Bayern 2 - Gedanken zum Tag







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Margarete Dvorak Gedanken zur Fastenzeit

"Einfach jammerschade!" Der Nachbar seufzt. Er trauert um den schönen, alten Kirschbaum in seinem Garten. Die Wurzeln waren morsch. Wirklich schade. Jetzt im April hätte er wieder so schön geblüht.

Stand: 12.04.2025 |Bildnachweis

Gedanken zur Fastenzeit | Bild: BR

12 April

Samstag, 12. April 2025

"Einfach jammerschade!" Der Nachbar seufzt. Er trauert um den schönen, alten Kirschbaum in seinem Garten. Die Wurzeln waren morsch. Wirklich schade. Jetzt im April hätte er wieder so schön geblüht. Im Juni haben sich die Vögel immer um die Kirschen gezankt. Dann, im späten Sommer, haben sich die Blätter verfärbt. Im Winter, wenn er kahl und trostlos dastand, konnte ich mich jedes Jahr darauf verlassen, dass wieder Leben in ihn kommt. Der Kirschbaum hat mich durchs Jahr begleitet. Ich werde ihn vermissen – obwohl es da noch viele Bäume in Nachbars Garten gibt, jeder Baum etwas Besonderes.
Wie bei den Menschen! Die sind auch alle einmalig, obwohl es so viele sind. Der eine ist stark wie eine Eiche, ein anderer kommt daher wie eine Trauerweide und hat nah am Wasser gebaut. Es gibt Menschen, die immer im Mittelpunkt stehen, wie die Linde im Dorf. Wieder andere zittern schon beim geringsten Luftzug wie Espenlaub. Und manche sind aus einem ganz besonderen Holz geschnitzt. Doch eines haben sie alle gemeinsam: Wenn ihnen der Sturm ins Gesicht bläst, brauchen sie starke Wurzeln, etwas, was ihnen Halt gibt.
Starke Wurzeln bildet der Baum aus, wenn er genügend Wasser, Erde und Licht bekommt. Was er zum Wachsen braucht, bekommt er geschenkt. Dadurch gedeiht er. Wie bei den Menschen.

Margarete Dvorak / unveröffentlichter Text







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