Bayern 2 - Gedanken zum Tag


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Irmtraud Tarr Gedanken zum Tag

In schwierigen Zeiten haftet dem Lachen und dem Leichten der Ruf des Oberflächlichen an.

Stand: 22.07.2024 00:01 Uhr

Gedanken zum Tag - Bayern 2 | Bild: BR

22 Juli

Montag, 22. Juli 2024

In schwierigen Zeiten haftet dem Lachen und dem Leichten der Ruf des Oberflächlichen an. Dabei zählt genau das Gegenteil: Lachen ist Fühlen. Selbst in dunklen Zeiten. Der Humor beschenkt uns mit einer Gabe: Wir dürfen mehr merken, mehr fühlen, als wir uns das normalerweise gestatten. Wir dürfen wahrnehmen und uns von der Anstrengung befreien, uns zusammenzuhalten, zurückzuhalten, herauszuhalten und durchzuhalten. Lachen ist ein Wutdrucksenker und tröstet uns darüber hinweg, wie wir wirklich sind, wie die Welt wirklich ist. Humor ist eine bestimmte Haltung zu sich und zur Welt. Er hat zwei Seiten: die Selbstrelativierung und die gelassene Souveränität, die die Gegebenheiten anerkennt und sich gleichzeitig darüber erhebt. Zumindest schafft er eine Brücke vom Ich zum Du, wenn wir einander auf die Schippe nehmen und augenzwinkernd etwas von unserem Inneren zeigen. Humor ist im Grunde genommen eine Antwort auf die Frage: Wie soll man leben? Oder: Wie geht das Leben? Humor weitet den Blickwinkel, weil er die Dinge von verschiedenen Seiten betrachtet. Deswegen ist er eine kluge Sozialstrategie zur gewaltfreien Lösung von Spannungen, Rechthaberei und Machtgegockel, weil man die auch weglachen kann.

Entnommen aus: Irmtraud Tarr "Humor - der Schwimmring im Fluss des Lebens", Patmos Verlag, Ostfildern 2024


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