Schlafstörungen Warum kann ich nicht schlafen?
Wer Schlafproblemen nicht rechtzeitig begegnet, findet sich schnell wieder im "Teufelskreislauf Insomnie". Schlaflosigkeit (Insomnie) ist die häufigste Schlafstörung.
Unser Gehirn lernt permanent – es lernt leider auch, schlecht zu schlafen. Wer häufig nicht ein- oder durchschläft, regelmäßig frühmorgens erwacht, sich während des Tages deshalb erschöpft fühlt und sich Sorgen um die Leistungsfähigkeit macht, leidet laut Kriterien der Schlafmedizin an einer Schlafstörung. Treten die Schlafstörungen über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten und an mindestens drei Tagen in der Woche auf, gilt die Diagnose "Chronische Insomnie".
Expertin:
Prof. Dr. med. Birgit Högl, Professorin für Neurologie mit Schwerpunkt Schlafmedizin an der Medizinischen Universität Innsbruck und ehemalige Präsidentin der World Sleep Society WSS
Gelegentlich schlechter Schlaf bedeutet aber nicht gleich „chronische Insomnie“. Chronische Insomnie ist charakterisiert durch eine Störung des Einschlafens oder des Durchschlafens mit einer bestimmten Häufigkeit und über eine bestimmte Zeit. Um die Diagnose Chronische Insomnie zu stellen, ist es zusätzlich erforderlich, dass die Betroffenen hierdurch tagsüber subjektiv beeinträchtigt sind – beispielsweise durch reduzierte Leistungsfähigkeit nach einer schlechten Nacht oder auch durch Sorgen, wie man den Tag bewältigen soll nach einer schlechten Nacht.
Dem Text liegt ein Gespräch mit Prof. Dr. Birgit Högl, Professorin für Neurologie mit Schwerpunkt Schlafmedizin an der Medizinischen Universität Innsbruck und ehemalige Präsidentin der World Sleep Society WSS, zugrunde.
Tipp:
Auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) finden Sie unter anderem ein Verzeichnis von Selbsthilfegruppen, Patientenratgeber zu verschiedenen Schlafproblemen und auch eine Liste mit Anlaufstellen für die Behandlung von Albtraum-Geplagten.
Über die Nacht hinweg durchläuft der Mensch verschiedene Phasen leichteren oder tieferen Schlafes. Diese Phasen wechseln sich nach einem wiederkehrenden Muster ab.
Non-REM-Schlaf
In den sogenannten Non-RapidEyeMovement (Non-REM)-Phasen gleiten die Schlafenden durch drei Stadien, die die Schlafforschung mit N1, N2, N3 bezeichnet. Im oberflächlichen Schlummer (N1) sind noch langsame rollende Augenbewegungen zu beobachten, N2 und N3 (Tiefschlaf) definiert die Schlafmedizin als "höherwertige Schlafstadien". Atmung, Kreislauf, Blutdruck, Verdauung, Muskelspannung verändern sich im NON-REM-Schlaf.
REM-Schlaf
Auf die drei Phasen des Non-REM-Schlafes folgt der
REM-(RapidEyeMovement)-Schlaf mit schnellen Augenbewegungen und einem szenischen Traumgeschehen, an das man sich oft gut erinnert. EEG und bildgebende Untersuchungen zeigen in dieser Phase eine starke Aktivität des Gehirns.
"Wir bezeichnen den REM-Schlaf auch als paradoxen Schlaf. Weil hier einerseits der Muskeltonus gleich null ist, und wir andererseits diese starke Aktivität in bestimmten Arealen des Gehirns sehen. Der REM-Schlaf tritt in der Regel erst nach 90-120 Minuten zum ersten Mal auf und macht etwa 20 Prozent des Gesamtschlafes aus. Hier gibt es Altersabhängigkeiten."
Prof. Birgit Högl
Im jungen Alter ist der Tiefschlaf stärker ausgeprägt als im höheren Alter. Zum gesunden Schlaf gehört, dass die eher oberflächliche N1-Schlaf-Phase einen möglichst geringen Anteil haben sollte.
Vier bis fünf Non-REM/REM-Zyklen werden im Laufe des Schlafes durchlebt. Durchläuft ein Mensch die Schlafstadien nicht in der richtigen Reihenfolge – tritt z.B. der Rapid-Eye-Movement-Schlaf direkt nach dem Einschlafen auf -, deutet dies auf eine mögliche Schlaferkrankung hin, z.B. eine Narkolepsie ("Schlummersucht") oder eine Störung der inneren Uhr (z.B. bei Schichtarbeit).
"Der Schlafbedarf ist für die allermeisten Menschen gleich, mit sieben bis neun pro 24 Stunden. Den kann man sich auch in zwei Portionen holen, zum Beispiel in einer Nachtschlafepisode plus einer längeren Siesta."
Prof. Birgit Högl
D.h.: Je länger man wach war, umso stärker steigt der homöostatische Schlafdruck an. Darüber hinaus ist die Schlafbereitschaft oder die Wachbereitschaft aber auch von zirkadianen Einflüssen, die von der inneren Uhr, die wiederum durch den äußeren hell-dunkel-Wechsel beeinflusst wird, gesteuert ist.
Diese komplexen Zusammenhänge wurden vom Schweizer Schlafforscher Professor Alexander Borbély bereits in den 80er Jahren beschrieben.
In den Morgenstunden dann überwiegt der REM-Schlaf, auch Traumschlaf genannt. Auch wacht man mehrmals in der Nacht für kurze Zeit auf – gesunde Schläferinnen und Schläfer erinnern dies nicht.
Der Schlaf erfüllt dabei eine ganz wesentliche Funktion (Reinigung des Gehirns von toxischen Eiweißstoffen, Neuroplastizität/Neuroplastische Funktionen).
Erholung im Schlaf
Nicht eine einzelne dieser Phasen oder ein einzelner Schlafzyklus sorgt für die notwendige Erholung im Schlaf, sondern es müssen alle Schlafstadien in der richtigen Reihenfolge und mit einer gewissen Kontinuität auftreten. Allerdings gehört auch dazu, dass man oft während der Nacht kurze Weckreaktionen hat, was die Gesamtschlafarchitektur jedoch bis zu einem gewissen Grad nicht stört.
"Die Schlafforschung hat gezeigt, dass jedes Schlafstadium - abgesehen vom Übergangsstadium N1, dessen Erholungswert geringer oder umstrittener ist - eine eigene Bedeutung hat."
Prof. Birgit Högl
Die Schlafforschung hat jedoch mittlerweile ein übergeordnetes Konzept von Schlafgesundheit entwickelt ("Sleep Health", z.B. Dan Buysse), wo nicht nur die Menge und Ablauf der einzelnen Schlafstadien eingehen, sondern auch die subjektive Schlaf- und Aufwachqualität, die Frage, ob Schlaf zum zirkadian passenden Zeitpunkt genommen werden kann, und wie erholt jemand ist beim Aufwachen.
Der alte Schlafmythos, der beste Schlaf sei der vor Mitternacht, ist jedenfalls widerlegt.
Es ist allerdings auch nicht ganz egal, wann man schläft. Vor allem die sogenannten "Lerchen", werden schon früh am Abend müde und schlafen dann vor Mitternacht auch gut. Bei den sogenannten "Eulen" ist dies jedoch anders, sie könnten oft vor Mitternacht gar nicht einschlafen. Hier gibt es verschiedene Ursachen und verschiedene Behandlungsmethoden. Für alle Menschen jedoch gilt, dass sie tagaktive Wesen sind und hauptsächlich nachts schlafen sollten.
"Egal, ab wann – in der Regel wird immer in den ersten zwei bis drei Stunden der Nacht der größte Tiefschlafanteil vorhanden sein"
Prof. Birgit Högl
Gemessen werden solche Abläufe im Schlaflabor. Die Zukunftsperspektive:
"Die künstliche Intelligenz wird uns künftig erlauben, nach kleinteiligeren Strukturen im Schlaf zu fahnden, als wir sie bisher nach diesen klassischen vier Schlafstadien im Schlaflabor analysieren können."
Prof. Birgit Högl
Schlechter Schlaf führt zu hohem Blutdruck, Stoffwechselentgleisungen, Stimmungsschwankungen, verminderter Leistungsfähigkeit, Depressionen, Gewichtszunahme etc. Im Umkehrschluss also lässt sich feststellen, was gesunder Schlaf offenbar bewirkt. Die Schlafforschung kam einem Mechanismus auf die Spur, der uns zeigen könnte, warum wir schlafen.
"Im Schlaf sortiert das Gehirn nicht nur seine Erlebnisse und Erfahrungen, sondern 'bringt sozusagen den Müll raus'. Es gibt erstmalig Forschungsergebnisse, die zeigen, dass der Schlaf als sogenannter 'garbage truck' (Müllabfuhr) oder 'Hausmeister' des Gehirns funktioniert: Einige Zellen schrumpfen im Tiefschlaf und somit werden die interzellulären Räume erweitert. Hier können toxische Abbauprodukte bzw. Eiweißprodukte, die sich im Wachzustand angesammelt haben, besser entsorgt werden, da sie durch Konvektion mitgerissen werden."
Prof. Birgit Högl
Nicht nur muss man unterscheiden zwischen Schlaf von schlechter Qualität (z.B. bei unbehandelter Schlafapnoe) oder objektiv zu kurzem Schlaf. Nicht alle Patienten mit chronischer Insomnie haben auch objektiv zu kurzen Schlaf, und die kleinere Gruppe derer, die objektiv zu kurz schläft, hat mehr negative Folgen.
Es gibt vermehrt Studien, die zeigen, dass eine Störung der Schlafstruktur, oder zu kurzer Schlaf in den mittleren Lebensjahren mit einem erhöhtem Risiko einer Entwicklung einer dementiellen Erkrankung einhergehen, und die Innsbrucker Arbeitsgruppe Schlaf hat anhand von nahezu 1.000 Patienten gezeigt, dass bereits sehr diskrete Veränderungen der Schlafstruktur bei einer Langzeit-Beobachtung von 12,7 Jahren mit einem messbar erhöhtem Risiko der Entwicklung einer neurodegenerativen Erkrankung einhergehen.
"Mittlerweile gibt es so viele Nachweise der Bedeutung eines ausreichenden und gesunden Schlafs für multiple Gesundheitsvariablen auf kurze und auf lange Sicht, dass sich zunehmend folgende Einsicht durchsetzt: Schlaf ist der dritte wesentliche Pfeiler für Gesundheit, neben Ernährung und Bewegung, die bereits allgemein bekannt sind. Die Arbeitsgruppe von Prof. Phyllis Zee in Chicago und Dr. Chandra Jacksonvom amerikanischen NIH gehen sogar noch weiter, und stellen diese drei Säulen der Gesundheit unter das Dach der zirkadianen Rhythmen. Womit auch wieder gemeint ist, dass Schlaf dann am erholsamsten ist, wenn er zum zirkadian, also tagesrhythmisch, richtigen Zeitpunkt stattfinden kann."
Prof. Birgit Högl
Ursachen von Schlafstörungen können im Lebensstil und in persönlichen Lebensumständen liegen (Stress, Alkohol, Sorgen, Trauer, Schichtarbeit, Schmerzen…) oder in Erkrankungen im Hintergrund. Wichtig ist, Veränderungen des Schlafes auf jeden Fall ernst zu nehmen.
Die Schlafmedizin kennt sechs große Gruppen von Schlafstörungen, die durch Veränderung der Schlafarchitektur, der Atmung im Schlaf, der inneren Uhr oder auffälliges Verhalten oder auffällige Bewegungen im Schlaf charakterisiert sind:
Formen von Schlafstörungen
- Insomnien: Zustände der Schlaflosigkeit
- Schlafapnoe: Erkrankungen, bei denen die Atmung im Schlaf gestört ist
- Erkrankungen mit erhöhter Einschlafneigung: u.a. Narkolepsie
- Störungen der inneren Uhr
- Parasomnien: z.B. Schlafwandeln
- schlafbezogene Bewegungsstörungen: z.B. Restless Legs Syndrom oder Zähneknirschen
Zur Definition der Schlafstörung im klassischen Sinne der Insomnie zählt die subjektive Beeinträchtigung des Einzelnen, der sich quält im Bett und nicht so viel Schlaf finden kann, wie er möchte.
"Wenn das anhält, sollte man das nicht zu lange schleifen lassen und sich beraten lassen, bevor die Störung chronisch wird."
Prof. Birgit Högl
In einer Antwort der Bundesregierung auf eine Abgeordneten-Anfrage geht man davon aus, dass "ein Drittel der erwachsenen Befragten während der letzten vier Wochen potenziell klinisch relevante Ein- oder Durchschlafstörungen" hatte. Die Bundesärztekammer nennt diese Zahl: "6 von 100 Menschen haben Schlafprobleme". Sehr viele Patienten haben eine chronische Insomnie ohne zugrundeliegende Erkrankung. Immer aber sollte abgeklärt werden, dass sich keine anderen Erkrankungen (kein anderer körperlicher oder psychiatrischer Hintergrund, keine andere Schlafmedizinische Krankheit) dahinter verbergen.
Schlafstörungen in Krisen-Zeiten: Beispiel Corona
Schlafbeschwerden treten häufig nach akutem COVID-19 auf. Der Stress, das Trauma der Erkrankung, können zum einen Schlaflosigkeiten auslösen. An der Universitätsklinik für Neurologie Innsbruck zeigte eine erste polyneurographische (d.h. im Schlaflabor erstellte) Studie zudem, dass mehr als ein Drittel der befragten und im Schlaflabor untersuchten Patienten keine vollständige Muskelerschlaffung im REM-Schlaf-Phase hatte: Der Muskeltonus war also nicht komplett zum Erliegen gekommen.
"Dies ist ansonsten eines der frühen Kennzeichen für eine sogenannte REM-Schlaf-Verhaltensstörung (RBD), bei der die Menschen ihre Traumaktivitäten direkt motorisch (und mit möglicher Verletzungsgefahr) ausleben. Es ist auch bereits bekannt, dass eine RBD wiederum mit einem erhöhten Risiko für neurodegenerative Erkrankungen wie Parkinson in Verbindung gebracht werden kann. Hier wäre es wichtig, eine Nachuntersuchung zu machen, um zu sehen, ob sich die Veränderungen des REM-Schlafs wieder zurückgebildet haben."
Prof. Birgit Högl
Auch wer nicht selbst erkrankt ist, kann eventuell von schwerer Schlaflosigkeit betroffen sein, weil ihn Sorgen um den Arbeitsplatz, finanzielle Nöte oder Angst um Angehörige umtreiben.
Schlafkrankheiten müssen abgeklärt werden, manchmal im Schlaflabor. Auch wenn nicht in allen Fällen auf Medikamente verzichtet werden kann, ist mittlerweile international anerkannt, dass die kognitive Verhaltenstherapie die Behandlung der Wahl für die chronische Insomnie ist, also die Schlafstörung auf nicht-medikamentösem Wege in den Griff zu bekommen. Die kognitive Verhaltenstherapie umfasst Wissensvermittlung über den Schlaf an sich genauso wie Entspannungstechniken, Einschlafrituale und Imaginationen.
"Die Ausbildung dafür ist mittlerweile auf gesamteuropäischer Ebene koordiniert. Und selbst die amerikanischen Hausärzte, von denen man nicht zweifelt, dass sie gerne und viel Medikamente verschreiben, empfehlen dies als Mittel der ersten Wahl. Manchmal in Verbindung mit medikamentöser Behandlung. Aber die meisten Schlafmittel sind nur für die kurzzeitige Anwendung geeignet. Auf diesem Feld gibt es allerdings auch neue medikamentöse Ansätze, die in bestimmten Fällen nützlich sind und verschrieben werden können."
Prof. Birgit Högl
Zusätzlich können Empfehlungen zur Selbsthilfe helfen.
Wann helfen Schlafmittel?
Vor der Einnahme von Schlafmitteln sollte zunächst die Ursache für die Probleme abgeklärt werden. Grundsätzlich sollten Schlafmittel die ultima ratio sein. Wichtig ist auch, dass solche Präparate nur kurzfristig oder gelegentlich und unter strenger ärztlicher Kontrolle eingenommen werden sollten: Das heißt, nicht länger als drei Wochen. Sinnvoll können Medikamente sein, um plötzlich auftretende massive Schlafprobleme z.B. im Rahmen einer akuten Krise zu lindern oder eine schon länger vorhandene chronische Schlafstörung zu durchbrechen, begleitet von nicht-medikamentösen Maßnahmen wie der kognitiven Verhaltenstherapie, die in Deutschland, sogar in Form einer App auf Rezept verschrieben werden kann ("somnio").
Welches Mittel ist das richtige?
Besonders verträglich bei Schlafproblemen sind pflanzliche Mittel, die Baldrian enthalten. Sie sind in der Regel nicht verschreibungspflichtig und oft weitgehend frei von Nebenwirkungen. Zu der Gruppe der verschreibungspflichtigen Schlafmittel gehören neben den klassischen Schlafmitteln, die nur kurzfristig oder gelegentlich eingenommen werden sollten, auch manche Antidepressiva in niedriger Dosierung. Sie können länger verabreicht werden, da die Gefahr einer Abhängigkeit geringer ist, haben aber eine Reihe anderer Nebenwirkungen. Neu ist auch, dass ein Medikament aus der Gruppe der Dualen Orexin Rezepto Antagonisten (DORA), nämlich Daridorexant, in Europa verfügbar und verschreibbar ist.
Achtung:
Von der Einnahme von Antihistaminika (Allergiemittel) bei Schlafproblemen ist eher abzuraten, da sie allenfalls kurz wirken und erhebliche Nebenwirkungen haben können. Auch die sogenannten Antipsychotika sollen nicht zur Behandlung von Schlafstörungen eingesetzt werden, außer bei psychiatrischen Patienten.
Vorsicht Nebenwirkungen!
- Grundsätzlich besteht bei den klassischen Schlafmitteln Benzodiazepinen oder Z-Substanzen, wenn man sie über längere Zeit einnimmt, immer eine Gefahr, dass sich eine Gewöhnung und damit ein Wirkverlust entwickelt. Deswegen sollen sie nur für wenige Wochen, oder nur an einzelnen Tagen zum Einsatz kommen.
- Außerdem kann ein Toleranzeffekt eintreten, wenn der Körper sich an ein Mittel gewöhnt hat, sodass die Dosis immer weiter erhöht werden muss, um eine Wirkung zu erzielen.
- Auch möglich, speziell bei den Insomnien, ist ein sogenannter Rebound: Dabei verstärken sich die Schlafprobleme nach dem Absetzen eines Medikaments im Vergleich zu vorher.
Gesunder Schlaf hilft zur Konzentration am Tag, dem Gedächtnis, der Ausgeglichenheit. Mit Empfehlungen für gesunden Schlaf lässt sich auch gegen Insomnie angehen.
Schlafdauer
Von manchen Politikerinnen und Politikern heißt es eher anerkennend, dass sie regelmäßig mit wenigen Stunden Schlaf auskämen. Wie ist das zu beurteilen?
"Es gibt sehr wenige Menschen, die wirklich auf Dauer mit sehr wenig Schlaf auskommen. Der individuelle Schlafbedarf kann individuell sehr unterschiedlich sein. Die internationalen schlafmedizinischen Gesellschaften äußern jedoch einhellig, dass man sieben bis neun Stunden Schlaf auf 24 Stunden braucht. Frauen in der Regel etwas mehr als Männer."
Prof. Birgit Högl
Es gibt auch in der Schlafforschung keine eindeutige Meinung dazu, inwiefern sich Schlafmangel "aufholen" lässt. Ein gewisser Schlafmangel unter der Woche lässt sich durch ausgiebiges Ausschlafen am Wochenende vielleicht teilweise kompensieren, jedoch nicht vollständig. Bei der Frage, wieviel ein Mensch schlafen muss, spielt auch die Genetik eine Rolle. Gene sind auch dafür verantwortlich, ob Menschen eher Frühmenschen oder Nachtmenschen sind (Stichwort "Eulen" und "Lerchen"). Eine Prädestinierung, die sich nur sehr schwer ändern lässt.
Frühes Abendessen für gesunden Schlaf?
Die Annahme, spätes Essen beeinflusse den Schlaf negativ, führt die Schlafmedizinerin eher auf kulturelle Gewohnheiten zurück
"In Deutschland z. B. ist frühes Abendessen gebräuchlich - in südlichen Ländern wird gewohnheitsmäßig sehr spät am Abend gegessen. Dort beobachten wir aber deshalb nicht eine höhere Zahl von Menschen mit Schlaferkrankungen. Ausgenommen Menschen mit einer Vorerkrankung wie Reflux: Die sollten sich nicht mit vollem Magen zur Nacht niederlegen."
Prof. Birgit Högl
Es gibt sogar Schlafmediziner, die kleine Menge Kohlenhydrate (z.B. ein Betthupferl) vor dem Schlafengehen für vernünftig halten.
"Der Hintergrund dafür konnte mittlerweile in der Forschung belegt werden: Diejenigen Zellen, die das sogenannte Hypocretin/Orexin produzieren, das sind Botenstoffe, die für die Schlaf-Wach-Regulation eine große Rolle spielen, hören auf zu 'feuern', sind also nicht mehr aktiv, sobald sie in Glucose-Lösung eingebracht werden. Dies könnte die physiologische Ursache für die erhöhte Schlafbereitschaft nach Nahrungsaufnahme darstellen."
Prof. Birgit Högl
Möglichst dunkel schlafen
Ein wichtiges Nacht-Signal ist das Hormon Melatonin. Es wird bei Dunkelheit ausgeschüttet und meldet dem Körper, dass es Nacht und für tagaktive Wesen Zeit zum Schlafen ist. Bereits eine sehr geringe Lichteinwirkung kann diese Melatonin-Ausschüttung behindern.
"Schon in der letzten halben Stunde vor dem Zubettgehen sollte man nicht mehr mit großer 'Festbeleuchtung' im Wohnzimmer sitzen. Auch am Bett ist das gute alte Nachtischlämpchen mit warmem Licht empfehlenswert. Das geht so weit, dass auch ein nächtlicher Toilettengang mit hellem Licht im Bad zur Unterbrechung der Melatonin-Produktion führen kann."
Prof. Birgit Högl
Nach einer solchen Licht-Unterbrechung dauert es, bis die Melatonin-Produktion sozusagen wieder "hochgefahren" wird. Nicht nur das Licht von der Straßenlaterne, auch kleine Leuchtdioden an Geräten im Schlafzimmer können den Schlaf beeinträchtigen. Blaues Licht wie das von Smartphones und Laptops vertragen sich nicht mit dem Schlafwunsch.
"Die Zellen in der Netzhaut des Auges, die auf das Licht reagieren, haben eine besondere Sensibilität im kurzwelligen blauen Bereich."
Prof. Birgit Högl
Blaues Licht kurz vor dem Schlafengehen oder noch im Bett mindert die Schlafqualität.
Lärm und Schlaf – ein Widerspruch in sich
"Selbst, wenn wir nicht bewusst wach werden: Wenn uns Lärm im Schlaf stört, werden wir aus dem Tiefschlaf in oberflächliche Schlafstadien katapultiert. Mit der Folge, dass unser Schlaf-Wach-Hormonhaushalt ausgehebelt wird." Prof. Birgit Högl
Die passende Temperatur
Der Mensch kann am besten einschlafen, wenn er seine Körpertemperatur entsprechend absenken kann. Es muss eine Temperaturdifferenz zwischen Händen und Füßen und der Umgebung geben, damit Körperwärme abgeführt werden kann. Alte Hausmittel wie Fußbäder vor dem Zubettgehen oder Schlafsöckchen haben das schon aufgegriffen – und werden inzwischen von der Schlafmedizin unterstützt.
"Wenn die Füße warm sind, sind die Blutgefäße weit gestellt und man kann die Körperkerntemperatur besser absenken, also Wärme besser an die kühlere Umgebung abführen. Deswegen schlafen Menschen mit kalten Füssen oft schlecht ein."
Prof. Birgit Högl
Schlaf, Gesundheit und sozialer Status
Dunkelheit, Ruhe, Temperatur sind für eine gesunde Schlafumgebung wichtig – Faktoren, die oft mit einem guten sozioökonomischen Status zusammenhängen.
"Menschen, die in angenehmerer Umgebung wohnen können, haben in der Regel bessere Voraussetzungen für einen gesunden Schlaf. Faktoren, die den Schlaf günstig beeinflussen, sind nicht für alle Menschen gleichermaßen zugänglich (also eine ruhige, dunkle und angenehm klimatisierte Schlafumgebung und Schlaf zu optimalen Schlafenszeiten). Wir wissen um den Zusammenhang von sozioökonomischem Status und Gesundheit. Wir gehen davon aus, dass Schlaf eines der wesentlichen Bindeglieder in diesem Zusammenhang darstellt."
Prof. Birgit Högl