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Schlafstörungen Warum kann ich nicht schlafen?

Wer Schlafproblemen nicht rechtzeitig begegnet, findet sich schnell wieder im "Teufelskreislauf Insomnie". Schlaflosigkeit (Insomnie) ist die häufigste Schlafstörung.

Von: Sabine März-Lerch

Stand: 06.08.2024 15:42 Uhr |Bildnachweis

Frau liegt verzweifelt wach  im Bett | Bild: colourbox.com

Unser Gehirn lernt permanent – es lernt leider auch, schlecht zu schlafen. Wer häufig nicht ein- oder durchschläft, regelmäßig frühmorgens erwacht, sich während des Tages deshalb erschöpft fühlt und sich Sorgen um die Leistungsfähigkeit macht, leidet laut Kriterien der Schlafmedizin an einer Schlafstörung. Treten die Schlafstörungen über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten und an mindestens drei Tagen in der Woche auf, gilt die Diagnose "Chronische Insomnie".

Expertin:

Prof. Dr. med. Birgit Högl, Professorin für Neurologie mit Schwerpunkt Schlafmedizin an der Medizinischen Universität Innsbruck und ehemalige Präsidentin der World Sleep Society WSS

Gelegentlich schlechter Schlaf bedeutet aber nicht gleich „chronische Insomnie“. Chronische Insomnie ist charakterisiert durch eine Störung des Einschlafens oder des Durchschlafens mit einer bestimmten Häufigkeit und über eine bestimmte Zeit. Um die Diagnose Chronische Insomnie zu stellen, ist es zusätzlich erforderlich, dass die Betroffenen hierdurch tagsüber subjektiv beeinträchtigt sind – beispielsweise durch reduzierte Leistungsfähigkeit nach einer schlechten Nacht oder auch durch Sorgen, wie man den Tag bewältigen soll nach einer schlechten Nacht.

Dem Text liegt ein Gespräch mit Prof. Dr. Birgit Högl, Professorin für Neurologie mit Schwerpunkt Schlafmedizin an der Medizinischen Universität Innsbruck und ehemalige Präsidentin der World Sleep Society WSS, zugrunde.

Tipp:

Auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) finden Sie unter anderem ein Verzeichnis von Selbsthilfegruppen, Patientenratgeber zu verschiedenen Schlafproblemen und auch eine Liste mit Anlaufstellen für die Behandlung von Albtraum-Geplagten.

Über die Nacht hinweg durchläuft der Mensch verschiedene Phasen leichteren oder tieferen Schlafes. Diese Phasen wechseln sich nach einem wiederkehrenden Muster ab.

Non-REM-Schlaf

In den sogenannten Non-RapidEyeMovement (Non-REM)-Phasen gleiten die Schlafenden durch drei Stadien, die die Schlafforschung mit N1, N2, N3 bezeichnet. Im oberflächlichen Schlummer (N1) sind noch langsame rollende Augenbewegungen zu beobachten, N2 und N3 (Tiefschlaf) definiert die Schlafmedizin als "höherwertige Schlafstadien". Atmung, Kreislauf, Blutdruck, Verdauung, Muskelspannung verändern sich im NON-REM-Schlaf.

REM-Schlaf

Auf die drei Phasen des Non-REM-Schlafes folgt der

REM-(RapidEyeMovement)-Schlaf mit schnellen Augenbewegungen und einem szenischen Traumgeschehen, an das man sich oft gut erinnert. EEG und bildgebende Untersuchungen zeigen in dieser Phase eine starke Aktivität des Gehirns.

"Wir bezeichnen den REM-Schlaf auch als paradoxen Schlaf. Weil hier einerseits der Muskeltonus gleich null ist, und wir andererseits diese starke Aktivität in bestimmten Arealen des Gehirns sehen. Der REM-Schlaf tritt in der Regel erst nach 90-120 Minuten zum ersten Mal auf und macht etwa 20 Prozent des Gesamtschlafes aus. Hier gibt es Altersabhängigkeiten."

Prof. Birgit Högl

Im jungen Alter ist der Tiefschlaf stärker ausgeprägt als im höheren Alter. Zum gesunden Schlaf gehört, dass die eher oberflächliche N1-Schlaf-Phase einen möglichst geringen Anteil haben sollte.

Vier bis fünf Non-REM/REM-Zyklen werden im Laufe des Schlafes durchlebt. Durchläuft ein Mensch die Schlafstadien nicht in der richtigen Reihenfolge – tritt z.B. der Rapid-Eye-Movement-Schlaf direkt nach dem Einschlafen auf -, deutet dies auf eine mögliche Schlaferkrankung hin, z.B. eine Narkolepsie ("Schlummersucht") oder eine Störung der inneren Uhr (z.B. bei Schichtarbeit).

"Der Schlafbedarf ist für die allermeisten Menschen gleich, mit sieben bis neun pro 24 Stunden. Den kann man sich auch in zwei Portionen holen, zum Beispiel in einer Nachtschlafepisode plus einer längeren Siesta."

Prof. Birgit Högl

D.h.: Je länger man wach war, umso stärker steigt der homöostatische Schlafdruck an. Darüber hinaus ist die Schlafbereitschaft oder die Wachbereitschaft aber auch von zirkadianen Einflüssen, die von der inneren Uhr, die wiederum durch den äußeren hell-dunkel-Wechsel beeinflusst wird, gesteuert ist.

Diese komplexen Zusammenhänge wurden vom Schweizer Schlafforscher Professor Alexander Borbély bereits in den 80er Jahren beschrieben.

In den Morgenstunden dann überwiegt der REM-Schlaf, auch Traumschlaf genannt. Auch wacht man mehrmals in der Nacht für kurze Zeit auf – gesunde Schläferinnen und Schläfer erinnern dies nicht.

Der Schlaf erfüllt dabei eine ganz wesentliche Funktion (Reinigung des Gehirns von toxischen Eiweißstoffen, Neuroplastizität/Neuroplastische Funktionen).

Erholung im Schlaf

Nicht eine einzelne dieser Phasen oder ein einzelner Schlafzyklus sorgt für die notwendige Erholung im Schlaf, sondern es müssen alle Schlafstadien in der richtigen Reihenfolge und mit einer gewissen Kontinuität auftreten. Allerdings gehört auch dazu, dass man oft während der Nacht kurze Weckreaktionen hat, was die Gesamtschlafarchitektur jedoch bis zu einem gewissen Grad nicht stört.

"Die Schlafforschung hat gezeigt, dass jedes Schlafstadium - abgesehen vom Übergangsstadium N1, dessen Erholungswert geringer oder umstrittener ist - eine eigene Bedeutung hat."

Prof. Birgit Högl

Die Schlafforschung hat jedoch mittlerweile ein übergeordnetes Konzept von Schlafgesundheit entwickelt ("Sleep Health", z.B. Dan Buysse), wo nicht nur die Menge und Ablauf der einzelnen Schlafstadien eingehen, sondern auch die subjektive Schlaf- und Aufwachqualität, die Frage, ob Schlaf zum zirkadian passenden Zeitpunkt genommen werden kann, und wie erholt jemand ist beim Aufwachen.

Der alte Schlafmythos, der beste Schlaf sei der vor Mitternacht, ist jedenfalls widerlegt.

Es ist allerdings auch nicht ganz egal, wann man schläft. Vor allem die sogenannten "Lerchen", werden schon früh am Abend müde und schlafen dann vor Mitternacht auch gut. Bei den sogenannten "Eulen" ist dies jedoch anders, sie könnten oft vor Mitternacht gar nicht einschlafen. Hier gibt es verschiedene Ursachen und verschiedene Behandlungsmethoden. Für alle Menschen jedoch gilt, dass sie tagaktive Wesen sind und hauptsächlich nachts schlafen sollten.

"Egal, ab wann – in der Regel wird immer in den ersten zwei bis drei Stunden der Nacht der größte Tiefschlafanteil vorhanden sein"

Prof. Birgit Högl

Gemessen werden solche Abläufe im Schlaflabor. Die Zukunftsperspektive:

"Die künstliche Intelligenz wird uns künftig erlauben, nach kleinteiligeren Strukturen im Schlaf zu fahnden, als wir sie bisher nach diesen klassischen vier Schlafstadien im Schlaflabor analysieren können."

Prof. Birgit Högl