln und die Selbstbedienungskantine, in der schließlich eine Revolte ausbrach. Von den Gummibäumen ließen Pilze und Insekten nur kahle Stängel übrig. Unverdrossen erteilte Ford Order, ein Stück flussabwärts noch einmal von vorn anzufangen. 1942 wurden ganze 750 Tonnen Kautschuk geerntet – geplant waren 38.000 Tonnen pro Jahr.
Ford betrat sein Dschungelreich niemals selbst. 1945 wurde es an Brasilien zurückverkauft. Der Staat ließ die Anlagen noch jahrzehntelang in Schuss halten, aber ein neuer Investor fand sich nie. In Fords Traumstädten wohnen heute Fledermäuse …
Aus Anlass von Henry Fords 150. Geburtstag am 30. Juli lädt Ulrike Rückert ein zu einer Zeitreise in sein amazonisches Utopia.