Abt Jeremias Schröder Gedanken zur Fastenzeit
In der 1500 Jahre alten Regel der Benediktiner heißt es, dass der Mönch am Anfang der Fastenzeit ein Buch bekommen soll.

10. April
Donnerstag, 10. April 2025
In der 1500 Jahre alten Regel der Benediktiner heißt es, dass der Mönch am Anfang der Fastenzeit ein Buch bekommen soll. Nicht nur bekommen, sondern auch lesen, und zwar "ex integro" – von Anfang bis Ende. Das hat mir immer schon gut gefallen, auch wenn ich früher etwas geschmunzelt habe. Das schien wie eine Botschaft aus einer fernen Zeit, in der Bücher noch selten und Lesen eine große Anstrengung war. Inzwischen ist mir das Schmunzeln allerdings vergangen. Die Bücher sind zwar nicht mehr selten, aber Bücherlesen kostet wieder Überwindung. Viele Zeitgenossen hängen stundenlang am Smartphone, auch im Kloster. Nachrichten und Unterhaltung kommen Tag und Nacht in kleinen Schnipseln herein. Für ein richtiges Buch, und dann erst noch ein dickes und gehaltvolles, womöglich ohne Bilder, haben die meisten kaum noch die Geduld.
Wer noch keine Fastenübung gefunden hat, die ihm wirklich zusagt, kann vielleicht das versuchen: Ein Buch aussuchen – möglichst eines, auf das man wirklich Lust hat, sonst wird es mühsam. Und es dann bis zum Ende lesen. Wer sich zu so einem Buch aufmacht, wird merken, wie sich eine innere Welt aufbaut, die mehr Tiefe hat und satter macht als der reißende Strom des Nachrichten Fast-Foods, der unseren Alltag inzwischen bestimmt.
Abt Jeremias Schröder / unveröffentlichter Text